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1992

Kategorie:

Bibelwissenschaft

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 10

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vorgehoben sei die eindeutige Bewertung der Bileam-Inschrift als
„nicht auf eine (auch ethnisch-sprachlich verstandene) israelit.
Sprachgemeinschaft" zurückgehend (71). Ist der folgende Satz
richtig: „Eine andere Frage ist, wie man die politischen Beziehungen
des Fundorts vom Nordstaat Israel z. Z. der Schriftabfassung
beurteilt..."? Müßte es nicht heißen: „zum Nordstaat Israel
"?

M. Küchler hat mit dem Artikel „ Heiliges Grab" (89-93) eine
hervorragend kritische Abhandlung zur Geschichte der Grabestradition
in Jerusalem vorgelegt, die beispielhaft das Problem der
Lokalisierung biblischer Berichte und der Bedeutung solcher Lokalisierung
für den Glauben behandelt.

Ich darf fragen, warum G. Wanke in seinem Artikel „Heilserwartung
(I)" (99-101) alle apokalyptischen Aspekte beiseite läßt.
Der in Sp. 100 genannte Zusammenhang wird leider nicht ausgeführt
.

B. J. Diebner hat einen Artikel „Heilsgeschichte" vorgelegt
(104-108), dem ich nur zustimmen kann. Leider beendet der Vf.
seinen Abschnitt (III) mit dem Hinweis auf ein grundlegendes
Problem, das dann doch nicht weiter bearbeitet wird. Hier kann
er wohl nur die Aufgabe der neuen „Beurteilung einer traditionellen
, vorwissenschaftlichen Geschichtshermeneutik" benennen
(105). Erhellend sind die knappen Feststellungen zu den
heilsgeschichtlich fundamental verschiedenen Konzepten der
christlichen und der jüdisch-rabbinischen Bibel (106).

Die von K. Brodersen zum „Hellenismus" vorgelegten Informationen
(113-116) sind mir für die Zeit des Antiochos IV. doch
etwas zu knapp und damit mißverständlich. So war z. B. die Akra
nicht lediglich eine Burg.

Zwei Fehler sind mir aufgefallen: 108 muß es doch wohl nae-
daer statt naedaeer heißen. 128 ma-ranatha muß doch wohl mar-
anatha abgetrennt werden.

Eisenach Rainer Stahl

Lang, Bernhard: Die Bibel. Eine kritische Einführung. Paderborn
-München-Wien-Zürich: Schöningh 1990. 256 S. kl.8" =
UTB für Wissenschaft: Uni-Taschenbücher, 1594. Kart. DM
24,80.

Der Vf. hat seine vor zehn Jahren vorgelegte Einführung in die
kritische Lektüre der Bibel: Ein Buch wie kein anderes für die
Reihe UTB überarbeitet und ergänzt. Absicht und Aufbau sind
erhalten geblieben, auch der Stil der Darstellung. Das Buch will
informieren über Grundlagen, Methoden und Ergebnisse der historisch
-kritischen Exegese und über die dadurch hervorgerufene
Auseinandersetzung um grundlegende theologische Fragen; es ist
dabei auf „die besonderen Bedürfnisse von Studierendender Katholischen
Theologie" zugeschnitten. Dem Selbstverständnis des
Vf.s nach ist es eine „schlichte Einführung", die freilich „dem
kritischen Geist meiner Lehrer und Freunde... verpflichtet"
bleibt. In drei Teilen wird informiert über die Entstehungsgeschichte
der Bibel, die Ursprachen und Handschriften, dann über
die Geschichte und die Ansatzpunkte historisch-kritischer Exegese
und schließlich über die kirchliche Auseinandersetzung um
diese Art kritischen Umganges mit der Bibel. Gut lesbar bietet
das Buch eine Fülle von Informationen, ohne Leserinnen und
Leser durch Anmerkungen ständig in komplizierte Auseinandersetzungen
zu verstricken; dafür gibt ein kommentiertes Literaturverzeichnis
Hinweise, wie wichtige Fragen weiter zu verfolgen
sind.

Natürlich verfolgt solch ein Buch auch kirchenpolitische Ziele:
Wenn es „der kritischen Lektüre der Bibel in Kirche, Hochschule
und Geistesleben einen selbstverständlichen Platz... sichern"
will, ist das auf dem Hintergrund gegenwärtiger dramatischer
Disziplinierungsvorgänge gerade keine Selbstverständlichkeit.

Deshalb ist es zu verstehen, wenn der Vf. bestimmte Namen und
Themen meidet. Trotzdem ist zu fragen, ob das Buch dann noch
seine Aufgabe erfüllen kann. Zu einer Information über historisch
-kritische Arbeit an der Bibel gehört nicht nur die Auseinandersetzung
mit den Einwänden eines konservativen oder fundamentalistischen
Schriftverständnisses, sondern jedenfalls auch
mit der heute unüberhörbar breiten Kritik an dem naiven Alleinvertretungsanspruch
der historisch-kritischen Exegese. Immerhin
gibt es seit mehr als zwanzig Jahren den ausdrücklich erklärten
„Bankrott" der historisch-kritischen Exegese (Walter Wink)
und ein ganzes Bukett anderer Methoden, die deren Unzulänglichkeiten
überwinden und wissenschaftlicher Reflexion durchaus
standhalten. Mir ist nicht ganz verständlich, wie es heute
noch möglich sein kann, nach den Einsichten der Textlinguistik
oder auch nur der neueren Literaturwissenschaft so ungebrochen
die ganze Exegese auf die Aussageabsicht eines biblischen Autors
abzustellen (182). Die Formulierung „was der biblische Autor...
sagen wollte" (176) zeigt die geläufige Unterstellung, daß die biblischen
Autoren insgesamt nicht dazu fähig waren, wirklich zu
sagen, was sie meinten und daß erst die Exegeten ihnen zu exakten
Formulierungen verhelfen müssen. Er kann das, weil er „unvoreingenommen
" (174) an die Texte herangeht - wer soll das
heute noch glauben? Zu seiner Entlastung schlägt der Vf. jede
„ referentiell orientierte" (181) Auslegung (also auch jede kontex-
tuelle Exegese) auf die fundamentalistische Seite. Doch die Lok-
kerheit, mit der er mit den biblischen Autoren umgeht (z. B. 182
oben), verletzt nicht nur Fundamentalisten, sondern gerade auch
die, für die das besondere Gewicht der biblischen Worte in ihrer
tiefen Menschlichkeit begründet liegt. Und wenn dann noch der
Anspruch der Bibel, daß mir in diesem durch und durch menschlichen
Wort Gottes Wort begegnet, auf die Augenblicke begrenzt
wird, in denen es mich „ergreift" (208) und wenn es abseits dieser
Erfahrung gar „ als menschliches Lügenwort" (209) behandelt
wird wie die Worte des Hananja (Jer 28,15), dann sind hier doch
wohl theologisch unzulängliche Kategorien im Spiel.

Diese Ungebrochenheit beherrscht nicht nur die Inhalte, sondern
auch die Art ihrer Darbietung. Was will denn eine solche
Einführung in die Bibel eigentlich leisten? Will sie rasch orientieren
, so daß die Gebildeten unter ihren Verehrern und Verächtern
jedenfalls einen Eindruck bekommen von dem immensen wissenschaftlichen
Aufwand, der um die Bibel veranstaltet wird?
Müßte sie nicht in einer Zeit, in der die Kirche nur als „Lerngemeinschaft
" (Albrecht Schönherr) lebensfähig bleibt, einen Zugang
zur Bibel eröffnen, der auch den Nicht-Spezialisten (sprich:
Laien) eine Basis schafft, sich mit dem nötigen Nachdruck in das
Gespräch der Experten einzuschalten? Auf allen Arbeitsfeldern
des konziliaren Prozesses haben die Basisgruppen ihre Fragen
erst mühsam gegen die Spezialisten durchsetzen müssen, und
ohne die Argumente der Bibel gäbe es diesen Prozeß erst gaf
nicht. Ist das schon fundamentalistisch gedacht? Ich denke, die
Arbeit an der Bibel als einen lebensnotwendigen Lernprozeß
auch didaktisch zu reflektieren, ist der vollkommene Gegensatz
zu einem fundamentalistischen Umgang, freilich auch zu den
scheinbar so selbstverständlichen Voraussetzungen historischkritischer
Exegese und jedenfalls notwendig, wenn die Einführung
wirklich zu einem vertieften, selbständig entdeckenden Lernen
an der Bibel führen soll: zu der dringend erforderten
biblischen Kompetenz der Laien.

Siegen Ingo Baldermann

Aletti, Jean-Noel: Exegese biblique et semiotique. Queis enjeux? (RSR
80, 1992,9-28).

Annual of the Japanese Biblical Institute Volume 17, 1991 (AJBI)
Gourgues, M.: Le Pere prodigue (Lc 15,11-32). De l'exegese ä l'actuaÜ-
sation (NRTh 114, 1992, 3-20).