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Ausgabe:

1992

Spalte:

827-830

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

Law and ideology in monarchic Israel 1992

Rezensent:

Otto, Eckart

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 11

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demokratisch-republikanischer Staat gewesen (13;16ff)! „Staat"
wird dabei erst gar nicht definiert; weder Theokratien noch vorderasiatische
Stämmestrukturen sind aber jemals „demokratisch
" gewesen. Behauptungen wie die, die friedliche Einwanderung
der israelitischen Vorfahren habe schon „mehrere
Jahrhunderte vor 1050" bzw. „schon lange vor 1224" (180 stattgefunden
, zeigen den spekulativen Umgang des Vf.s mit der
Chronologie. Zu solchen Hypothesen kann nur der kommen, der
glaubt, Quellen bzw. deren Traditionen nach Belieben um mehrere
Jahrhunderte zurückdatieren zu können (z. B. Gen. 16; 20;
47; Ex. 3; 19ff; Jos. 1-11; 24). Dazu gehören auch die „politischen
" Vasallen-Verträge zwischen Israeliten und Kanaanäern
bzw. die „monotheistischen" Bundesverträge zwischen Jahwe
und Israel, die aber im AT kaum vor der neoassyrischen Zeit aufgekommen
sind2. Da helfen auch die geographisch und chronologisch
weit entfernten Verhältnisse in Mari nicht viel weiter, die
der Vf. als Analogien heranzieht, um seine These von dem Vasallenverhältnis
zwischen israelit. und palästinischen Kleinstaaten
zu untermauern - wozu er rund die Hälfte seines Buches beansprucht
(69-115)3. Ein Blick auf die Landkarte des früheisenzeit-
lichen Palästina, wie sie durch die zahlreichen Oberflächenuntersuchungen
erstellt werden kann, hätten dem Vf. gezeigt, daß ein
erheblicher Teil der frühisraelitischen Stämme in Gebieten siedelte
, in denen die kanaanäischen Stadtstaaten keine Macht ausüben
konnten. Dem steht nicht entgegen, daß die Symbiose-
Theorie, deren Erstgeburtsrecht der Vf. für sich reklamiert (9ff),
ein wichtiges Erklärungsmodell für die Frühgeschichte Israels liefert
. Dafür werden Hypothesen wie die vom nomadischen Ursprung
der Israeliten und die Einwanderungstheorie gar nicht
erst in Frage gestellt oder begründet, sondern ungeprüft als selbstverständlich
vorausgesetzt. Daß die Israeliten, „die ersten Monotheisten
der Weltgeschichte" (450, ihren Monotheismus von
Anfang an gehabt haben sollen, ist stark umstritten; daß er aber
damals auch zugleich eine Angelegenheit „der israelitischen
Volksmasse" gewesen sein soll (46-48), beweist, daß die jahrelange
Monotheismus-Debatte am Vf. vorbeigegangen ist4.

Heidelberg Ulrich Hübner

1 Bequem und überschaubar dargestellt z. B. bei 1. Finkelstcin. The Ar-
chacology of the Israelitc Scttlcment. Jerusalem 1988 und bei H. Weippert.
Palästina in vorhcllenistischcr Zeit (HArch Vorderasien II 1). München
1988. 354-417.

2 Vgl. z. B. schon R. Frankcna. The Vasall-Treatiesof Esarhadon and the
Datingof Deutcronomy. OTS 14(1965) I52f.

3 Vgl. zuletzt M. Anbar. Les tribus amurites de Mari (OBO 108), Fri-
bouig-Göttingcn 1991.

4 Leicht im Überblick zugänglich z. B. bei B. Lang (ed.). Der einzige
Gott. Die Geburt des biblischen Monotheismus. München 1981; E. Haag
(ed.). Gott, der einzige. Zur Entstehung des Monotheismus in Israel. Frei-
burg-Basel-Wicn 1985; M.-Th. Wacker - E. Zenger (ed.). Der eine Gott
und die Göttin. Frciburg-Bascl-Wien 1991.

Halpern, Baruch, and Deborah W. Hobson [Ed.]: Law and Ideo-
logy in Monarchie Israel. Sheffield: JSOT Press 1991. 235 S. 8°
= Journal for the Study of the Old Testament, Suppl. Series
124. Lw. £ 40.-.

Der hier anzuzeigende Sammelband enthält drei Aufsätze, die
auf Vorträge zurückgehen, die 1987 an der York University (Kanada
) im Rahmen eines Seminary for Advanced Research "Law
in the Social Setting in the Ancient Mediterranean World" gehalten
wurden. Diese drei Arbeiten sind vorab veröffentlicht worden
- die übrigen Vorträge folgen zu einem späteren Zeitpunkt -,

da sie thematisch eng verbunden sind. Sie beschäftigen sich mit
dem tiefgreifenden Wandel israelitischer Kultur im 8.-7. Jh.
v.Chr. von der traditionalen Eisen II-Kultur (10.-9. Jh. v.Chr.)
zu einer international verflochtenen, literarischen und intellektuell
-elitären Gesellschaft, ein Umbruch, der von welthistorischer
Bedeutung für die Kultur- und Religionsgeschichte bis in
die Moderne sei.

H. zeigt in seinem Beitrag "Jerusalem and the Lineages in the
Seventh Century BCE: Kinship and the Rise of Moral Liability"
(11-107) den tiefgreifenden Umbruch der judäischen Gesellschaftsstruktur
im Zuge der Einbindung Judas in die internationale
Politik der neuassyrischen Großmacht und die daraus resultierenden
tiefgreifenden kultur- und religionshistorischen
Konsequenzen. Hiskias Politik der Abwehr der Assyrer vor 701
v. Chr. und die assyrische Politik in Juda nach 701 v. Chr. greifen
in ihren Konsequenzen lückenlos ineinander. Hiskia setzte auf
eine Verteidigung Judas durch Einigelung in Festungen und Vermeidung
der offenen Feldschlacht und überließ so das offene
Land dem Feind. Entsprechend wurde die Bevölkerung in den
Befestigungen und befestigten Städten konzentriert. Mit der Auflösung
der traditionellen Bindung der Familien an ihren Boden
als Folge der Umsiedlungsaktion verlor die genealogisch-
familiäre Familienintegration zugunsten der staatlichen Strukturierung
an Bedeutung. Religionshistorisch ist mit der Schwächung
der Bindung der Familie an ihr Land die Schwächung der
Ahnenkulte, mit der Konzentration der Bevölkerung die Entsa-
kralisierung des Landes durch Aufgabe lokaler Heiligtümer von
Bedeutung, während der Kult in den Festungen unter staatliche
Kontrolle gerät. Der Durchorganisierung Judas durch staatliche
Eliten wird durch die Assyrer zum Sieg verholfen. Sanheribs konsequente
Deportation der Bevölkerung der eroberten Landstriche
schwächte weiter die in Jerusalem gerettete Landbevölkerung
und stärkte die Jerusalemer Elite. Die Wiederbesiedlung des
Landes unter Manasse und Josia ging von Jerusalem aus und
wurde unter dem Aspekt der staatlich-judäischen Handelsinteressen
organisiert. Unter Josia wurde die Herrschaft der städtischstaatlichen
Verwaltungseliten über das Land mit der Kultzentra-
lisation und der staatlichen Organisation des Gerichtswesens
vollendet. Folge dieses Prozesses waren eine konsequente Individualisierung
verbunden mit einem Übergang der in Sippen
("clansectors") eingebundenen Großfamilie zur Kleinfamilie,
der sich u.a. in der Gräberarchitektur im Übergang vom
Mehrkammer- zum Einkammergrab widerspiegelt. Dieser Individualisierungsprozeß
schlägt bis in die Religion mit der Individualisierung
des Tat-Ergehenszusammenhanges von einer gene-
rationsübergreifenden Familienbindung (Ex 20,5; Dtn 5,9 „3.
und 4. Generation ") zur Beschränkung auf den je einzelnen Menschen
(Ez 18; Jer 31, 27-30) durch. Mit der Schwächung familiärer
Gesellschaftsstruktur und Kultur tritt eine im Fahrwasser
internationaler Trends sich bewegende Elite-Kultur den Sieg
an, die parallel zur Individualisierung Identität in der Verschriftlichung
und Sammlung der Zeugnisse der Vergangenheit sucht,
die unter modernen Gesichtspunkten der Zeit interpretiert werden
(Jahwist). In einer Bewegung der Aufklärung wird die tradi-
tionale Religion mit ihren polytheistischen Zügen und ihrer Verhaftung
in bildlicher Darstellung als heidnisch angeprangert
zugunsten eines monolatrisch-bildlosen, auf Jerusalem konzentrierten
Kultes.

H. ist es gelungen, die Umbrüche von einer vorliterarischen
Kultur im 8. Jh. v. Chr. in ihren sozialhistorischen Ursachen und
diese wiederum als Folgen der Einbindung Judas in das Geflecht
der seit dem 8. Jh. v. Chr. auf den Plan gerufenen Großmächte zu
verdeutlichen. Damit finden auch zentrale Züge deuteronomi-
scher Theologie, die Kultzentralisation, die rigide Monolatrie
(Dtn 13*; s.u.) und der deuteronomische Humanismus (M.
Weinfeld) eine sozialhistorische Verortung im 7. Jh. v.Chr. Die-