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Ausgabe: | 1992 |
Spalte: | 749 |
Kategorie: | Neues Testament |
Autor/Hrsg.: | Gardner, Richard B. |
Titel/Untertitel: | Matthew 1992 |
Rezensent: | Broer, Ingo |
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749
Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 10
750
Gardner, Richard B.: Matthew. Scottdale, PA: Herald Press 1991.
446 S. 8 = Believers Church Bible Commentary. Kart. $
17.95.
Der Band umfaßt außer dem Kommentarteil und einer äußerst
knappen Einleitung, in der praktisch nur die Verfasserfrage abgehandelt
wird, folgende Abschnitte: Gliederung des ersten Evangeliums
(407-414), Glossar und Begriffserklärungen (415-429;
hier werden nicht nur solche Dinge, die man eigentlich in der
Einleitung erwartet hätte, wie z. B. die Quellen des Matthäus und
die speziellen christologischen Anschauungen dieses Evangeliums
behandelt, sondern auch der Begriff Christologie allgemein
und es gibt darüberhinaus z. B. auch einen Artikel „Weisheit",
der nur ganz geringe Bezüge zum Mt aufweist), Karten (4300,
eine deutlich auf den englischsprachigen Raum bezogene Bibliographie
(432-442) und "recommended ressources for personal
and group study" (443f)-
Innerhalb der Auslegung der Einzelperikopen gliedert der Vf.
seine Ausführungen wie folgt: Einführung (mit atl. Parallelen
oder solchen aus der Religionsgeschichte; Fragen des Zusammenhangs
innerhalb des ersten Evangeliums usw.), Gliederung
der Perikope, Einzelerklärung, das Verständnis des Textes im
Kontext der Bibel und im Leben der Kirche.
Der Kommentar ist für die praktische Arbeit, z. B. für die Leiter
von Sonntagsschulen gedacht. Es werden sowohl Gattungsfragen
behandelt und die zur jeweiligen Gattung gehörigen Einzelelemente
herausgearbeitet als auch atl. Vorbilder oder Parallelen
herangezogen, die sprachlichen Besonderheiten werden keineswegs
übergangen (vgl. etwa die Ausführungen zu Jungfrau/junge
Frau in Mt 1,23 oder die genaue Beachtung der sprachlichen Formulierung
in 1,25, die aber durch Mt 11,46 und 13,55f verein-
deutigt werde oder die Ausführungen zu Mt 27,62-66) und auch
die redaktionellen Motive des Mt werden deutlich herausgearbeitet
, wobei naturgemäß über die gewählte Akzentuierung gelegent-
'ich gestritten werden könnte.
Daß bei dem vom Vf. gewählten Aufbau bei der Erklärung der
Einzelperikopen Wiederholungen nicht zu vermeiden sind, versteht
sich fast von selbst, aber der Vf. faßt sich, wenn diese Gefahr
gegeben ist, in der Regel kurz. Bei der Frage nach dem biblischen
Kontext werden z. T. auch ferner liegende Fragen
aufgenommen, die nicht im Horizont des ersten Evangelisten liegen
, aber hierbei soll es ja auch um die Klärung gleicher oder ähnlicher
Ideen in anderen neutestamentlichen Schriften gehen. Die
^irkungsgeschichte der jeweiligen Perikope im Leben der Kir-
ehe wird ebenfalls berücksichtigt und natürlich auch nach der
Aussage des Textes für die heutige Zeit gefragt.
Siegen IngoBroer
Gräßer, Erich: An die Hebräer. 1. Teilbd.: Hebr 1-6. Zürich-
Braunschweig: Benziger; Neukirchen-Vluyn: Neukirchener
Verlag 1990. X, 388 S. gr.8' = EKK. Evang.-Kath. Kommentar
zum Neuen Testament, 17,1.
Seit fast drei Jahrzehnten hat sich E. Gräßer immer wieder mit
Beiträgen und Berichten entscheidend in die Hebräerbrieffor-
schung eingeschaltet. Als Frucht dieses langjährigen Bemühens
^scheint nun in der Reihe „Evangelisch-Katholischer Kommentar
" der erste Band seiner Auslegung jener ungewöhnlichen
Schrift, die für viele auch heute noch zu den großen „Rätseln"
des NT zählt. Auf 388 Seiten bietet G. dabei neben der Kommen-
'■erung von Hebr 1,1-6,20 auch die Einleitung in das Schreiben
.
Einleitungsfragen werden dabei gerade bei einem Kommentar
2um Hebr immer besonderes Interesse finden, weil der Ausleger
h'er jene beim Hebr so schwierigen Grundentscheidungen offenlegen
muß, die seine Auslegung bestimmen und hintergründig regulieren
. G. bietet diesen Einstieg in die Auslegung auf 38 Seiten
- knapp und sichtlich vom Bemühen getragen, verfestigte Positionen
durch den Aufweis übergreifender Horizonte wieder zu
„verflüssigen". Ganz in diesem Sinne vermerkt er, daß die weithin
aufgenommene Kennzeichnung als „zugesandte Predigt"
„zur Not" das literarische Erscheinungsbild des Hebr beschreiben
könne, ruft aber in Erinnerung, daß möglicherweise „keine
der geläufigen Gattungsbezeichnungen anwendbar" ist, „um das
literarische Genus des Hebr zu bestimmen" (15). Dies läßt auch
die Argumentation anders ausgerichteter Gattungsbestimmungen
ins Spiel kommen und für das Verständnis fruchtbar werden.
Das literarische Problem - „daß Hebr wie eine Abhandlung beginnt
, aber wie ein Brief endet und zwischendurch immer wieder
durch praktische Abzweckung unterbricht" (16) - ist nach G.
„wenn überhaupt, dann ... halbwegs nur dadurch lösbar, daß die
Nichtursprünglichkeit des Briefschlusses (13,22-25) nachgewiesen
wird." (160 Als entscheidendes Argument führt er an, daß
ein solcher „paulinischer Briefschluß" nicht mit der „gewollten
Anonymität" in 1,1-13,21 zusammengebracht werden und deshalb
als nachträglich hinzugekommen gelten könne. Damit ist in
einem nach wie vor kontrovers diskutierten Bereich der Hebr-
Forschung klar Stellung bezogen, und man darf auf die nähere
Argumentation zu Kap. 13 im zweiten Band gespannt sein, auf
die G. in diesem Zusammenhang verweist. Mit Nachdruck warnt
der Kommentar vor allen Versuchen, das historische Rätsel des
Hebr kurzschlüssig mit klaren Zuordnungen auflösen zu wollen.
„Die unlösbare und bis heute ungelöste Autorfrage hat zu keiner
Zeit ein hermeneutisches Problem dargestellt." (19) Da die Gesamtanlage
des Schreibens daraufhindeute, daß der Vf. aus theologischen
Gründen bewußt anonym bleiben wolle, erscheine das
Nachdenken über den Vf. für „ das innere, theologische Verständnis
... eher abträglich als zuträglich." (22) Als ebenso unlösbar
wird die Frage nach dem Ursprungs- und Zielort des Hebr beurteilt
. Lediglich für die Abfassungszeit läßt sich nach G. mit einiger
Gewißheit eine Aussage verantworten: „... in den achtziger
oder neunziger Jahren" (25). Als theologische Zielsetzung stellt
G. völlig zu Recht die kulttheologisch ausgeführte soteriologisch-
paränetische Auslegung der überkommenen Christologie heraus.
Ausgesprochen glücklich und zugleich aktuell erscheint das Resümee
: „Geschärfte theologische Denkanstrengung wird eingesetzt
gegen den kirchlichen Niedergang. Bessere Theologie und
nichts als bessere Theologie. Ein denkwürdiger Vorgang, der
seine Wirkungsgeschichte immer wieder neu vor sich hat." (27)
Von der Komposition her sieht der Kommentar den Hebr am ehesten
in einem dreigliedrigen Aufbau organisiert: A Grundlegung:
Der Weg des Erlösers 1,1-6,20; B Entfaltung: Das Hohepriester-
tum des Sohnes 7,1-10,18; C Folgerungen: Der Weg des Glaubens
10,19-13,21. Der erste Hauptteil des Hebr, dessen Auslegung
dieser erste Band bietet, gliedert sich nach G. in vier
Unterabschnitte: I. Der Sohn und die Söhne 1,1 -3,6; II. Das wandernde
Gottesvolk 3,7-4,13; III. Das hohepriesterliche Amt Jesu
4,14-5,10; IV Die Vorbereitung des Christus-Logos 5,11-6,20.
Damit ist grundsätzlich auf Gliederungsansätze und Zäsuren
Bezug genommen, die sich in der Hebr-Forschung mehr und
mehr etabliert haben, aber doch von der durch W. Nauck und O.
Michel angestoßenen Form der Dreiteilung abgerückt. Die nach
wie vor weitverbreitete Meinung, der Mittelteil des Hebr sei
durch 4,14-16 und 10,19-31 als thematische Klammern zusammengehalten
, lehnt G. ab, weil „eine bloß dynamische und konzentrische
Fortentwickung des Gedankenganges der anspruchsvollen
Kompositionstechnik" des Vf.s nicht gerecht werde (241).
4,14-6,20 erscheine so deutlicher als „Zwischenstück", „das die
beiden christologischen Abschnitte 1,1-3,6 und 7,1-10,18 miteinander
verbindet" (241). Dies ist ohne Zweifel eine wichtige
Orientierung. Von der Gegenposition her wird freilich weiter dar-