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Ausgabe:

1992

Spalte:

840-841

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Lindars, Barnabas

Titel/Untertitel:

The theology of the Letter to the Hebrews 1992

Rezensent:

März, Claus-Peter

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 11

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„Zeugnis", zur Unterscheidung von positiven und negativen Inhalten,
auch zur Differenzierung von Sündlosigkcit und Sünde, von „ Sünden zum
Tode" und „Sünden nicht zum Tode" (5.160, was im Vergleich mit Uo3
die Feststellung von Spannungen im Sprachgebrauch des 1 Jozur Folge hat
(640. Zu unterscheiden sind auch die „Gottesliebc" und „Liebe in der Gemeinde
", von denen die erstere auf die zweite ausgerichtet ist (67). Zu
Recht macht die Vfn. darauf aufmerksam, daß sich in diesem Kontext eine
Neigung zu Exklusivität und Separation gegenüber NichtChristen andeutet
, lehnt es aber ab. solche Tendenz als "isolationism" oder "schism" begrifflich
zu fassen (69), dies alles hätte aber die Frage nicht erübrigen müssen
, ob der absolute Agape-Tcrminus (z. B. 1 Jo 4,8.16) nicht doch über die
Grenze der johanncischen Gemeinde hinausweist.

Erst jetzt folgt der christologische Abschnitt ("Jesus in tradi-
tion and faith ") mit einer Darstellung der Christustitel, des Gottesverhältnisses
des Sohnes, seines Sühntodes und der Bezeichnung
„Paraklet" (74). Die Absicht der Vfn. richtet sich darauf,
den Bezug des Christuskerygmas auf das vergangene Christusgeschehen
zu minimalisieren.

Aus 4,2 und 5,6f wird lediglich die Folgerung gezogen, das Bekenntnis
zu Jesus Christus besage, daß dieser „die Quelle der Vergebung" ist (77) -
was aber doch die offenbar bewußt gewählte Wortwahl (4.2: ev crapia'; 5,6:
8t' üSaToc, Kai ai'uaToc,) nicht erklärt und die implizite antidoketische Aussage
nicht beseitigen kann (zu 75ff). Es ist daher auch nicht überraschend,
daß die Vfn. bei der Beschreibung des den Uozu einem nicht geringen Teil
prägenden Konfliktes nicht wesentlich über die Feststellung hinausgclangt,
daß dieser in den (kosmologischen) Dualismus des Uo einzuordnen sei
(85).

Was die „Theologie im 2 und 3Jo" angeht, so zögert die Vfn. zu Recht,
diese im Zusammenhang mit der des 1 Jo zu behandeln, da „die Identität
ihrer Autoren mit der des 1 Jo unbewiesen bleibt" (91). Zur Eigenart des
3Jo trage bei. daß dieser eine „offenere Haltung gegenüber missionarischer
Aktivität" zum Inhalt hat. als diese für den Uo festzustellen war (93).

Im dritten Kapitel wird die Frage "The Epistles within the Johannine
tradition and the New Testament" aufgeworfen (98-
110). Die Vfn. stellt "family likeness", aber auch "differences"
fest, so daß der Schluß - wie mir scheint - überzeugend ausfällt,
daß zwischen dem 4. Evangelium und dem 1 Jo eine literarische
Abhängigkeit nicht besteht, sondern daß diese Schriften unabhängig
voneinander auf dem gemeinsamen Boden der johannei-
schen Tradition entstanden sind (101; weniger eindeutig noch 15,
wo mit R. Brown erwogen wird, ob die Opponenten des Uoh
ihre Konzeption aus der Lektüre des JohEv gewonnen haben
oder der Autor des I Jo das 4. Evangelium gekannt hat; vgl. aber
auch 19).

Zur Eigenständigkeit des Uo gegenüber dem JoEv trägt nach Ansicht
der Vfn. die fehlende antidoketische, insbesondere die theozentrische Aus-
sagclinic des Uo bei (1020, obwohl andererseits die Betonung der Sichtbarkeit
der Gemeinde, die realisierte Eschatologie wie auch die „Sprache
der religiösen Erfahrung" beiden Schriften gemeinsam sind (104). Dagegen
stehen der 2 und 3Jo dem „Frühkatholizismus" näher, zumal 2Jo 5-7
den Uo vorauszusetzen scheint (105; vgl. auch 11), wie denn auch für den
3Jo der Konflikt zwischen Charisma und Amt nachzuweisen sei (110). Solches
Urteil mag Gegenfragen auslösen, nicht zuletzt, ob der Begriff „Frühkatholizismus
" auf die Johannesbriefe überhaupt angewendet werden
darf.

Abschließend folgen Überlegungen zu "The significance of the Johan-
ninc Epistles in the church" (Kap.4. 111-120). in denen dargestellt wird,
daß die besondere Funktion der christlichen Gemeinde in den Johannesbriefen
für die heutige Zeit als wegweisend verstanden werden kann.

Man sieht diesem Werk an, daß die Vfn. sich seit vielen Jahren
intensiv in die Probleme der Johannesbriefe eingearbeitet hat.
Im Vergleich mit ihrer früheren Untersuchung zu den beiden
kleinen Johannesbriefen (vgl. ThLZ 112, 1987, 6690 ist sie -
etwa zum Verhältnis der Johannesbriefe zueinander und zum
JoEv - in ihrem Urteil sicherer geworden. Auch ist die Bedeutung
der johanneischen Schultradition nunmehr anerkannt und hat
eine einseitige literargeschichtliche Erklärung überwunden.
Stärke und Schwäche zugleich impliziert das behutsame Vorgehen
und die Zurückhaltung der Vfn. in ihrem Urteil, so daß auch
hier manche Fragen offenbleiben, zu denen man sich eine eindeutigere
Stellungnahme gewünscht hätte. Daß die deutschsprachige
Literatur nur am Rande zur Kenntnis genommen wurde, ist
ein Mangel, der freilich nicht nur in der englischsprachigen Literatur
festzustellen ist. Doch ist es der Vfn. in dem intendierten
Rahmen zweifellos gelungen, die Grundfragen und die theologischen
Strukturen der Johannesbriefe in einem allgemeinverständlichen
Sinn zu erläutern. Zusammen mit der oben genannten
Arbeit von J. Murphy-O'Connor stellt dieses Werk einen
begrüßenswerten Auftakt der Reihe "New Testament Theology"
dar; ihr ist ein gutes Gedeihen und eine weite Verbreitung zu
wünschen.

Göttingen Georg Strecker

Lindars, Barnabas: The Theology of the Letter to the Hebrews.
Cambridge-New York-Port Chester-Melbourne-Sydney:
Cambridge University Press 1991. XIV, 155 S. 8° =NewTestament
Theology. Pb. £ 7.95.

Die neue von J. D. G. Dunn hg. Serie "New Testament Theology
", die in Einzelbänden die Theologie aller ntl. Schriften behandeln
will, wird mit folgender Kennzeichnung eingeführt:
"New Testament specialists here write at greater length than is
usually possible in the introduetions to commentaries or as part
of other New Testament theologies, and explore the theological
themes and issues of their chosen books without being tied to an
commentary format, or to a thematic strueture provided from
elsewhere." (Umschlagtext)

Die von B. Lindars besorgte "Theology of the Letter to the He-
brew" ist einer der drei „Eröffnungsbände" der Serie und bietet
neben der Diskussion über den Hebräerbrief (=Hebr) somit auch
die Möglichkeit zu prüfen, wie die Autoren das oben genannte
Konzept der Reihe konkret realisieren.

L. ist darum bemüht, nicht nur die Theologie des Hebr als solche
zur Sprache zu bringen, sondern eine Darstellungsweise zu
finden, in der auch die situative Verortung der theologischen Reflexion
in angemessener Weise zum Tragen kommt. Er stellt deshalb
einen der Situation des Hebr gewidmeten ersten Teil - " The
historical setting of Hebrews" (1-25) - voran und entfaltet erst
danach im Hauptteil des Büchleins die theologischen Linien des
Hebr: "The Theology of Hebrews" (26-118). Angefügt sind
Überlegungen zum theologischen Ort des Hebr im NT - "Hebrews
and the New Testament" (119-127)- und hermeneutische
Orientierungen: "The significance of Hebrews for today" (128—
142).

Interessant sind L.s Überlegungen zur Situation des Hebr, die
er v. a. von 13,7-17 (18-21) her entwickelt. Danach ist das
Schreiben zwischen 65 und 70 nicht an eine Gesamtgemeinde,
sondern an "a dissident group, such as implied in Uohn" (7) gerichtet
. Der Autor, wohl selbst dieser Gruppe ursprünglich zugehörig
und "a member of the church who is much loved and re-
spected" (8), sei von den Gemeindeleitern, die dieser Gruppe
nicht mehr Herr werden, um Hilfe angegangen worden, damit er
die Krise doch noch meistere. Er setzt deshalb all seine theolo-
gisch-argumentative Kraft wie auch seine rhetorischen Möglichkeiten
ein: " For this letter is the last resort. If it fails, the leaders
have nothing more that they can do to save the Situation." (8) Die
innere Situation dieser "dissident group" ist nach L. von Unsicherheiten
bezüglich der Vergebung der nach der Taufe geschehenen
Sünden bestimmt, was einige wieder in innere Nähe zur Synagoge
und zur Teilnahme an jüdischen Synagogenmahlzeiten
brachte, die sie von ihrer jüdischen Vergangenheit her mit der
Entsühnung der Sünden in Verbindung brachten: "The return to
the Jewish Community thusoffered a practica! way of coping with
a problem which was deeply feit and not adequately provided for
in the Christian teaching which they had reeeived." (14) Der