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Ausgabe:

1992

Spalte:

837-840

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Lieu, Judith

Titel/Untertitel:

The theology of the Johannine Epistles 1992

Rezensent:

Strecker, Georg

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Seite 1, Seite 2

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 11

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Nichterwähnung von M. Kettunen, Der Abfassungszweck des
Römerbriefes, Helsinki 1979, und P. Stuhlmacher, ZNW 77,
1986, 180-193 zu bedauern; letzterer erscheint nur im Literaturverzeichnis
. Deutschsprachige „Klassiker" sind offenbar nur in
Form englischer Übersetzungen oder auf Grund ihrer Referierung
in angelsächsischen Arbeiten herangezogen worden, was
kein Vorwurf sein soll; nur fehlen häufig Hinweise auf (Originaltitel
und) das Erscheinungsjahr des Originals, was das Verständnis
der Forschungsgeschichte doch etwas erschwert. Auch die
sonstige Literatur wird in den Anmerkungen z.T. ohne Erscheinungsjahr
eingeführt, z.T. auch nicht in einer chronologischen
Folge herangezogen.

Diese Mängelanzeigen sollen nicht davon ablenken, daß das
vorliegende Buch einen wertvollen Beitrag zum Verständnis der
herangezogenen Paulusbriefe leistet und darüber hinaus Anregungen
zur Weiterarbeit am Corpus Paulinum gibt, die aufgegriffen
werden sollten.

Wuppertal Klaus Haackcr

Lieu, Judith M.: The Theology of the Johannine Epistles. Cam-
bridge-New York-Port Chester-Melbourne-Sydney: Cambridge
University Press 1991. XII, 130 S. 8" = New Testament
Theology. Pb. £ 7.95.

Es ist sehr verdienstvoll, daß J. D. G. Dunn (Durham) ein für
das cnglischsprachige Gebiet einmaliges Unternehmen ins Werk
gesetzt und eine neue Reihe begründet hat, mit dem Ziel, eine
Übersicht über die theologischen Themenstellungen der einzelnen
ntl. Schriften zu geben. Diese Initiative ist umso mehr zu begrüßen
, als die .Theologie des Neuen Testaments' bis in die Gegenwart
hinein eine nahezu ausschließlich deutschsprachige
Disziplin gewesen ist und die Diskussion und Vermittlung ihrer
Ergebnisse für den englischen Sprachbereich eine seit langem unerledigt
gebliebene Aufgabe darstellt. Allerdings hängt der Erfolg
wesentlich davon ab, ob es dem Hg. gelingt, qualifizierte Mitarbeiter
für dieses Unternehmen zu gewinnen. Die Bearbeitung der
Theologie des 2Kor ist durch einen hervorragenden Fachmann,
J. Murphy-O'Connor, erfolgt (J. Murphy-O'Connor, The Theology
of the Second Letter to the Corinthians, New Testament
Theology. Cambridge, Cambridge University Press 1991). Nicht
weniger ausgewiesen ist die Vfn. dieses Werkes, die sich durch
ihre Untersuchung zum 2. und 3Joh in der ntl. Wissenschaft
einen Namen gemacht hat (J. Lieu, The Second and Third Epistles
of John, Edinburgh 1986). Die von ihr genannte Zielsetzung
ist. daß sie nicht nur mit dieser Veröffentlichung das Verständnis
der johanneischen Theologie und der Theologie des NT insgesamt
fördern, sondern darüber hinaus „die bleibende Bedeutung
(der Johannesbriefe) für die Theologie der Kirche" herausstellen
möchte (Umschlagseite IV).

Die Vfn. beginnt mit einem einführenden Kapitel ("Introduc-
tion ", 1 -21), in dem zunächst die Johannesbriefe und ihrjohan-
neischer Hintergrund allgemein vorgeführt werden: Der Uo,
dem das Epitheton "homily" wegen seiner Briefform verweigert
wird, obwohl letztere doch kaum ausgeführt ist und Elemente
einer schriftlich konzipierten Ansprache hierzu nicht im Widerspruch
stehen (zu 4), wird als literarische und theologische Einheit
vorausgesetzt. Beachtung verdient der literarkritische Ausgangspunkt
hinsichtlich des Verhältnisses zum JoEv: Uo und 4.
Evangelium unterscheiden sich so weitgehend, daß „die Kenntnis
der einen (Schrift) von der anderen nicht als gegeben" angenommen
wird (7). Was den Autor des 2 und 3Jo angeht, so ist die
Vfn. der Ansicht, daß die Bezeichnung 6 npEoßOxepoi; einen Titel
nicht reflektiert (9). Sie erkennt aber, daß sich diese Bezeichnung
mit einem starken Autoritätsanspruch verbindet (vgl. 910- Bestritten
wird, daß Diotrephes oder Demetrius und damit auch
der Konflikt zwischen dem Presbyter und Diotrephes, „welcher
der erste sein will" (3Jo 9), etwas mit einer theologischen Kontroverse
zu tun hat (10). Jedoch steht dieses Urteil im Zusammenhang
mit der weitergehenden Frage, wie der „theologische und
sozio-historische Hintergrund" insgesamt beurteilt werden muß
(11). Hierzu sollte nicht bezweifelt werden, daß eine Verbindungslinie
zwischen 2Jo und 3Jo zu ziehen ist, so daß die Lehrkontroverse
, wie sie im 2Jo ausgesagt ist und die Verweigerung
von gastlicher Aufnahme und Gruß zur Konsequenz hat (2Jo
9-11), auch für das Verhältnis von Presbyter und Diotrephes
nicht ohne weitere Gründe ausgeschlossen werden sollte, obwohl
im 3Jo detaillierte Ausführungen hierzu fehlen. Mag man auch
kritisch fragen, ob die Auseinandersetzung mit den „Betrügern"
(2Jo 7) von 1 Jo 4,2 abhängig oder nicht vielmehr das Verhältnis
umgekehrt zu sehen ist (zu 11), so wird doch dem 1 Jo im Verhältnis
zum 2 und 3Jo Eigenständigkeit zuerkannt:

Der Autor - trotz seines Anspruches kein Augenzeuge (12)- spricht ein
aktuelles Schisma an, in dem das christologische Bekenntnis der entscheidende
Faktor ist. der zwischen Häresie und Orthodoxie trennt (13). Zu
Recht sieht die Vfn., daß zwischen ethischer Paränese, die sich an die
christliche Gemeinde wendet, und der Lehrkontroverse, die auch Abgrenzung
von den Dissidenten einschließt, unterschieden werden muß. Dabei
bleibt der religionsgeschichtliche Hintergrund - (proto)gnostische Zusammenhänge
werden nicht bestritten, aber im Vergleich mit der Gnosis Ko-
rinths doch eingegrenzt - in der Schwebe (140- Hieraus geht hervor, daß
die Auseinandersetzung mit den Opponenten jedenfalls nicht das primäre
Anliegen des Uo ist und man mehr über die Interpretation der Gegner
durch den Autor des I Jo als über diese selbst erfährt. Dies gilt umso mehr,
als Ubereinstimmungen in der Theologie des Autors mit den Dissidenten
vorausgesetzt werden müssen (16).

Der „johanncische Hintergrund" wird ausgehend von der Verschiedenheit
der Verfasserschaft der Johannesbriefe und des JoEv behandelt, und
zwar unter Berücksichtigung der Johannesapokalypse, deren Verhältnis
zum übrigen johanneischen Korpus aber offengelassen wird (17). Sodann
diskutiert die Vfn. den Begriff „johanneische Schule", der den Gedanken
einer,.Leitfigur" impliziert (den „Presbyter" des 2 und 3Jo, das „Ich" in
Uo 1.1 ff", den Lieblingsjünger des 4. Evangeliums), aber keinen Namen
nennt (hier hätte die Papiastradition vom „Presbyter Johannes" <vgl.
Euseb. h.e. III 39.4> zusätzlich und korrigierend erwähnt werden können -
ist es Zufall, daß diese Literatur später als „johanneisch" überliefert wird?)
und die Vermutung, die „Gemeinde" als eigentlichen Entstehungsgrund
der johanneischen Literatur zu werten, nahelegt (17). Nicht nur der 4.
Evangelist, auch die Autoren der Johannesbriefe benutzen verzweigte Traditionen
, deren entscheidende Ausprägung nicht hellenistischer oder jüdischer
, auch nicht hellenistisch-jüdischer, sondern christlicher Herkunft ist
(20f).

Da aber die Differenzierung zwischen Tradition und Redaktion
mehr offene Fragen aufwirft, als in diesem Zusammenhang
beantwortet werden können, entscheidet sich die Vfn. dahingehend
, daß die Theologie der Johannesbriefe im folgenden
"in their own terms" wiedergegeben werden soll (21).

Dies geschieht eingehend und kenntnisreich im zweiten Kapitel
("The theology of the Johannine Epistles", 22-97) durch eine
Skizzierung der wichtigsten Einzelaspekte der Theologie des Uo.
Hier wird zunächst das Verhältnis von Autor und Gemeinde, also
die Ekklesiologie, und später die Christologie (71 ff) vorgeführt,
da der Anspruch des Autors „ im Leben und in der Erfahrung der
glaubenden Gemeinde" begründet sei - was sicher dem historischen
Tatbestand angemessen ist, aber doch das ,christologische
Prä' des johanneischen Glaubens vernachlässigt, das nicht nur in
der Selbstdarstellung des Augenzeugen (1,1-4), sondern auch in
christologischen Bekenntnisformulierungen (z. B. 1,7) und in der
Abwehr der gegnerischen Christologie (2,18ff; 4,1 ff) zum Ausdruck
kommt. Zum Verständnis der Ekklesiologie des Uo tragen
die Aussagen über das „Wissen" der Gemeinde (27ff), über die
„Gemeinschaft mit ihm", die der „Sprache der religiösen Erfahrung
" zugeschrieben werden, bei (31 ff).

Solche Erfahrung ist nicht auf sich fixiert, sondern führt zum (ethischen)