Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1992

Spalte:

760-762

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Brakelmann, Günter

Titel/Untertitel:

Krieg und Gewissen 1992

Rezensent:

Bassi, Hasko

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

759

Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 10

760

zum Lukasevangelium veröffentlicht hatte. „Wir dürfen davon
ausgehen, daß Hieronymus sehr bald eine Kopie dieser stark von
Origenes abhängigen Predigten in die Hände bekam. Wiederbot
sich ihm die Gelegenheit, den Plagiator bloßzustellen, freilich
ohne ihn offen beim Namen zu nennen" (35). Sieben zitiert die
Feststellung des Hieronymus in der Vorrede, daß „ich zu meiner
Linken einen unheilverkündenden Raben krächzen höre, der,
selber pechschwarz, sich mit der Farbenpracht aller anderen Völker
schmückt" (36 bzw. 56 ff.). Die Übersetzung des Hieronymus
ist in das Jahr 392 zu datieren. Die Qualität der Übersetzung des
Hieronymus wurde von Rufin kritisch angefochten. In neuerer
Zeit wird die Übersetzung des Hieronymus aber positiv beurteilt;
Sieben formuliert, „daß wir der Übersetzung des Hieronymus
Vertrauen schenken können" (40). Addressaten der Übersetzung
waren die frommen und gebildeten Damen Paula und Eusto-
chium (43-46). Die 39 Homilien haben offenbar von Anfang an
eine besondere Einheit gebildet, die Hieronymus so vorgefunden
hat.

Die lateinische Übersetzung liegt in 13 Handschriften vor, der
griechische Text ist in Fragmenten erhalten. Der ersten Textedition
1512 von Jacob Merlin folgten u.a. die Mauriner 1740 und
Migne (PG 13). Max Rauer erarbeitete für die Reihe „Griechische
Christliche Schriftsteller" 1931 eine kritische Edition, die
1959 eine 2. Auflage erlebte. Diesem Text folgt Sieben, die von
Rauer gebotenen Fragmente werden jedoch nur in jener Auswahl
übernommen, die Fournier für die Edition in der Reihe Sources
Chretiennes getroffen hatte (Bd. 87, 1962). Die Übersetzung in
die deutsche Sprache ist das Werk von Sieben, der damit seine
Leser gut ansprechen dürfte. Als Beispiel für die Übersetzung Siebens
und für die Auslegungsweise des Origenes sei Fragment 71
geboten, das die Geschichte vom barmherzigen Samariter betrifft
: „Mit diesem Mann ist Adam gemeint und mit seinem
Schicksal die Lehre über den Menschen, über sein ursprüngliches
Leben und seinen Fall wegen des Ungehorsams. Jerusalem steht
aber für das Paradies oder das obere Jerusalem, Jericho für die
Welt, die Räuber für die feindlichen Mächte oder die Dämonen
oder die vor Christus gekommenen falschen Lehrer, die Wunden
für den Ungehorsam und die Sünden, die Wegnahme der Kleider
für den Verlust der Unverweslichkeit und der Unsterblichkeit
und das Fehlen der Tugend. Daß der Mann halbtot liegen gelassen
wird, zeigt, daß der Tod nur bis zur einen Hälfte der menschlichen
Natur vorgedrungen ist; denn seine Seele ist unsterblich.
Mit dem Priester ist das Gesetz gemeint, mit den Leviten das
Wort der Propheten, mit dem Samariter Christus, der von Maria
Fleisch angenommen hat, mit dem Lasttier der Leib Christi, mit
dem Wein das belehrende und tadelnde Wort, mit dem Öl das
menschenfreundliche erbarmende mitleidvolle Wort, mit der
Herberge die Kirche ..."(456-459).

Der Reihe Fontes Christiani kann man nur gratulieren, daß sie
um 2 weitere gelungene Bände bereichert worden ist.

Rostock Gert Haendler

St.Isaac of Nineveh on ascetical Life. Crestwood, NY: St. Vladimirs
Seminary Press 1989. 116 S. 8°. Kart. $ 5.95.

Sechs Homilien Isaaks werden hier in englischer Übersetzung
vorgelegt. Der Apparat unter den Texten weist die biblischen Bezüge
nach, gelegentlich werden Stellen aus dem 1. Teil des Mona-
chikos des Evagrius Pontikus, dem praktikos, zu den Texten gegeben
.

Die Übersetzung dient in erster Linie spirituellen Studien,
auch die 16seitige Einleitung will nicht die Forschung weiterführen
, sondern den im westlichen Christentum wenig bekannten
Heiligen vorstellen. Wir erfahren etwas über die politische und
religiöse Situation im 7. Jh., lesen, was für Beweggründe zum

Bischofsamtsverzicht nach nur 5 Monaten geführt haben könnten
. Auch den Nachwirkungen Isaaks wird Aufmerksamkeit geschenkt
.

Isaaks monastische Anthropologie wird skizziert, die drei
Wege - des Körpers, der Seele und des Geistes - werden knapp
dargestellt. So erhält der Leser einen gewissen Eindruck von
einem Mann, der in einer Welt des Origenismus, des Nestorianis-
mus und Monophysitentums, in die dann der Islam einbrach,
sein Asketenleben gestaltete.

Rostock Peter Heidrich

Kirchengeschichte: Neuzeit

Brakelmann, Günter: Krieg und Gewissen. Otto Baumgarten als
Politiker und Theologe im Ersten Weltkrieg. Göttingen: Van-
denhoeck & Ruprecht 1991. 241 S. gr.8°. Kart. DM 49,80.

Als der Bochumer Sozialethiker Günter Brakelmann 1974 in
seinem bedeutenden Werk über Reinhold Seeberg (Protestantische
Kriegstheologie im Ersten Weltkrieg, Bielefeld 1974), den
wohl exponiertesten „Theologen des deutschen Imperialismus",
eine weitere, ähnliche geartete Untersuchung nun aber über
einen typischen Vertreter des gemäßigten Weltkriegsprotetstan-
tismus ankündigte und dabei den Namen Otto Baumgarten
nannte, wird mancher lediglich undeutliche Vorstellungen gehabt
haben, von wem denn da die Rede war. Anfang der 70er
Jahre waren es nur wenige evangelische Theologen, die ihr wissenschaftliches
Interesse auf den von der Barthschen Theologie
vielgeschmähten „liberalen" oder „modernen" Protestantismus
richteten. Seit ungefähr zehn Jahren hat sich dies, etwa durch die
Arbeit der Ernst-Troeltsch-Gesellschaft, aber auch aufgrund
mancher Einzelstudien, sehr geändert. Der sog. „Kulturprotestantismus
" wird als zumindest interessantes, ja in vielem wertvolles
Erbe der neuesten Theologiegeschichte wiederentdeckt
(siehe zuletzt: Kulturprotestantismus. Beiträge zu einer Gestalt
des modernen Christentums, hg. von Hans Martin Müller,
Gütersloh 1992; außerdem: Gangolf Hübinger, Protestantische
Kultur im wilhelminischen Deutschland, in: Internationales Archiv
für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 16/1, 1991, S.
174-199). Daß dabei auch Baumgarten zunehmend Beachtung
geschenkt wird, ist zweifellos Brakelmanns Verdienst, der schon
in seiner hervorragenden Quellensammlung zum „Deutschen
Protestantismus im Epochenjahr 1917" (Politik und Kirche. Studienbücher
zur kirchlichen Zeitgeschichte, Band 1, Witten 1974)
an vielen Stellen auf Baumgartens Wirken und Denken hinwies.

Unter dem Titel „Krieg und Gewissen" zeichnet Brakelmann
nun ein detalliertes Bild von Baumgartens Positionen und Wandlungen
im Ersten Weltkrieg. Er sieht in Baumgarten „im ganzen
das Gegenteil zum national-konservativen Mehrheitsprotestantismus
seiner Zeit" (5).

Die Arbeit ist in sechs Abschnitte gegliedert. Die Einleitung
skizziert Leben und Wirken Otto Baumgartens bis zum Ersten
Weltkrieg (Herkunft und Werdegang: praktisch-theologische Professur
in Kiel ab 1894). Die Schlußbetrachtung ist dann der Zeit
in der Weimarer Republik (Kampf für Demokratie und Völkerverständigung
und gegen Antisemitismus und Nationalsozialismus
) gewidmet. Kernstück des Buches sind vier Kapitel, die, systematisch
gegliedert, Baumgartens außen- und innenpolitische
Äußerungen darstellen und analysieren, seine theologische Behandlung
und Deutung des Kriegsgeschehens betrachten sowie
seine Reaktionen auf die schließliche deutsche Niederlage und
Revolution beschreiben.

Früher als viele seiner Zeitgenossen findet Baumgarten aus
einer anfänglich auch bei ihm vorhandenen irrationalen patriotischen
Begeisterung zu einer nüchternen und realistischen Ana-