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Ausgabe:

1992

Spalte:

789-791

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Schmidt, Heinz

Titel/Untertitel:

Leitfaden Religionspädagogik 1992

Rezensent:

Rupp, Horst F.

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 10

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fung" ist der Schlüssel für ein Verständnis der „Erziehung".
Beide haben dieselbe Funktion, nämlich Frömmigkeit und heiliges
Leben.

Für die Zeit der Aufklärung heben die Hgg. Rousseaus Emil
und vor allem den leitenden Gedanken der Subjektivität des Kindes
, die gegen Tradition und Theologie steht, hervor; dann aber
auch die Abwehr kindlicher Verballhornung des philosophischen
Gottesverständnisses. Neben Rousseau sind die sog. „Philanthropen
", im Band durch Salzmann vertreten, der Erwähnung
für würdig befunden worden. Bei ihnen sehen die Herausgeber in
anderer Weise als bei Rousseau das Kind in seiner Entwicklung
ernst genommen. Das gilt auch für Pestalozzi, der religiöse Erziehung
nicht mehr nur als einen Erkenntnisprozeß versteht wie die
Aufklärung, sondern als einen personal vermittelten sozialen
Vorgang. Mutter und Familie gelten deshalb für ihn als die eigentlichen
Vermittler von Religion.

Neben Luther ist es Schleiermacher, der eines besonderen Akzentes
für würdig befunden wird. Auch er vertraut in erster
Linie der primären religiösen Sozialisation im Rahmen der religiösen
Erziehung. Aufklärer und Ueberwinder der Aufklärung in
einem, beschreibt er den Menschen als frei in seinem innersten
Handeln. In dieser Freiheit ist für Schleiermacher aber auch die
Religion und die Bildung der Religion bei sich selbst. Als äußerlich
lehr- und lernbare Größe wirkt Religion nurauf den „Mechanismus
" des Geistes, nicht aber in die Organisation desselben. Zu
einer Einflußnahme auf diese Organisation besitzt die Religion
als Mittel nur die freie Äußerung und Mitteilung. Freiheit und
Selbstbestimmung sind dabei für Schleiermacher einbezogen in
das Leben der christlichen Gemeinde, m. a. W.: die Bildung religiöser
Gesinnung ist für ihn als sozial eingebettete verstanden.
Deshalb hat der kirchliche Unterricht zum Ziel, zu einer lebendigen
Teilnahme am Cultus zu befähigen, aber auch zu religiöser
Selbständigkeit. - Der schulische Religionsunterricht ist dagegen
nur so etwas wie ein Supplement, das auf Kenntnisse und Einsichten
, nicht aber auf Gesinnung aus ist.

Methodisch ist der Dialog der pädagogische Königsweg religiöser
Erziehung und Bildung. Er führt dazu, die Vorstellungen selbständig
zu entwickeln. Inhaltlich liegt der Schwerpunkt auf neu-
testamentlichen Texten. Kurzum, „in der Umbruchsituation
seiner Epoche weist Schleiermacher auf der einen Seite weit auf
die Bedingungen voraus, unter denen heute die Religionspädagogik
in Theorie und Praxis entfaltet werden muß ... Auf der andern
Seite vertraut Schleiermacher noch sehr stark der primären
religiösen Sozialisationsinstanz der Familie und dem religiösen
Gesamtleben." (430

Ein Buch, das jedem, der es mit religiöser Bildung und Erziehung
zu tun hat, warm empfohlen werden kann. Er/sie sollte aber
nicht mit der Lektüre der Einführung, die zuweilen sehr gelehrt
'st. beginnen, sondern mit den Texten. Erst dann wird sich anhand
gezielter Fragen auch der Einführungsteil erschließen. Man
•st auf den 2. Band gespannt.

Berlin Klaus Wegenast

Schmidt, Heinz: Leitfaden Religionspädagogik. Stuttgart-Berlin
-Köln: Kohlhammer 1991. 262 S. kl.8° = Urban-Taschenbücher
, 443. Kart. DM 28,-.

H. Schmidt, Professor für Praktische Theologie/Religionspä-
^agogik in Münster, legt nach seiner 1982/84 erschienenen zwei-
^ändigen „Religionsdidaktik" hier nun einen von der Thematik
^Cr umfassenderen, über die Didaktik des Religionsunterrichts
"inausgehenden Entwurf der Religionspädagogik (=RP) in Ta-
Sehenbuchform vor. Dieser Entwurf versteht sich laut Umschlag-
'ext als „Leitfaden für Studium und Examensvorbereitung sowie
ur Analyse und Reflexion religiöser Erziehung".

Das Werk weist folgende Gliederung auf: Die Kap. I-III bieten
die systematisch-theoretisch orientierte rp Grundlagenreflexion:
I. Grundprobleme religiöser Erziehung; II. Religion in der Lebensgeschichte
; III. RP als Wissenschaft. Die Kap. IV-VII stellen
wichtige Praxisfelder der RP in ihrer jeweiligen Problematik dar
und versuchen sie auf dem Hintergrund der in den Kap. I-III gewonnenen
Erkenntnisbasis normativ zu strukturieren: Kap. IV
Religiöse Erziehung von Kindern (differenziert in „A. Religiöse
Erziehung in der Familie" und „B. Religiöse Erziehung im Kindergarten
"); Kap. V Der Religionsunterricht in der Schule; Kap.
VI Konfirmation und Konfirmandenarbeit; VII. Christliche Erwachsenenbildung
.

Vielbelesen und kenntnisreich gelangen in Kap. I die folgenden
„Grundprobleme religiöser Erziehung" zur Darstellung : 1. Erziehung
; 2. Sozialisation; 3. Religion und Erziehung; 4. Christliche
Religiosität; 5. Religiosität in einer säkularisierten Welt; 6.
Bezugspunkte transformierender religiöser Erziehung. Erstaunen
mag hier den Leser, der die (rel.) pädagogische Diskussion
der letzten Jahre verfolgt hat, daß der Begriff der „Bildung" keines
eigenen Unterkapitels gewürdigt wird, sondern nur kurz im
Kontext der „Erziehung" Erwähnung findet (vgl. 100, aber hier
als „weitgehend funktionalisiert" charakterisiert wird. Zentralen
Stellenwert haben für die Position des Autors die Unterabschnitte
4. bis 6. Hier macht er auf dem Hintergrund systematisch
-theologischer Überlegungen eine identifizierbare profilierte
christliche Religiosität fest, deren inhaltlicher Fokus die
relevanten Symbole des christlichen Glaubens sind, wie sie beispielhaft
etwa mit den Begriffen „trinitarische Struktur christlicher
Gotteserfahrung", „Gott als Schöpfer und Erhalter der
Welt", „Leben als erlöste Sünder", „Zukunft des Reiches Gottes"
u.ä. zu umschreiben wären. Dieser Symbolhorizont ist nach S.
für christlichen Glauben und damit auch für rp Vermittlungsreflexion
- und -praxis unaufgebbar. „Die kommunikative Arbeit
an Glaube und Leben, zu der religiöse Erziehung beiträgt und befähigen
will, gewinnt ihre transformierende Kraft... aus der Anwendung
der Grundstrukturen christlicher Religiosität auf die in
die Krise geratenen neuzeitlichen Erfahrungs- und Vorstellungsweisen
." (55) Zwar steht für S. aus theologischen Gründen fest:
„Glaube ist kein Ziel religiöser Erziehung... Ziel religiöser Erziehung
kann nur Einführung in religiöse Lebenswelt sein." (39)
Letztlich ist dann aber doch - wenn auch nur indirekt - christlicher
Glaube der intentionale Horizont rp Handelns: „Christliche
Erziehung ist... nicht mehr und nicht weniger als eine Anleitung
zu individueller und gemeinschaftlicher Gestaltung christlicher
Religiosität... in der Hoffnung, daß dabei der Glaube zur Mitteilung
wird." (390

Kap. II präsentiert eine kritische Darstellung religionspsychologisch
relevanter Entwicklungstheorien, wie sie in den zurückliegenden
Jahren in psychoanalytischer, kognitiv-struktureller,
moralischer und religiöser Orientierung von Autoren wie Erik-
son, Piaget, Kohlberg, Oser und Fowler erarbeitet wurden. Trotz
mancher Kritik bestreitet S. diesen empirischen Forschungen
keineswegs ihre auch rp Relevanz.

In Kap. III „RP als Wissenschaft" beschäftigt sich der Vf. mit
der wissenschaftstheoretischen Verortung der RP. Er kommt
dabei zu der klaren Feststellung: „Die RP hat in den existierenden
Religionsgemeinschaften ihre Wertbasis. Sie kann sich nur
an geschichtlich konkrete Religion binden, sich mithin nur als
Pädagogik im Werthorizont einer konkreten Gemeinschaft artikulieren
. Der Werthorizont christlicher RP wird in der christlichen
Theologie reflektiert." (91) Auf dieser Folie nimmt S. eine
eindeutige „Zuordnung der RP zur praktischen Theologie" (92)
vor. Der sich in diesem Kapitel anschließende, umfangreiche,
mehr als 30seitige Abschnitt „Geschichte der RP im Überblick"
bietet eine nahezu ausschließlich auf die Geschichte der schulischen
Religionsdidaktik enggeführte Darstellung, die dem ja sehr