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Ausgabe:

1992

Spalte:

787-789

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Titel/Untertitel:

Von Luther bis Schleiermacher 1992

Rezensent:

Wegenast, Klaus

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 10

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ans Licht, daß das pädagogische Prinzip einer „universalistischen
Ethik" an der Wirklichkeit „geschichtlicher" Religionspädagogik
sich ständig gebrochen hat und wohl brechen muß.
Der Katholik Overberg und der ,Pietist' Zahn - ihre Altersdifferenz
von nahezu einem halben Jh. wird vom Vf. nicht beleuchtet
- sind gerade in ihrer Verschiedenheit kräftige Belege dieser Brechung
. Hat der eine in seinem Kirchenverständnis sowohl „universale
" als auch „partikulare" ethische - Grundlagen, so steht
beim andern das persönlich-„partikulare" Heil im Umschluß
des „universalen" Gesetzes. Daß solche Quintessenzen, die ich
hier deutlicher und wohl auch anders formuliere, als der Vf.
selbst sie zieht, mit dem aufgeklärt-politischen und religiösen
Denken Diesterwegs nicht zu vermittelnn waren, liegt auf der
Hand. Daß der Vf. aber die für Zahn längst nachgewiesene, eben
fundamentale Verbindung zur Religionsdidaktik der Stiehlschen
.Regulative* nicht im Sinne seiner eigenen Problemstellung klarer
zur Geltung bringt, nimmt doch der schließlich gefundenen
Lösung der Dissertation mehr als nur ein - womöglich peinliches,
also entbehrliches? - Stück ihrer Beweiskraft. Und auch dies sei
noch gefragt: Warum eigentlich sollte und könnte für Overberg
gelten bzw. für Zahn toleriert werden, was mutatis mutandis für
Stiehl abgewiesen werden muß?

Entsprechend dem genannten Forschungsgewinn gerät der
sehr kurze Schluß (338-390) denn auch sachlich etwas überraschend
. „Eine theologisch und pädagogisch verantwortbare Religionspädagogik
(muß) zur Vermeidung politisch unberechtiger
Indienstnahme nicht zuletzt mit einem ethischen Universalismus
korrespondieren". Dieser ist, so Kant und Schleiermacher,
„im Christentum selbst angelegt"; Overberg und Zahn sieht der
Vf. „in dieser Denktradition". Aber „von daher darf im Hinblick
auf Religiosität als geschichtlich gesellschaftliches Phänomen die
Konfessionalität nicht ausgeklammert werden" (388). Dies ist
eine wichtige, übrigens auch nach Meinung des Vf.s deutlich
gegen Diesterweg gerichtete Einsicht. Der Autor will freilich
„den Begriff der Konfessionalität konkreter fassen", um „angesichts
geschichtlicher Erfahrung kirchlicher Verstrickung mit politischen
Herrschaftsinteressen" nicht dem darin implizierten
„ethischen Partikularismus" (389) zu erliegen. Für einen solchen
Zweck sollte allerdings der Schlußsatz der Dissertation mit seinem
Stichwort „Entpolisierung der Konfessionalität" gerade
theologisch ebenso wie ethisch und pädagogisch nicht das letzte
Wort behalten: „Konfessionalität im Horizont heilsgeschichtlichen
Denkens auf der Grundlage eines ethischen Uni versalismus
fordert und unterstützt jedwedes (siclBl.) in diesem Sinne konzipierte
individuelle und gesellschaftliche Handeln" (390).

Berlin Peter C.Bloth

Nipkow, Karl Ernst u. Friedrich Schweitzer [Hg]: Religionspädagogik
. Texte zur evangelischen Erziehungs- und Bildungsverantwortung
seit der Reformation 1: Von Luther bis
Schleiermacher. München: Kaiser 1991. 327 S. 8° = Theologische
Bücherei. 84. Kart. DM 48,-.

Grundsätzlich ist es verdienstvoll, wenn praktisch-theologische
Fächer die von ihnen in der Gegenwart verantworteten
Handlungsfelder in der Gesellschaft hinsichtlich ihrer Herkunftsgeschichte
aufarbeiten. Das gilt besonders für die Religionspädagogik
, eine junge Disziplin der Theologie, die in den vergangenen
30 Jahren vornehmlich dazu gezwungen war, auf rasch
wechselnde gesellschaftliche Herausforderungen zu reagieren
und so kaum dazu gekommen ist, der eigenen Geschichte im Zusammenhang
eingedenk zu werden. Die Folge davon ist, daß in
der aktuellen Diskussion nicht selten Argumentationsfiguren aus
z.T. ferner Vergangenheit begegnen, ohne daß dies den Autoren
bewußt geworden wäre. So geht man im Kreise und pflegt das Bewußtsein
, neuen Ufern entgegenzueilen.

Interessant in dem vorliegenden Quellenband ist, daß die Hgg-
ihn mit „Religionspädagogik" überschrieben haben, obgleich
man, aufgeklärt durch neuere Publikationen (Bockwoldt, Wegenast
u. a.), weiß, daß es Religionspädagogik als Theorie religiöser
Erziehung und Bildung erst seit der Wende vom 19. zum 20. Jh.
gibt. Die Hgg. begründen das, obwohl sie den Gebrauch des Begriffs
für die in Frage stehende Epoche von Luther bis Schleiermacher
selbst für eine historische Verfrühung halten, damit, daß
sie den neuzeitlichen Differenzierungsvorgang des Christentums
, der die kirchlich-dogmatisch verordnete Unterrichtstradition
von einer staatlich-gesellschaftlich verzweckten christlichen
Religion trennen ließ, der Sache nach in diesem Zeitraum beginnen
sehen, vornehmlich im 18. und 19. Jh.

Karl Ernst Nipkow und Friedrich Schweitzer wollen in dem
vorliegenden Teilband einen historisch-systematischen Zugang
zur heutigen Religionspädagogik eröffnen, zu einer wissenschaftlichen
Bemühung also, die, wie die Pädagogik, in gleicher Weise
Theorie und Praxis ist, und das nicht nur in der Weise, daß die
Theorie eine bestimmte Praxis inauguriert und begleitet, sondern
auch so, daß eine bestimmte Praxis die dazugehörige Theorie
immer wieder in Frage stellt. Im vorliegenden Band ist es
dabei besonders sympathisch, daß die Hgg. darum wissen, wie
„geduldig" Theorien auch schon in der Reformationszeit gewesen
sind, wenn man auf ihre Relevanz für die Praxis achtet. Bewußt
sind sie sich auch, daß im Grunde erst dann von „Theorie"
gesprochen werden dürfte, wenn neben einer systematischen Behandlung
einer Praxis auch der wissenschaftliche Status einer
Disziplin mit reflektiert wird, wie das eigentlich erst beim letzten
der dokumentierten Autoren, bei Friedrich Schleiermacher, der
Fall ist.

Der Band dokumentiert sorgfältig und mit guter Quellenkenntnis
die Entwicklung des katechetischen Denkens vom 16.
bis 19. Jh., was das protetstantische Christentum betrifft. Dabei
fällt auf, daß aus der Zeit der Reformation die Stimme Ulrich
Zwingiis - zu denken ist u. a. an seine interessante und einflußreiche
Erziehungsschrift „Wie man die Jugend in guten Sitten und
christlicher Zucht aufziehen und üben solle" von 1526 - ebenso
fehlt wie für den Pietismus Philipp Jacob Spener und Johann
Jacob Rambach. Hier hat der nicht zu überschreitende Umfang
eines solchen Bandes Grenzen gesetzt.

Luther ist mit einschlägigen Abschnitten aus seiner Adelsschrift
von 1520, der Schrift „An die Ratsherren aller Städte
deutschen Landes, daß sie christliche Schulen einrichten und halten
sollen" von 1524 und vor allem mit trefflich ausgewählten
Abschnitten aus den Vorreden zum Großen und Kleinen Katechismus
und zur Deutschen Messe vertreten. Die Hgg. sehen den
Reformator in einem Zweifrontenkrieg gegen bildungsfeindliche
Schwärmer und die wahre Erkenntnis Gottes und Selbsterkenntnis
verstellende mittelalterliche Kirche, während Luther selbst
für eine jedem Christen notwendige Unterweisung und Bildung
optiert. Sie ermögliche erst ein Verständnis der Sache, die in die
Herzen getrieben werden muß. Kenntnis des Evangeliums für
alle und Verständnis der Sache für alle heißt die Devise. Die Bi'-
dungsanforderungen an das Predigtamt und an weltliches Handeln
sind ein weiterer Akzent der abgedruckten Texte.

Die protestantische Orthodoxie mit ihren riesigen Katechismen
, die stets zugleich Streitschriften darstellten, wird mit Ausschnitten
aus Conrad Dieterichs Werk dokumentiert, dann aber
auch mit Texten des großen Reformers J. A. Comenius. Der
ganze Mensch, nicht nur die religiöse Erziehung, seien gemeint-
und das durch alle Lebensalter hindurch. Frömmigkeit ist dabei
der integrierende Bestandteil der Erziehung. Sie gilt es von den
Inhalten und vom Kind her zu bedenken.

Francke und Zinsendorf repräsentieren den Pietismus. D'e
Frömmigkeit des Einzelnen steht im Mittelpunkt und darin die
„Anwendung" des Christ-Seins im Handeln des Alltags. „Bekeh-