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Ausgabe:

1992

Spalte:

830-831

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

Hebräisches und Aramäicshes Lexikon zum Alten Testament; Lfg. IV 1992

Rezensent:

Pfeifer, Gerhard

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 11

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ser umfangreiche Artikel stützt Interpretationen des Deuterono-
miums, die seinen Ursprung nicht in der Verarbeitung eines
Traumas des Überganges des vorstaatlichen Israels zu einem
Staat im Medium levitischer Predigt (G. v. Rad) oder des Traumas
des Exils im Medium exilisch-dtr Theologie, sondern in der
Verarbeitung der Umbrüche des 8/7. Jh. v. Chr. in einem vordtr-
dtn Deuteronomium sehen, das seinen Ursprung in Jerusalemer
Priester- und Schreibergelehrsamkeit hat, die intensiv assyrische
Thematik rezipierte1 und diese judäisch umgestaltete.

B. Peckham geht in seinem Beitrag "The Function of the Law
in the Development of Israel's Prophetic Traditions" (108-146)
von der These aus, die literaturgeschichtliche Analyse biblischer
Texte sei in der historisch-kritischen Forschung zu schnell von
literaturhistorischen Daten zu historischen Schlußfolgerungen
gelangt, wie z. B., Prophetie und Historiographie seien ursprünglich
von der Gesetzesüberlieferung unabhängig gewesen. Literaturgeschichtliche
Daten seien primär von Bedeutung für das
Verständnis biblischer Literaturgeschichte als innerbiblischer
Auslegungsprozeß. Von ihren literarisch tradierten Anfängen an
habe Prophetic sich mit der in der Erzähltradition fest verankerten
Gesetzesüberlieferung auseinandergesetzt. Propheten von Je-
saja bis Ezechiel sollen die Gesetze und Rechtsinstitutionen der
Geschichtswerke J, Dtr, P, E gekannt und sich mit ihnen kritisch
auseinandergesetzt haben. Die Editoren und Revisoren prophetischer
Bücher waren ihrerseits von DtrG und der Entwicklung des
exilisch-nachexilischen Gesetzes- und Geschichtsverständnisses
abhängig. Diese These wird anhand von Jes 1-39 konkretisiert.
Der Vf. sondert Lektionen der ipsissima vox Jesajas aus in
1,1-8*. 18-20; 5,1-29*; 10,5-32*; 28, 9-19*; 29,1-14* und
30,1-17*, die intensiv von Deuterojesaja und Tritojesaja überarbeitet
worden seien. Protojesaja sei vom Jahwisten, insbesondere
von Ex 34 abhängig. So werden in Jes 1 mit 'awon. paesa',
haiiä 'äh bezogen auf bäniin zentrale Begriffe aus Ex 34,7 in umgekehrter
Reihenfolge aufgenommen. In Jes 28,15 werde kritisch
an das Bundesmotiv in Ex 34,10 angeknüpft, in Jes 29,1 an Ex
34.22.25.

Diese Beobachtungen sind von Wert in kanonischer Auslegung
des Jesajatextes, der in kanonischer Perspektive im Horizont der
voranstehenden Thora steht. Als von dieser Perspektive gelöste
Aussage über einen innerbiblischen Auslegungsprozeß können
sie kaum überzeugen. Nicht allein sind die Trennungen einer pro-
tojesajanischen Schicht von den Bearbeitungsschichten nicht
ausreichend begründet, vielmehr ist es dem Vf. nicht gelungen,
die Lexemparallelen als Zitate oder Anspielungen wahrscheinlich
zu machen. So muß der Vf. mit der These arbeiten, daß gerade
dort, wo sich Gesetzestext und Prophetie diametral widersprechen
, eine kritische Auseinandersetzung vorliege. Dazu aber
bedürfte es, damit das Argument nicht zirkulär wird, des Nachweises
, daß eine unmittelbare Anknüpfung vorliegt. Dichtere Begründungen
kann dagegen die These für sich beanspruchen, in
2Kön 14-20 widerspreche ein Deuteronomist (Dtr 1) Jesaja mit
der These, Juda sei im Gegensatz zu Israel nicht bundesbrüchig
geworden und werde mit ägyptischer Hilfe das Joch der Assyrer
abwerfen. Diese Spannung sei von einem Dtr 2 und auf diesen
reagierend von Dtrjes, auf den Jes 6 zurückgehe, ausgeglichen
worden. Eine vorexilische Datierung von Dtr 1 in die Assyrerzeit
und eine Zuweisung von Jes 6;7 zu Deuterojesaja bedürften der
ausführlichen exegetischen Begründung, die im Rahmen eines
Aufsatzes kaum zu leisten ist. Mit der These innerbiblischer
Exegese spricht der Vf. eine wichtige Aufgabe an, literarische
Bezugnahmen noch deutlicher, als es bislang gelingen will, methodisch
zu identifizieren. Gerade für die Deuteronomiumsfor-
schung wird sich dieser Aspekt als wichtig erweisen.2 Das leitet
über zu dem dritten Beitrag.

P. E. Dion legt unter dem Titel "Deuteronomy 13: The Sup-
pression of Alien Religious Propaganda in Israel Düring the Late

Monarchie Era" (147-216) eine ausführliche Analyse von Dtn 13
vor. Nach sorgfältiger textkritischer Analyse kommt die Literar-
kritik zu dem Ergebnis, daß Dtn 13 ein deuteronomisch-
vordeuteronomistischer Text dreier homogener Gesetze gegen
Fremdgötterverehrung ist, der in 13,2b.3a.4b.6a*.b.7*.8 intensiv
dtr überarbeitet wurde. Auch bei sorgfältigster Analyse des
Sprachgebrauchs zeigt es sich einmal mehr, daß es bislang nicht
gelingen will, dtr Schichtungen innerhalb von Dtn 12-26 mit
denen des deuteronomistischen Geschichtswerkes zu harmonisieren
. Hier liegt eine wichtige Aufgabe zukünftiger Arbeit. Besonders
bedeutsam aber ist der erneute und vertiefte Nachweis,
daß die Durchsetzung von JHWHs Alleinverehrungsanspruch in
Aufnahme von Motiven neuassyrischer Loyalitätseide und Vasallenverträge
gestaltet worden ist.3 So lokalisiert der Vf. den
Autor des vordtr Textes im Umkreis Josias. "The first edition of
Deut. 13.2-18 was neither sheer rhetoric, nor the manifesto of a
circle of dissidents not yet confronted with the responsibility of
practical applications, nor the ineffective daydreaming of fana-
tics of later times. It reflected the will of an idealistic ruler who
wanted his covenant with YHWH alone to be taken in dead ear-
nest" (206).

Über den vorgelegten Beitrag hinaus stellt sich die Frage nach
der Einbindung des Kapitels Dtn 13 in die dtn-vordtr Redaktion
des Dtn in Dtn 12-26. Dafür können zwei Beobachtungen
Aspekte liefern. Das intensiv neuassyrisch geprägte Kapitel ist
nicht von den ebenfalls neuassyrisch beeinflußten Fluchpartien
in Dtn 28 zu lösen. Durch Loyalitätsnormen und Flüche in Dtn
13*;28* wird das vordtr Dtn als Auslegung des Bundesbuches4 in
Analogie zum neuassyrischen Loyalitätseid als Verpflichtung auf
JH WH, den einen Gott, gedeutet. Da Dtn 17,2-7 fester Bestandteil
der dtn-vordtr Gerichtsordnung ist5, diese Überlieferung
aber von Dtn 13 abhängig ist (Dion 159-162), ist auch das vordtr
Kapitel Dtn 13 fester Bestandteil der Redaktion des dtn-vordtr
Dtn in Dtn 12-26.

Die Beiträge dieses wichtigen Sammelbandes werden jeweils
durch ausführliche Bibliographie, der Band durch Stellen- und
Autorenregister abgeschlossen. Insbesondere für die Deuterono-
miumsforschung ist die Lektüre gewinnbringend.

Mainz Eckart Otto

1 Cf. M. Weinberg, Deuteronomy and Deuteronomic School, Oxford
1972. I I6(T.; E. Otto. Das Eherecht im Mittelassyrischen Kodex und im
Deuteronomium. Tradition und Redaktion in den §§ 12-16 der Tafel A des
Mittelassyrischen Kodex und in Dtn 22,22-29, in: M. Dietrich/O. Loretz
(Hg.), Festschrift für K. Bergerhof, Kevelaer/ Neukirchen-Vluyn 1992.

Cf. B. M. Levinson, The Hermeneutics of Innovation: The Impact of
Centralization upon the Structure, Sequence and Reformulation of Legal
Material in Deuteronomy. Ph.D.Diss. Brandeis University. Waltham
1991; E. Otto. Vom Bundesbuch zum Deuteronomium. Die deuteronomi-
sche Redaktion in Dtn 12-26, (ersch. als Festschriftbeitrag) 1993.

3 Cf. M. Weinberg (Anm. I), 91-100. Ohne Anhalt ist die Annahme he-
thitischen Einflusses in diesem Kapitel.

4 Cf. E. Otto. Bundesbuch (Anm. 2).

5 Cf. B. M. Levinson (Anm. 2), 325-404; E. Otto (Anm. 2).

Koehler, Ludwig f, u. Walter Baumgartner f: Hebräisches und
Aramäisches Lexikon zum Alten Testament. 3. Auflage, neu
bearb. von J. J. Stamm unter Mitarbeit von Z. Ben-Hayyim, B.
Hartmann und Ph. H. Reymond. Lfg. IV: nm-ywn. Leiden-New
York-Kebenhavn-Köln. Brill 1990. XIII, S. 1081-1659. Hlw.
hfl 300.-.

Die erste Lieferung der Neubearbeitung des Wörterbuchs von
Ludwig Koehler und Walter Baumgartner erschien 1967 (vgl.
ThLZ 94, 1969, 300. die zweite 1974 (vgl. ThLZ 101, 1976,