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Ausgabe:

1992

Spalte:

758-759

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

In Lucam Homiliae; 1 1992

Rezensent:

Haendler, Gert

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 10

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weitausstrahlenden römischen Lehr- und Forschungseinrichtung
, im Zusammenwirken mit 167 Gelehrten aus 17 Ländern
ein Nachschlagewerk geschaffen, das über die Patristik und die
Geschichte der Alten Kirchen - im Osten bis zu Johannes Da-
maszenus. im Westen bis zu Beda Venerabiiis geführt - zuverlässig
Auskunft gibt. Doch ungeachtet solcher Qualität und der weitgehenden
Novität des den dritten Band ausmachenden, von dem
Hg. gestalteten Atlante patristico vermochte das Werk nicht die
Resonanz zu gewinnen, die ihm von seinem Werte her zukam;
hieß es früher "Graeca non leguntur", so gilt eben leider auch
weithin für unsere Gegenwart der Satz: "Italica non leguntur".

In nüchterner Einschätzung solcher Realitäten faßten Verlag
und Hg. schon früh ins Auge, neben der italienischen Erstausgabe
Editionen in englischer, französischer und spanischer Sprache
vorzubereiten. Die französische Version erschien bereits 1990 im
Rahmen der Editions du Cerf (vgl. meine Besprechung in der
Deutschen Literaturzeitung 113, 1992, 4190, die spanische befindet
sich in Arbeit, die englische ist vor wenigen Monaten erschienen
. Ihr gilt im nachstehenden unsere Aufmerksamkeit.

Durch Verwendung eines größeren Buchformats und Einsatz
kleinerer Typen wurde es möglich, den Inhalt der drei italienischen
Bände unverkürzt in zwei Bänden zusammenzufassen.
Das wird möglicherweise die Benutzung erleichtern. Die Übersetzung
besorgte Adrian Walford in zuverlässiger Weise; daß
dabei einige (wenige) Lemmata englischsprachiger Bearbeiter,
die für die Erstausgabe italienisch versiert wurden, nunmehr ins
Englische zurückzuübersetzen waren, sei am Rande als Kurio-
sum bemerkt.

Die inhaltliche Betreuung der englischen Ausgabe hat W. H. C.
Frend, einer der Altmeister der britischen Patristik, übernommen
. Er sah seine primäre Aufgabe darin, das Opus grande bibliographisch
zu aktualisieren. Denn Di Berardino hatte sein
Manuskript im wesentlichen nach dem Forschungsstand von
1980 abgeschlossen; das darauffolgende Dezennium erwies sich
jedoch als recht ertragreich - erinnert sei nur an das Augustinju-
biläum von 1986. Es mußte daher sorgfältig ausgewählt werden,
wenn die rechte räumliche Relation zwischen den übernommenen
Texten und den bibliographischen Angaben gewahrt bleiben
sollte. Vorgenommene Stichproben zeigen, daß Frends vorsichtiges
Herangehen den angemessensten Lösungsweg darstellte.

Die Erwartung ist wohl nicht unberechtigt, daß das "Diziona-
rio patristico e di antichitä Christiane" in seiner englischen Fassung
und deren eingängigerem Titel "Encyclopedia of the Early
Church" den Kreis seiner dankbaren Benutzer noch erheblich erweitern
wird.

Berlin Johannes Irmscher

Markus R. A.: The End of Ancient Christianity. Cambridge-New
York-Port ehester Melbourne-Sydney: Cambridge University
Press 1990. XVII, 258 S. gr.8°.

Markus beschreibt den Wandel, der sich im Westen von der
etablierten Reichskirche des späten 4. Jh.s bis zur Zeit Gregors d.
Qr. vollzogen hat, und stellt damit wichtige Züge heraus, die den
Übergang von der Antike zum Mittelalter kennzeichnen. Die Arbeit
erweist sich als breite Auswertung der einschlägigen Schriften
der Kirchenväter. Die Thematik kreist um die Neubestimmung
des Verhältnisses von Himmel und Erde (heilige Orte) und
Vergangenheit und Zukunft (heilige Zeiten).

Eime der Hauptfragen, die die Zeit um 400 zu beantworten
Wtte, war die, was eigentlich als christlich zu gelten habe, ein
Leben in der assimilierten säkularen Kultur (Spiele, Theater,
Bäder etc.) oder aber die Abkehr von der Welt. Letzteres, die Askese
, wurde weithin zum Merkmal authentischen Christentums,
dagegen gab es verschiedene Versuche, den Graben zwischen

Mönchtum und Normalgemeinde zu schließen: Augustin von
dem Bewußtsein her, daß der Mensch ohnehin nicht vollkommen
und auf die Gnade angewiesen sei, Pelagius, indem er alle
Menschen zur Vollkommenheit ruft, Iovian u.a., indem sie die
Askese nicht als notwendigen Bestandteil mönchischen Lebens
ansehen. Wichtig ist vor allem Augustin darin geworden, daß er
das mönchische Ideal nicht als Askese, sondern als Liebe und
Eintracht des gemeinsamen Lebens bestimmt.

Mit dem Verlust der christlichen Euphorie, die noch die Generation
nach Theodosius bestimmte, entstand das Problem, das
Ideal einer Kirche, wie es in der Verfolgungszeit gesehen wurde,
zu beschwören. Dies geschah vor allem auch im Ausbau des Märtyrerkultes
mit der Schaffung eines Kalenders, der das heidnische
Jahr zu einem christlichen machte. Mit der Übertragung der Reliquien
von Gervasius und Protasius durch Ambrosius 386 und
weiterhin mit dem Einzug der Heiligen aus den suburbanen Kirchen
in die Städte werden die Kirchen zu Heiligtümern, deren berühmteste
, durch ein Netz von Wallfahrtswegen verbunden, eine
christliche Topographie ergeben, die die Welt der heidnischen
loca sacra ablöst.

Noch einmal setzt M. bei den mönchischen Idealen ein und
stellt die Verbindung von "Wüste" und Stadt als eine der bedeutendsten
Wandlungen der Spätantike heraus, von Augustin wie
von dem späten Cassian verfochten. Der Begriff der Kontemplation
wird in diesem Zusammenhang neu durchdacht. Er kennzeichnet
bei Cassian nicht mehr das Eremitentum, sondern das
Schriftstudium im Kloster. Dies führte besonders in Gallien
dazu, daß das Kloster zur Bildungsstätte eines bischöflichen Klerus
wird, der durch asketische und aristokratische Traditionen
geprägt ist. Das Bischofsamt als Monopol führender Familien
übernimmt im Zusammenbruch staatlicher Strukturen weltliche
Aufgaben und stellt den höchsten Rang im cursus honorum dar.

Die Hoffnungen auf die Wiederherstellung der Größe des Römischen
Reiches, die sich an Iustinian knüpften, fielen bald in
sich zusammen. Der Untergang der Alten Welt rief eschatologi-
sche Stimmungen hervor, es konnte allenfalls versucht werden,
Bildungsgüter, reduziert auf christliche Fragestellungen, in eine
neue Welt zu retten.

M. hat in der Analyse von Texten ein eindrückliches und differenziertes
Bild von zwei Jahrhunderten Kirchengeschichte gezeichnet
.

Besondere Beachtung verdienen zwei Exkurse zur Datierung
von Augustinschriften (121-123) und zur Datierung von Cas-
sians 13. ColIatio(177-179).

Greifswald Hans Georg Thümmel

Origenes: In Lucam Homiliae. Homilien zum Lukasevangelium.
1. Teilbd. Übers, u. eingel. von H.-J. Sieben. Freiburg-Basel-
Wien-Barcelona-Rom-New York: Herder 1991. 275 S. 8° =
Fontes Christiani, 4/1. Lw. DM 44,-. 2. Teilbd. 1992. VIII, S.
276-536. 4/2. Lw. DM 44,-.

Die Einleitung beginnt mit der Notiz des Humanisten Ambrosius
Traversari 1432: „Wir haben die von Hieronymus übersetzten
39 Homilien des Origenes zum Lukasevangelium gefunden.
Wir sind von einer so großen Freude darüber erfüllt, daß wir uns
jetzt reicher als Krösus vorkommen" (7). Von den Werken des
Origenes sind „leider nur Teile auf uns gekommen und diese wiederum
nur zum Teil im griechischen Original" (10). Die Lukas-
Homilien gehören wohl in die Jahre 233/34, wir haben vermutlich
„Notizen des Predigers selber" vor uns (31). Als Hörer
werden sowohl getaufte Christen wie auch Katechumenen angesprochen
(33). Vor dem Streit um die Rechtgläubigkeit des Origenes
hat Hieronymus diese Homilien ins Lateinische übersetzt.
Dabei gab es eine Konkurrenz zu Ambrosius, der 391 Homilien