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Ausgabe:

1992

Spalte:

835-837

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Jervis, L. Ann

Titel/Untertitel:

The purpose of Romans 1992

Rezensent:

Haacker, Klaus

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 11

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„Zeichen im Himmel" nur in 12,1.3 und 15,1 erwähnt) und inhaltlichen
Erwägungen andererseits beimessen will (letztere veranlassen
viele, vor 21,1 ff eine Zäsur zu legen, obgleich eine
19,11 ff beginnende Visionsreihe in 21,1 ff fortgesetzt wird). G.'s
Entscheidungen sind in jedem Fall bedenkenswert; alternativ
bleibt u. a. der Strukturvorschlag von J. Lambrecht zu erwägen
(in: ders., Hg., L'Apocalypse ... [BEThL 53], 1980, 77ff): Das
letzte Glied der drei gezählten Siebener-Reihen setzt jeweils alles
Folgende aus sich heraus. Man gelangte dann zu einer gewissen
Dreiteilung, nicht unähnlich jener "over-all simplification in
three stages" bei G. selbst, der damit der erkennbaren Steigerung
und Rekapitulation Rechnung tragen will (230f; er deutet die
Dreiheit nicht ganz unproblematisch: Vorschau, der Konflikt
und sein Höhepunkt, das Ende der Endzeit). Für ihn ist auch das
Thema des Buches aufs engste mit der literarischen Struktur verflochten
. Den Auslegern war nicht entgangen, daß Elemente, die
atl. mit der Vorstellung des Heiligen Krieges bzw. Jahwekrieges
verbunden sind, in der Apk begegnen und sich in ihr Bezüge zu
dem in 1QM entworfenen erzählerischen Szenario vom endzeitlichen
Krieg aufspüren lassen (z. B. R. Bauckham, Neotestamen-
tica 22 [ 1988] 17ff). G. aber fügt eine Fülle weiterer Beobachtungen
hinzu und setzt aus ihnen ein Bild zusammen, in dem er alle
wesentlichen Komponenten jener s. E. die Apk prägenden Konzeption
wiedererkennt. Daß Johannes bei der Abfassung seines
Werkes bewuß auf das "Holy War theme" zurückgriff und seine
Komposition insgesamt danach ausrichtete, ist damit freilich
noch nicht erwiesen. Möglichen Einwänden zuvorkommend,
räumt G. ein, die Vorstellung vom Heiligen Krieg "is reborn in
John's Christian perspective and according to his own creative
genius" (28, vgl. 26.30f u.ö.), an die Stelle der Gottesbefragung
vor dem Kampf etwa sei die Übernahme des die Dekrete Gottes
enthaltenen Buches und das Öffnen seiner Siegel durch das
Lamm getreten (228f, vgl. 75ff). Indem G. durch die Anwendung
seines Interpretationsschlüssels einen theologischen Aspekt der
Apk kräftig herausstreicht, verliert er zwar andere - sich gerade
aus "John's Christian perspective" ergebende - nicht aus dem
Blick, sie geraten aber vergleichsweise ein wenig in den Hintergrund
, wie die in erstaunlichem Maß auch präsentische Eschato-
logie der Apk.

Es ist das Verdienst des Vf.s, die Frage nach der strukturellen
und thematischen Einheitlichkeit des Werkes erneut aufgeworfen
und zu ihrer Beantwortung einen zweifellos wichtigen Beitrag
geleistet zu haben. Nach der Lektüre dieser profilierten, außerordentlich
anregenden und die wissenschaftliche Diskussion vorantreibenden
Auslegung im Taschenbuchformat bedauert man,
daß G. keinen sog. „großen" Kommentar vorgelegt hat.

Aachen Jcns-W. Tacger

Jervis, L. Ann: The Purpose of Romans. A Comparative Letter
Structure Investigation. Sheffield: Sheffield Academic Press/
JSOT 1991. 187 S. 8 = Journal for the Study of the New Testament
, Suppl. Series 55. Lw. £ 25.-.

Die vorliegende Arbeit einer Schülerin von Richard N. Longenecker
schlägt eine Brücke von der seit F. C. Baur vieldiskutierten
Frage nach dem Zweck des Römerbriefs (vgl. Obertitel) zu
den neueren Forschungen über die antike Rhetorik und Epistolo-
graphie (vgl. Untertitel). Dieser Brückenschlag ist forschungsgeschichtlich
angezeigt und in der Durchführung lesenswert, auch
wenn das Ergebnis für den Römerbrief keine neue These, sondern
nur eine besondere Gewichtung bereits bekannter Argumente
bedeutet.

Das erste Kapitel (11-28: The Problem of the Purpose of Romans
) informiert zunächst in äußerst knapper Form über die
Hauptpositionen der Römerbrief-Diskussion.

Danach begründet das zweite Kapitel (29-68: Comparative
Letter Structure Analysis and its Relevance for the Problem of
the Purpose of Romans) den in dieser Arbeit unternommenen
Versuch, von den brieflichen Rahmenpartien her mehr Klarheit
über den Römerbrief zu gewinnen als von mehr oder weniger beliebig
herausgegriffenen Inhalten des Briefkorpus. Dazu wird einleitend
die Frage nach der Intention des Paulus gegenüber Einwänden
von Seiten der Rezeptionsästhetik gerechtfertigt (29-36)
sowie ein wertvoller Überblick über die Erforschung der Briefformen
des Neuen Testaments und seiner Umwelt geboten (36-55).
Darauf folgt als letzte notwendige Vorklärung eine literarkriti-
sche Begründung für die Beschränkung auf Rom, 1 / 2 Kor, Gal,
Phil, 1 / 2 Thess und Phlm, wobei nur die Einbeziehung von
2 Thess und die Option für die Einheitlichkeit des Philipperbriefes
als Urteile der Verfasserin Beachtung verdienen; ansonsten
wird aus Gründen der Plausibilität von einer Einbeziehung der
umstrittenen Paulusbriefe abgesehen (was freilich den Wunsch
nach einer Gegenprobe auf der Basis des gesamten Corpus Pauli-
num wecken könnte).

Die folgenden Kapitel behandeln jeweils die Präskripte
(69-85), die einleitenden Danksagungen (86-109), "Apostolic
Parousias" (nach R. W. Funk, d.h. Besuchsankündigungen o.ä.
im Anschluß an das Briefkorpus, 110-131) und die Briefschlüsse
(132-157) aller herangezogenen Paulusbriefe, wobei nicht nur
zum Römerbrief sorgfältig zwischen konventionellen und unkonventionellen
Zügen unterschieden und nach den Gründen
der singulären oder seltenen Züge gefragt wird.

Ein knappes Schlußkapitel (158-164) bringt die in Kap. 3-6
gesammelten Beobachtungen zum Römerbrief in die Diskussion
über den Zweck dieses Apostelschreibens ein. Die Verfasserin
kommt zu dem Ergebnis, daß die Rahmenpartien des Briefes am
wenigsten für eine pastorale Zielsetzung des Briefes als Wort zu
einer bestimmten Gemeindesituation sprechen. Stattdessen verstärken
sie die Argumente für eine missionarische Zielsetzung,
und zwar primär im Blick auf ein geplantes Wirken des Apostels
in Rom selbst, nicht nur als Zwischenstation auf dem Weg nach
Spanien. Daß Paulus dabei nach S. 160 geradezu eine Führungsrolle
gegenüber den römischen Christen beansprucht, geht m.E.
über den Ertrag der vorher gesammelten Beobachtungen hinaus,
die m.E. mehr für eine bloße Rechtfertigung des geplanten Wirkens
in Rom sprechen.

Zur Würdigung dieser Arbeit möchte ich meinerseits zwischen
„Rahmen" und „Korpus" unterscheiden: Die Frage nach dem
Zweck des Römerbriefs erscheint zwar als Thema der Arbeit und
wird dementsprechend in Kap. 1 und Kap. 7 behandelt. Die
eigentlichen Verdienste der Untersuchung liegen aber m.E. in
dem in Kap. 2 begründeten und in Kap. 3-6 durchgeführten Vergleich
zwischen den Briefformen aller acht zugrundegelegten
Paulusbriefe. Hier finden sich zahlreiche wertvolle Beobachtungen
und Diskussionen, die das Verständnis der jeweiligen Briefe
fördern können, so daß es sich lohnt, diese Arbeit zu allen anerkannten
Paulusbriefen (und darüber hinaus zur Prüfung der An-
tilegomena) heranzuziehen.

In methodischer Hinsicht ist kritisch anzumerken, daß die Befunde
in den brieflichen Rahmenpartien zum Teil doch erst
durch den Vergleich mit dem Briefkorpus eindeutig interpretierbar
sind, wie insbesondere der Vergleich zwischen Rom und Gal
zeigt: beide Präskripte sind hierdurch "doctrinal material" angereichert
; daß damit im Falle des Galaterbriefs eine kritische Absicht
verbunden ist (so 84), im Römerbrief aber an einen Konsensus
zwischen Absender und Empfängern appelliert wird (so 85),
ist nicht bereits an der Form des Präskripts ablesbar, sondern erst
aus sonstigen Inhalten des jeweiligen Briefs zu erschließen.

Die Darstellung der bisherigen Forschung informiert in knapper
Form über eine Fülle von Sekundärliteratur, z.T. mit nur
einem Satz pro Titel. Aus europäischer Sicht ist in Kap. 1 die