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Ausgabe:

1992

Spalte:

819-820

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Religion and religious practice in the Seleucid kingdom 1992

Rezensent:

Matthiae, Karl

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Seite 1

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819

Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 11

820

Rezeption von Musik in der kirchlichen Praxis", Hans-Dieter
Bastian „Eine Revision theologischer Mediendidaktik", Ralf
Koerrenz „Perspektiven Politischer Predigt", Manfred Josuttis
„Zur Hermeneutik des Abendmahls", Günter Ruddat „(Wie)
Können sich Behinderte und Nicht-Behinderte verstehen?",
Jutta Krauß-Siemann „Verstehen von Freizeit...", Wolfgang
Huber „Der Kirchentag - Fünf Versuche, ihn zu verstehen",
Bernd Buscher „Zur Hermeneutik des Humors...". Der Umgang
mit dem Buch bzw. seine bibliografische Erschließung wird
wesentlich erleichtert durch ein ausführliches Personen- und
Sachregister.

Vermißt habe ich unter den 35 Aufsätzen einen Beitrag aus
dem christlich-jüdischen Dialog und Verstehen bzw. die „jüdische
Perspektive"; die „weibliche Perspektive" ist, wie auch die
Herausgeber bedauern, nicht angemessen vertreten. Die bewußte
Hereinnahme und Reflexion der biblischen Überlieferung spielt
im theologisch-hermeneutischen Denken Henning Schmers -
nur aus Gründen der Themenwahl? - eine profiliertere Rolle als
in zahlreichen Beiträgen, die ihm gewidmet sind. Die in vielen
Beiträgen praktizierte Interdisziplinarität dokumentiert überzeugend
eine Pluralität konstruktiver und erhellender Perspektiven
, die es in jedem Fall verdienen, unter dem Titel einer Praktisch
-theologischen Hermeneutik zusammengefaßt zu werden.

Bad Berleburg Helmut Hollenstein

Alter Orient

Bilde, Per, Engberg-Pedersen, Troels, Hannestad, Lise, and Jan
Zahle [Ed.]: Religion and Religious Practice in the Seleucid
Kingdom. Aarhus: Aarhus University Press 1990. 269 S. m.
Abb. gr.8 » Studies in Hellenistic Civilization, 1. geb. DKK
211,-.

Mit diesem Buch wird der erste Band eines vom „Danish Research
Council for the Humanities" getragenen Forschungsprogramms
vorgelegt, das die hellenistische Zivilisation dieser gesamten
Epoche in den Blick zu bekommen sucht. Die 11 hier
vereinten Aufsätze stellen das Resultat eines interdisziplinären
Symposiums dar, welches das Ausmaß und den Charakter der
Hellenisierung hinsichtlich einer einheitlichen Kultur und Religion
in dem seleukidischen Imperium zum Thema hatte. Entsprechend
wird hier kein Lehrbuch geboten, doch sind wichtige
Bereiche angesprochen, welche - die Arbeiten Rostovtzeffs u.a.
weiterführend - den Leser mit neueren Fragestellungen und dem
jüngsten Stand der Erforschung dieses Diadochenreiches konfrontieren
. Wenn dem Symposium auch zu sehr die (moderne)
Fragestellung nach einer einheitlichen Kultur bei dem Helleni-
sierungsprozeß gestellt war, so werden in den einzelnen Beiträgen
doch anhand charakteristischer Beispiele die vielschichtigen ethnischen
und kulturellen Verhältnisse und wirtschaftlichen und
politischen Kräfte zumeist überzeugend herausgearbeitet, die bei
dem Prozeß dieser "acculturation" und "assimilation" wirksam
wurden. Von besonderem Interesse sind die Beiträge über den
makkabäischen Aufstand, in welchem die jüdische Religion ihre
Eigenart behaupten konnte. Damit ist ein Band erschienen, der
an wichtigen Themenbereichen das Vordringen der griechischhellenistischen
Kultur in eine andere Welt verständlich zu machen
in der Lage ist.

In dem einleitenden Aufsatz entfaltet der Anthropologe ./. Friedmann
(Kopenhagen), wie die Kultur im Kontext mit dem gesellschaftlichen
Leben zu fassen ist. und stellt als entscheidend die Art heraus, in welcher
Weise hierbei die gesellschaftliche und individuelle Identifikation erfolgt.
Anschließend sucht er dann die Bedeutung der verschiedenen Formen der
kulturellen Konstitution für das Verständnis der Geschichte des Hellenismus
aufzuzeigen - was jedoch nach der Eigenart der Religion fragen läßt.

Anhand charakteristischer Beispiele weist P. Brianl (Toulouse) im Blick
auf das Verhältnis von Seleukiden- und Achämenidenreich - eigene Arbeiten
aufnehmend - überzeugend nach, wie stabile und dauerhafte Strukturen
früherer Zeit wirksam blieben und wie die neuen Herrscher eine Zusammenarbeit
mit den örtlichen Eliten suchten, ohne jedoch eine wirkliche
Einheit in ihrem Imperium erreichen zu können.

/. Teixidor (Paris) zeigt an Texten anschaulich, wie griechische Intellektuelle
(Hekataios von Abdera u.a.) oder Historiker (Polybios) östliche Völker
in ihrem Leben aus ihrer Sicht und von ihrem Verständnis her schilderten
und dabei lokale religiöse Kulte entsprechend erfaßten.

Nach diesen Überblicken kommt es im nächsten Aufsatz mit der Frage
nach dem Eigentum des sog. Tempel-Staates in Asia Minor zu einer sehr
speziellen Studie. S. Isager (Odense) sucht an einem Streit um ein Heiligtum
in Karien wahrscheinlich zu machen, daß sich in den seleukidischen
Zeiten eine Änderung dieses Besitzrechtes anbahnte.

L. Hannestad und D. Potts (Kopenhagen) können anhand von Tempelgrundrissen
einsichtig machen, daß in den einzelnen Regionen des Seleuki-
dcnrcichcs die Eigenart der jeweiligen Kulte in jener Zeit zum Ausdruck
kam und somit kein neuer Typ religiöser Architektur unter den Seleukiden
festzustellen ist. Für Palästina werden dabei Tempel in Lachisch, Beer-
scheba sowie der Tempelkomplex von Marissa vorgestellt. Auch wird Araq
al-Amir als Beispiel herangezogen, nicht ohne auf eine mögliche Interpretation
als Palast hinzuweisen.

J. Zahle (Kopenhagen) geht einfühlsam religiösen Motiven nach, die
von Königen und autonomen Städten im Seleukidenreich auf Münzen verwendet
wurden. Illustriert wird - im Vergleich zu früheren Prägungen -
dabei, wie Antiochos IV. und Antiochos VII. durch synkretistische Darstellungen
auf ihren Münzen den Entwicklungen in ihrem Reich Rechnung
trugen.

B. ///('/(//(/(Kopenhagen) arbeitet anhand iranischer und anderer Quellen
in seinem Beitrag die Bedeutung der Zoroaster-Religion im seleukidischen
Herrschaftsgebiet heraus und zeigt, wie sich diese Religion von
einem universalen Glauben zur Beachtung rigoristischer Vorschriften (und
dann in parthischer und sassanidischer Zeit weiter) zu ändern begann:
Wenn in der Überschrift vom „Überleben" dieser Glaubensrichtung die
Rede ist, dürfte dies wohl auf die vorgegebene Fragestellung des Seminars
zurückzuführen sein.

In einem an den Quellen orientierten Beitrag zeichnet P. Bilde (Aarhus)
die Vorstellungen, die wir von dem Kult der Atargatis/Dea Syria in vorhel-
lcnistischer Zeit haben, und analysiert dann auf uns überkommene griechische
Texte, besonders Lukian. Er kann - auch durch Vergleiche von Entwicklungen
anderer Kulte (Kybele, Artemis, Isis) - deutlich machen, wie
dieser Kult in der hellnistischen Zeit an Stärke, Einfluß und Bedeutung gewann
, und wie es bei ihm zu Transformationen kommt, wobei frühere Elemente
wieder stärker zum Vorschein kommen.

In den letzten 3 Beiträgen wird mit dem Judentum ein besonderes Problem
des Selcukidenreiches angegangen, wobei zwangsläufig die makka-
bäische Erhebung im Zentrum steht. - N. Hyldald(Kopenhagen) skizziert
den Verlauf der Ereignisse, die zur Rebellion führten, und spricht dabei die
Interpretationsproblcme an. die bei der Erforschung dieser komplexen Periode
auftauchten. H. sieht dabei mehr die wirtschaftlichen als die religiösen
Konflikte vorherrschen, die diese Krise auslösten. Auch möchte er die
Eingriffe Antiochos' IV. - dessen Todesjahr er bei der Erörterung der Chronologie
der Makkabäerbücher noch besonders nachgeht - nicht so stark
herausstellen. Mit Recht fordert H. auch, die Verhandlungen der Hasmo-
näer mit Rom stärker zu betonen.

S. J. D. Cohen (New York) beendet seinen Beitrag über das Verhältnis
von Religion. Volkszugehörigkeit und Hellenismus bei der Identitätsfin-
dung der Juden überspitzt mit dem Satz: "The Hasmonaeanstootookover
the Hellenizing process and Judaism is the result". Einleitend klärt er die
verschiedene Bestimmung von „Judaios" und fragt dann eindringlich, wie
die Conversion von Idumäern und Ituräern unter den Hasmonäern erfolgte
und warum diese jene Völker zu Juden machten. Die Konfrontation
- wie das Zusammenleben in der Dispora - nötigte die Juden, ihre Identität
neu zu bestimmen, wobei sie auch Formen ihrer Gegner übernahmen.

B. Otzen (Aarhus) arbeitet Bedeutung und Funktion der Apokalyptik.
deren Wurzeln O. in der jüdischen Weisheit (und nicht so sehr in der Pro-
phetie) sieht, in der makkabäischen Religionskrise heraus. Er sucht dabei,
indem er auch ihr Verhältnis zur Eschatologie und Geschichte zu klären
unternimmt, danach, welche Elemente eben auch von der iranischen
Eschatologie eingeflossen sind und führt so die Diskussion - auch bezüglich
des Aiters des Henoch-Buches - weiter.

Berlin Karl Matthiae