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Ausgabe: | 1992 |
Spalte: | 780-782 |
Kategorie: | Praktische Theologie |
Titel/Untertitel: | Kirche in der Welt - Kirche der Laien? 1992 |
Rezensent: | Talkenberger, Wolf-Dietrich |
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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 10
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Kirche und in ihren Gremien ist die „Mehrheit" „Autorität", die
sich ihrerseits wieder an der gesellschaftlichen Mehrheit orientiert
- daran, „wie es draußen ankommt" (195ff).
Unter dem selben Konformitätsdruck (wahr ist, war konsensfähig
ist) steht nach Meinung des Vf.s die Gotteslehre der Theologie
. Unter dem Abschnitt „Sprachverwirrung" (236) wird der
Mißbrauch des Namens Gottes gegeißelt, wenn das Wort „Gott"
durch andere Worte ersetzt wird wie „das, was uns unbedingt angeht
", das „Woher meines Umgetriebenseins", die „alles bestimmende
Wirklichkeit" usw. (237) Es bleibt freilich unverständlich,
warum man nicht mindestens im Vorfeld und vorläufig so von
Gott reden könnte, ganz einfach um mit dem heutigen Menschen
ins Gespräch zu kommen. Gebietet nicht die Liebe, die „nicht
sich selbst sucht", sondern den anderen (IKor 13,5), daß ich die
Wahrheit dem anderen in seiner, nicht in meiner Sprache sage
(„Schicksal", „Vorsehung", „höhere Macht", „kosmische Kraft",
„letzter Sinn", „letztes Glück", „letzte Freiheit", „letzter Friede",
„letzter Halt")? Zumal wenn man von einer allgemeinen Gotteserfahrung
(revelatio generalis) aller Menschen (Rom 1,19f; 2,14f;
Act. 14,17; 17, 23-28) ausgeht.
Das eigentliche Herzstück dieses Buches ist die Lehre von der
Hl. Schrift, in der sich der Nonkonformismus des Vf.s am deutlichsten
artikuliert. Er geht von der „Gleichsetzung von Heiliger
Schrift und Wort Gottes" aus (262). „Die Heilige Schrift Alten
und Neuen Testaments ist (!) das Wort des Dreieinigen Gottes, in
dem er sich zu erkennen gibt, durch das er gegenwärtig ist, spricht
und handelt". (38) Und zwar sie allein ist es „mit einer alle anderen
Autoritäten ausschließenden Verbindlichkeit" (38). „Gott
selbst spricht" in der Schrift (46), wobei ihre „Mitte" der für uns
gestorbene und auferstandene „Sohn Gottes", nicht ein „Begriff'
oder eine „Idee" ist (47). „Der Heilige Geist ist" in diesem trinita-
rischen Schriftverständnis „die Gegenwart Gottes" (48). Entscheidend
ist: „Jede Auslegung, die meint, von diesem Zusammenhang
von Geist und Buchstaben absehen zu können, verfällt
entweder in eine geistlose Schriftgelehrsamkeit oder in eine von
der Schrift gelösten Schwärmerei des eigenen Geistes" (48),
„Sache" (res) und „Wörter" (verba) sind in der Schrift zwar zu
unterscheiden, aber nicht zu scheiden (264). Es ist verfehlt zu
sagen: „Die Heilige Schrift enthalte Gottes Wort in menschlicher
Rede, das durch je neue Auslegung als Wort Gottes verständlich
gemacht... werden müsse", sie sei aber nicht Wort Gottes. „Mit
dieser Auffassung werden Geist und Buchstaben in der Heiligen
Schrift voneinander getrennt" und es bleibt ein „toter Buchstabe
" (59). „Die Heilige Schrift ist eben nicht ein Buch wie jedes
andere, sondern ein Buch wie kein anderes" (44).
Es ist das Verdienst des Vf.s, wieder auf das unter dem Schutt
von Menschensatzungen begrabene biblische Urzeugnis christlichen
Glaubens - ähnlich wie die Reformation - verwiesen zu
haben. Sie haben heute andere Namen, aber sie verdunkeln nicht
minder das Evangelium. Eine Kirche und Theologie, die nur
Zeitparolen verdoppelt und nur Allerweltsideen, die der Mensch
schon von sich aus weiß, vermittelt, ist in der Tat nichtssagend
und langweilig (279). Trotz alledem verkennt Vf. die Kondeszendenz
Gottes im Bibelwort, in dem sich Gotteswort im unzulänglichen
Menschenwort verbirgt und in dem es einen Rand gibt, der
der Mitte widerspricht, folglich nie und nimmer als Gottes Wort
gelten kann (Hl. Kriege, Rachepsalmen, zeitbedingte Gesellschaftsstrukturen
etc.)
Wallenhorst Horst Georg Pöhlmann
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DM 28,-.
Obwohl es unbestritten ist, daß die Kirche eine Gemeinschaft
von Schwestern und Brüdern ist, obwohl wir Begriffe wie Allgemeines
Priestertum aller Gläubigen für unverzichtbar halten, obwohl
z. B. im Lima-Papier die Aussagen über das kirchliche Amt
denen über das Volk Gottes nachgeordnet werden, scheint es gegenwärtig
, „als hätten es die Laien sehr schwer, an den Entscheidungen
innerhalb der Kirche angemessen beteiligt zu werden"
(Vorwort, 9).
Auf dem Hintergrund dieser Problematik ist das hier anzuzeigende
Buch als eine Aufsatzsammlung zur Frage der Laien in der
Kirche entstanden. Es ist durchgängige Überzeugung dieses Buches
, daß die „bunte Schar aktiver Laien und Frauen (! - Rez)
sichtbarer ist als das würdige Heer schwarzgewandeter hauptberuflicher
Diener der Kirche" (Grohs, 33). Ein schönes Bild: Das
Schwarz soll das Bunte nicht zudecken, es vielmehr auf seinem
Hintergrund zum Leuchten bringen. Nach einem Grundsatzbeitrag
wird das Thema im Blick auf verschiedene Aspekte entfaltet-
Darüber sei im folgenden kurz berichtet:
Wolfgang Huber fordert in seinem Grundsatzbeitrag „Kirche
in der Welt" (11-25) nach einem geschichtlichen Rückblick zur
Laienfrage die Entwicklung einer Theologie der Welt (21), die
Einsicht, daß alle Theologie Laientheologie (Theologie für das
Leben in der säkularen Welt) sein muß (22), und - zur Ermöglichung
von Partizipation - presbyteriale und synodale Strukturen
, in denen der Vorrang der Laien praktisch ernstgenommen ist
(23).
In „Soziologische(n) Bemerkungen" zur Frage der „Laien in
kirchlichen Vertretungskörperschaften" (27-33) vertritt Gerhard
Grohs „die klare Forderung", „daß die Theologen in unserer Kif'
che wieder sehr viel stärker als bisher ... (den Nichttheologen)
Ämter in der Kirche anvertrauen müssen"; denn nur so behält die
Kirche den „Kontakt zur Welt" (33).