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Ausgabe:

1992

Spalte:

791-793

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Uphoff, Berthold

Titel/Untertitel:

Kirchliche Erwachsenenbildung 1992

Rezensent:

Grethlein, Christian

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 10

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viel weiter ausgreifenden, auch andere Theorie- und Praxisfelder
der RP in den Blick nehmenden Ansatz des gesamten Werkes
nicht gerecht wird.

Recht lesenswert sind die Darstellungen und systematisch-
theoretischen Verortungen der rp Praxisfelder von der religiösen
Erziehung der Kinder über den Religionsunterricht in der Schule
bis hin zu Konfirmation und Konfirmandenarbeit und christlicher
Erwachsenensbildung. Rp Theoretiker und auch Praktiker
finden hier von konzeptionellen Ansätzen bis hin zur Vorstellung
von Praxisprojekten ein recht buntes und anregendes inhaltliches
Potpourri, das auch vor populärwissenschaftlichen Anleihen
(vgl. etwa die „Typenlehre" 141 ff) und einem sicherlich für manche
„aufgeklärten" Kritiker anstößigen Plädoyer für den Einsatz
gerade von Wundergeschichten in der religiösen Erziehung (vgl.
etwa 132fund 149ff) nicht scheut.

Im Kap. über die christliche Erwachsenenbildung begegnet
schließlich auch noch die im Grundlagenteil vermißte Auseinandersetzung
mit dem Bildungsbegriff. In stark verkürzender Weise
identifiziert S. dabei „Bildung" insbesondere mit Wissen, das
ihm identisch mit „Verfügungswissen" wird, welches er wiederum
unter die theologische Kategorie der „Werke" subsumiert,
denn „Vertrauen auf den eigenen Verstand ist Torheit" (251).
Demgegenüber fordert er ein „Versöhnungswissen" als die
„christlich-religiöse Perspektive des Bildungsbegriffs" (252). In
ganz ähnlicher Weise wie Vertreter der dialektischen Theologie in
der ersten Hälfte des Jahrhunderts tritt S. hier einem auch nur relativen
Vertrauen in die menschliche Subjektivität und Autonomie
entgegen, wie es sich in dem gleichsam neuzeitlichmodernen
„Symbol" der „Bildung" Ausdruck verschafft hat.
Exemplarisch lassen sich damit an S.s Stellung zum Bildungsbegriff
auch die Aporien seiner rp Konzeption aufzeigen und auf
unterschiedlichen Ebenen Anfragen formulieren: Läßt sich tatsächlich
heute noch eine rp Konzeption ausformulieren, die so
klar die neuzeitlich-moderne Verfaßtheit des Menschen (cf. die
Begriffe Subjektivität und Autonomie, und damit den Anspruch
auf Bildung) ignoriert? Fällt nicht mit der einlinig-exklusiven Ableitung
der RP aus der Theologie diese Disziplin hinter den schon
erreichten Erkenntnisstand zurück? Wird hier nicht durch die exklusive
Betonung religiös-christlicher Inhalte erneut einer „Verleugnung
des Kindes" in der RP das Wort geredet? Hier scheinen
mir rp Konzeptionen, die das neuzeitlich-moderne Symbol der
„Bildung" mit seinen Implikationen positiv rezipieren (vgl. exemplarisch
die Arbeiten von K. E. Nipkow), den Herausforderungen
, denen sich die RP in Theorie und Praxis in der Gegenwart
gegenübergestellt sieht, eher gewachsen zu sein.

Koblenz Horst F. Rupp

Uphoff, Berthold: Kirchliche Erwachsenenbildung. Befreiung
und Mündigkeit im Spannungsfeld von Kirche und Welt. Stuttgart
-Berlin-Köln: Kohlhammer 1991. 261 S. gr.8° = Praktische
Theologie heute, 3.

Die von der Katholisch-Theologischen Fakultät in Bamberg
angenommene Dissertation des in der Erwachsenenbildung auch
praktisch tätigen W. Uphoff will nichts geringeres als „eine
Handlungstheorie kirchlicher Erwachsenenbildung" entfalten
(II). Dazu will er aus „ der falschen Alternative zwischen kirchenintern
ausgerichteter Glaubensbildung und gesellschafts- und
persönlichkeitsorientierter Erwachsenenbildung herausführen"
(14), und zwar im Interesse einer „Verbesserung bestehender
Praxis" (15). Methodisch schließt sich U. dabei an das von H.
Steinkamp entwickelte „Paradigma der konvergierenden Optionen
" (16) an, setzt also eine Kompatibilität zwischen theologischen
und humanwissenschaftlichen Erkenntnissen voraus. Die
theologische Basis legt U. durch Rekurs auf den Begriff der

„Evangelisierung" (19-41). Dabei geht er von dessen Verwendung
im II. Vaticanum, vor allem in der Pastoralkonstitution
„Gaudium et spes", aus. Evangelisation bzw. Evangelisierung
wird hier als „die Weitergabe der christlichen Botschaft im Wort
und in der Praxis des Lebens" (24) verstanden, wobei sie als besondere
Aufgabe den Laien zugewiesen wird. Weiter führten dieses
Konzept Paul VI. in der Enzyklika „Evangelii nuntiandi" und vor
allem die 3. Vollversammlung des lateinamerikanischen Episkopats
in Puebla (1979). Die Bischöfe akzentuierten Evangelisierung
kultur- und gesellschaftskritisch und verbanden sie mit dem Befreiungsbegriff
. Besonders die Armen bekommen „eine besondere
Würde als Subjekt der Evangelisierung" (35). Nur kurz deutet U.
an, daß spätere episkopale Verlautbarungen diese Einsichten bzw.
Forderungen nicht aufnahmen. Er selbst will das Evangelisierungskonzept
in der Erwachsenenbildung durchsetzen.

Einen pädagogischen Zugang zur Erwachsenenbildung gewinnt U.
durch den Begriff der „Bildung" (42-79). Nach einem Kurzdurchgang
durch die Geschichte des Bildungsbegriffs skizziert er knapp die bildungstheoretischen
Grundpositionen von W. Flitner, H.-J. Heydorn, H. Blan-
kcrtz, H. v. Hentig und E. Geißler. Sein eigenes Bildungsverständnis richtet
U. an der „Grundentscheidung für eine ganzheitliche Praxis der
Befreiung" (60) aus. Dabei läßt er sich vor allem durch die Argumentation
Heydorns und Peukerts leiten. Der protestantische Leser vermißt hierein
Eingehen auf bzw. eine Auseinandersetzung mit den Überlegungen K. E.
Nipkows (Bildung als Lebensbegleitung und Erneuerung, Gütersloh 1990).
Dessen Herausstellung der mystischen Wurzel des Bildungsbegriffs könnte
für U. interessant sein.

Der folgende Abschnitt skizziert die „geschichtiche Entwicklung katholischer
Erwachsenenbildung". U. setzt bei J. M. Sailer ein, weist kurz auf
die katholische Vereinsbewegung (Kolping, v. Ketteier) hin, behandelt u. a.
den „Volksverein für das katholische Deutschland" und den „Zentralbildungsausschuß
der katholischen Verbände Deutschlands". Nach 1945
nennt U. den Streit um freie und gebundene Erwachsenenbildung sowie innerkirchlich
das Problem der Verhältnisbestimmung von Seelsorge und Erwachsenenbildung
als wichtige Diskussionen. Dabei läßt er deutlich Sympathien
für Autoren erkennen, die Erwachsenenbildung als diakonischc
Arbeitsform verstehen (Lange, Picht, Vogt). Bei diesen Ausführungen
macht sich die Unschärfe seines Begriffs „Katholische Erwachsenenbildung
" wiederholt störend bemerkbar. Hier führte die z. B. von Chr. Meier
vorgeschlagene Differenzierung in christlich-motivierte und kirchliche Erwachsenenbildung
weiter. Zudem erweiterte die Besinnung auf frühere
Formen kirchlicher Erwachsenenbildung, vor allem den altkirchlichen
Taufkatechumenat, den Horizont erheblich. Z.T. recht abstrakt skizziert
U. im folgenden Kapitel „Voraussetzungen zur Theoriebildung katholischer
Erwachsenenbildung" (114-136) das Konzept der Postmoderne.
Dabei betont er einseitig den Charakter des „elementaren Freiheitscharakters
" der Postmoderne (118). Sie äußert sich in der grundsätzlichen Bejahung
von Pluralität.

Den Hauptteil des Buches bilden dann die programmatischen
Ausführungen über „evangelisatorische Erwachsenenbildung als
Praxis der Befreiung" (137-196). Zuerst arbeitet U. die Konvergenz
zwischen den eingangs geklärten Begriffen „Evangelisierung
" und „Bildung" u. a. in der „Option für die Berufung des
Menschen zu selbstbestimmter Personwerdung" (140) heraus,
wobei er sich interessanterweise auf den Reich-Gottes-Begriff
von Ragaz beruft. Dann versucht er die Übernahme des postmodernen
Wirklichkeitsdesigns durch den Rückgriff auf das christliche
Gottesverständnis im Sinne der „ coincidentia oppositorum
(149) zu rechtfertigen. Eine so begründete und situativ verankerte
, kirchliche Erwachsenenbildung ist in ihrem Eintreten für
alle in der Gesellschaft Benachteiligten primär ein diakonisches
Unternehmen. U. begründet dies theologisch durch Hinweis auf
Mt. 7,20 f., woraus er den „Primat christlichen Handelns" (vor
der Verkündigung) erkennen will. U. ist sich klar darüber, daß
solch „eine kritische, diakonisch ausgerichtete und aktionale
Handlungsformen integrierende kirchliche Erwachsenenbildung
" (197) unweigerlich in Konflikte führt. In einer abschlies-
senden „Ermutigung für die Praktikerinnen" (197-202) versucht
er in stark appellativer Form trotzdem hierfür zu werben-