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Ausgabe:

1992

Spalte:

734-735

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Titel/Untertitel:

Neues Bibel-Lexikon ; Lfg. 6 1992

Rezensent:

Stahl, Rainer

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 10

734

stellte hermeneutische Ansatz zur Erschließung zweier biblischer
Texte leistet und den Ertrag der Auslegungen vergleichen. Eben
dies tut auch der Vf., indem er am Ende eines jeden Kapitels die
..Chancen", aber auch die „Grenzen" des beschriebenen Weges
kritisch würdigt und Vergleiche zu anderen Wegen der Auslegung
zieht. Eine kurze Auflistung der Bücher, auf die sich die Darstel-
'ung stützte, rundet jedes der 13 Kapitel ab, während ein ausführliches
Literaturverzeichnis zur Exegese und zu Fragen der
Hermeneutik am Schluß des Buches steht. Wer sich schnell
zurechtfinden möchte, sei auch noch auf die „Steckbriefe" im
Anhang verwiesen, in denen die 13 hermeneutischen Modelle
noch einmal in Kurzform zusammengefaßt werden.

Das vorliegende Werk ist für Praktiker geschrieben, die in der
Gemeinde, in der Schule und der Erwachsenenbildung mit der
Vermittlung biblischer Überlieferung betraut sind und nach
neuen, erfahrungsorientierten Wegen suchen. Doch es ist zugleich
ein wissenschaftliches Buch, das die in unterschiedlichen
wissenschaftlichen und praktischen Arbeitsfeldern in neuerer
Zeit entwickelten Wege der Bibelauslegung kritisch reflektiert,
auf ihre hermeneutischen Vorgaben hin bedenkt und in den wissenschaftlichen
Diskurs einbringt. Daher geht dieses Buch auch
die traditionelle wissenschaftliche Exegese an. Auch sie wird
nach ihren hermeneutischen Vorgaben gefragt und in die kritische
Auseinandersetzung mit hineingezogen. An zwei Punkten
sei dies näher beleuchtet.

Wichtig und interessant scheint mir, wie die historischkritische
Exegese in dem vorliegenden Buch angesprochen und
verarbeitet wird. Sie ist das Auslegungsmodell, das der Vf. an erster
Stelle und am ausführlichsten darstellt. Doch neben ihr werden
gleichzeitig auch noch zwölf andere Wege vorgestellt. Die historische
Kritik ist also nicht der einzige Weg, der in die Bibel
führt. Ihr stehen andere Zugänge ergänzend und korrigierend an
der Seite. Ausführlich werden die Vorzüge, aber auch die Nachteile
, die positiven Funktionen, aber auch die möglichen negativen
Auswirkungen dieses hermeneutischen Ansatzes dann unter
der Überschrift „Chancen und Grenzen" (87-93; vgl. auch 409)
diskutiert. Unaufgebbar ist die historische Kritik darin, daß sie
die Bibelauslegung vor dogmatischer Bevormundung und vor
subjektiver Willkür schützt, unverzichtbar ist, daß sie die Fremdheit
der Texte und ihre Widerständigkeit bewahren hilft. Doch
kann sie die Bibel für die heutigen Hörer öffnen? Kann sie die lebend
ige Anrede der Texte vermitteln? Oder bringt sie die Texte in
eine solche Ferne, versetzt sie Leser und Hörer so sehr auf Distanz
, daß eine Direktbegegnung mit dem Text heute kaum mehr
gelingt? Das Fazit der Analyse Bergs lautet: Die historisch-
kritische Auslegung ist „eine unentbehrliche Hilfswissenschaft
für ein erfahrungsbezogenes Verständnis der Schrift" (409).
» Kein Ausleger kann ganz auf sie verzichten, kann sich aber auch
nicht mit ihr zufriedengeben" (ebd.). Die kritische Exegese muß
»durch andere Verstehenswege ergänzt werden" (93)

Damit ist das Problem in den Blick gerückt, das als Ausgangspunkt
und Hintergrund Horst Klaus Bergs Untersuchungen bestimmt
: der „Erfahrungsverlust" der Bibel, ihr „Realitäts-" und
»Relevanz-Verlust". Das Wort des Herrn, von dem es im Jere-
^iabuch heißt, es sei „wie Feuer" und „wie ein Hammer, der
Felsen zerschmeißt" (Jer 23,29), ist uns stumm geworden, weil
d'e Bibel unsere Erfahrungen nicht mehr trifft, weil Leser und
Hörer nicht mehr unmittelbar in ihrer Erfahrung angesprochen
Verden;.....das neue Leben wird nicht glaubhaft, weil es sprachen
und stilistisch als Greis daherkommt" (Paul Konrad Kurz.
Stiert bei Berg, S. 16 und 366).

..Erfahrung" ist der Leitbegriff, der den Gang der Untersuchungprägt
. Der Zusammenhang zwischen „Alltags-Erfahrung",
»religiöser Erfahrung" und „christlicher Erfahrung" wird bereits
arn Anfang des Buches (23-35) reflektiert. Auf die Frage hin, wo
Und in welcher Weise Erfahrungen in den besprochenen Auslegungsmodellen
zum Zuge kommen (in der Beachtung der Ursprungssituation
eines Textes, seiner Wirkungsgeschichte oder in
der Gegenwart), werden die dargestellten Konzeptionen am Ende
noch einmal gesichtet (407-422). Als „erfahrungsbezogene,
mehrdimensionale Auslegung" stellt Berg schließlich seinen eigenen
Weg vor (442-449). Dabei wird nicht der Glaube in menschliche
Erfahrungen aufgelöst. Es bleibt als Einsicht aufgehoben,
daß christliche Erfahrung meistens als „Gegenerfahrung" zu unseren
Alltagserfahrungen und allgemein religiösen Erfahrungen
in den Blick tritt und daß erfahrungsbezogene Lektüre in den biblischen
Texten zumeist „Gegenwelten" erkennt. Doch mit diesem
Leitbegriff wird festgehalten, daß die Bibel nicht zuerst ein
Lehrbuch ist, sondern ein Lebensbuch, daß es in ihr nicht primär
um Lehrsätze geht, sondern um Befreiungsgeschichten, daß unsere
Erfahrungswelt mit einer Gegenwelt konfrontiert wird.

„Wege lebendiger Bibelauslegung" sollten vorgestellt werden.
Vermögen die dargestellten Ansätze und Methoden die Wirkkraft
des biblischen Wortes tatsächlich zurückzuholen? Der Leser
bzw. die Leserin wird nicht jedem der dargestellten Wege unbedingt
folgen wollen. Skepsis bleibt angezeigt. Aber das weiß auch
der Vf., „daß der biblische Text letztlich unverfügbar bleibt"
(40). Eben darum redet Horst Klaus Berg einer „mehrdimensionalen
Bibelauslegung" das Wort. Es kann heute keine hermeneutische
Konzeption mehr einen Alleinvertretungsanspruch erheben
und sich für den einzig möglichen und erlaubten Weg zur
Bibel halten. Alle dargestellten Auslegungsweisen, so verschieden
sie auch in ihren Ansätzen, Fragestellungen und Methoden sein
mögen, bereichern und ergänzen sich gegenseitig. Jeder der dargestellten
Wege „hält neue faszinierende Sichtweisen, überraschende
Erkenntnisse, produktive Verunsicherungen bereit - das
wollte dies Buch zeigen" (499). Ich denke: das ist ihm auch gelungen
.

Lage-Hörste Gisela Kittel

Görg, Manfred, u. Bernhard Lang [Hg]: Neues Bibel-Lexikon.
Lfg. 6: Haar-Herr. Zürich: Benziger 1991. 128 Sp. 4°. DM
38,-.

Mit dieser sechsten Lieferung wird Band II des Neuen Bibel-
Lexikons eröffnet. Erneut liegen hervorragend erarbeitete Artikel
zu einer Fülle von Themen vor. Diese Rezension kann wieder
nur auf einige ausgewählte Fragen eingehen.

Im Artikel „Handel" von W. und L. Schottroff hätte ich zu 1.3
(30) noch einmal auf Zef 1,11 hingewiesen, wo ja der Begriff
„Volk Kanaans" - „Handelskanaanäer" mit vielleicht negativer
Wertung verwendet wird.

Der wichtige Artikel „Handschriften der Bibel (I)" von E.
Würthwein (31-35) provoziert drei Fragen: Ist es wirklich erwiesen
, daß Qumran eine Essener-Siedlung war? Hier hätte ich mir
eine knappe Begründung dieser (immer umstritteneren) These
gewünscht. Zu 1 lQPs" erneuere ich meine Meinung, daß es sich
hier weder „um eine selbständige, von der kanonischen abwei-
chende[n] Psalmcnsammlung... [noch]... um eine Zusammenstellung
zu liturgischen Zwecken..., sondern um eine vorkanonische
Psalmensammlung handelt (vgl. ThLZ 114 [1989] 723).
Kann heute noch so selbstverständlich und kommentarlos von
der „ Synode von Jabne (Jamnia)" geredet werden, ohne näher zu
erklären, was unter dem Begriff „Synode" zu verstehen sei?

Ergänzend füge ich zu den dem Artikel „Hebräerbrief" von P.
Trümmer folgenden Kommentaren noch den neuesten an. den
der Vf. noch nicht hat kennen können: H.-F. Weiß, KEK 13,
1991.

Der grundlegende Artikel „Hebräisch" von H. Irsigler (69-81)
ist dem linguistischen Konzept verpflichtet und vermittelt deshalb
eine Fülle von wichtigen Anregungen. Müssen deshalb aber
Abkürzungen eingeführt werden, ohne sie je zu deuten (73)? Her-