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1992

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 9

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chen Texte aus dem ursprünglichen Kontext in unsere heutige
Welt zu überführen.

Grundtvigs Beziehung zu Irenaus von Lyon und der englischen
Dichtung des frühen Mittelalters werden im Anschluß behandelt.
Die Nähe zwischen Grundtvig und Irenäus beruht auf ihrer
Frontstellung. Während sich Irenäus gegen das Gottesbild der
Gnosis wehrt, lehnt Grundtvig in scharfer Form die Theologie
des Rationalismus ab und setzt ein Gleichheitszeichen zwischen
Rationalismus und Gnosis im Blick auf das Gottesbild.

Neben einer phänomenologischen Mythos-Definition hält der
Autor fest, daß Mythen wesentliche Wahrheit über des menschliche
Dasein enthalten, die etwas anderes beinhalten als die
Wahrheit, die den positivistischen Wissenschaften entlehnt ist.
Hierbei muß es sich aber nicht notwendig um einen Kontrast
handeln, statt dessen spricht der Autor von einer „freundlichen
Wechselwirkung", die dem Dialog und Gespräch förderlich ist.
Die Modernität kann dann Seite an Seite mit der mythischpoetischen
Bildersprache in einem Supplierungsverhältnis
leben.

Die eingehenden Problemanalysen, die den Wert des Buches
ausmachen, lassen den Leser schmerzlich eindeutigere Konklusionen
des Autors vermissen, die sich dieser durch fächerübergreifende
Weiterarbeit am Thema erhofft. Eine Konkretisierung,
wie die „freundliche Wechselwirkung" von mythisch-poetischer
Bildersprache und Modernität im theologischen Diskurs fruchtbar
gemacht werden kann, bleibt der Autor schuldig.

Ryc Helge Baden-Nielsen / Rüdiger Becker

Beliringer. Wolfgang: Von Adam Tanner zu Friedrich Spee. Die Entwicklung
einer Aigumcntationsstralegic (1590-1630) vor dem Hintergrund
zeitgenössischer gcsellschaftlcr Konflikte (GuL 65. 1992, 105-121).

Ebeling, Gerhard: Genie des Herzens unter dem genius saeculi. Johann
Caspar Lavatcr als Theologe (ZThK 89. 1992, 59-97).

Hcngel, Martin: Bischof Lightfoot und die Tübinger Schule (Theologische
Beiträge 2.1. 1992. 5-33).

Kuppler, Benno: Die Sache Jesu braucht Begeisterte. In memoriam P.
Oswald von Ncll-Brcuning S.I (1890-1991) (ZKTh 114. 1992. 66-70).

Parmentier, Martin: Trying to unravcl Jacobi's unknown Crccd (CPL
1 752) (Bijdr. 52. 1991.354-378).

Sturm. Erdmann: „Christus non est otiosus" Theologie und Politik bei
Hans Joachim lwand (Berliner Theologische Zeitschrift 9. 1992. 87-106).

Threinen, Norman J.: Friedrich Brunn. Erweckung und konfessionelles
Luthertum (LuThK 16. 1992. 29-47).

Systematische Theologie: Allgemeines

Baur, Wolfgang-Dieter: Johann Georg Hamann als Publizist.
Zum Verhältnis von Verkündigung und Öffentlichkeit. Berlin-
New York: de Gruyter 1991. XI, 393 S. gr.8 - Theologische
Bibliothek Töpelmann, 49. Lw. DM 128,-.

Johann Georg Hamann war nicht nur der Autor zeitbewegender
Schriften und eines ungewöhnlich ausgebreiteten Briefwechsels
, sondern auch publizierender „Zeitungsschreiber", wie man
das im 18. Jh. nannte, und wenigstens zeitweise auch Redakteur
der „Königsbergschen Gelehrten und Politischen Zeitungen".
Diese publizistische Seite seiner Wirksamkeit ist zwar in der
Literatur zur Geschichte der Publizistik hin und wieder bereits
beachtet und disutiert worden, hatte aber von Seiten der
Hamannforschung noch keine intensivere und monographische
Behandlung erfahren. Die Tübinger, durch Oswald Bayer angeregte
Dissertation von Wolfgang-Dieter Baur (vgl. auch das

Selbstreferat ThLZ 116, 1991, Sp. 711/12) erfüllt deshalb ein bestehendes
Forschungsdesiderat.

Neben einer frühen Beteiligung an einer Moralischen Wochenschrift
namens „Daphne", die sich vorzugsweise an weibliche
Leserinnen wandte, veröffentlichte Hamann zunächst 1760
einige Beiträge in Hartungs „Wöchentlichen Königsbergischen
Frag- und Anzeigungsnachrichten". Die recht ehrenvolle Aufforderung
zur Mitarbeit an Lessings „ Briefen, die neueste Literatur
betreffend" schlug er aus: „Kein Freygeborner nimmt Dienste in
einer fremden Rotte von Unbekannten". Als Johann Jakob Kanter
dann 1763 das Privileg zur Herausgabe der „Königsbergischen
Gelehrten und Politischen Zeitungen" erhielt, ließ Hamann
sich - etwas stöhnend - Anfang 1764 als Redakteur für den
gelehrten Teil gewinnen. Leitender Redakteur war er nur drei
Monate lang. Seine „Ankündigung" im ersten Stück der Zeitung
ist von hoher publizistikgeschichtlicher Relevanz. Die Autoren
(u.a. Kant, Hippel, Scheffner) konnten sich sehen lassen. Die Bezieher
der Zeitung aber schwanden. Hamann trat aus der Redaktion
aus, lieferte jedoch bis 1779 immer wieder einmal Beiträge
oder Rezensionen. Da die meisten Hamannschen Beiträge um
theologische Themen kreisen, nennt Baur ihn einen „Rcligions-
publizisten". Dessen Eigenart will er untersuchen.

Dies geschieht zunächst in einer ausgebreiteten Schilderung
der gesamten publizistischen Tätigkeit Hamanns. Danach werden
die wichtigsten Rezensionen Hamanns (Robinet, Arnoldt,
Michaelis, Kant, Steinbart, Reiche, Nösselt und Holbach) durchgesprochen
. Anschließend liefert Baur eine umfassende Behandlung
der Themen „Öffentlichkeit" und „Publikum" in zeitgenössischer
Sicht und in Hinblick auf die Art, in der Hamann sich
dazu ins Verhältnis setzte. Abschließend und zusammenfassend
wird über „Hamann als Religionspublizist" gehandelt.

Zu den Rezensionen insgesamt meint Baur, „daß der mikrologische
Bezug auf die von Hamann besprochenen Texte ebenso
wie die Modifikation des Zitats, bei allem spielerischen Anschein
, der präzisen Sachkritik gelten" (249). In Sachen „Öffentlichkeit
" und „Publikum" ergibt sich, daß das Ziel Hamannscher
Publizistik „nicht die Extensivierung der öffentlichen
Diskussion auf alle Bereiche des Lebens, sondern die Intensivierung
der Kommunikation im Blick auf das von einer .kritischen
Öffentlichkeit' nicht für kommunikabel gehaltene .Geheimniß
des Himmelreichs'" (296) gewesen sei. Zu Hamanns „Religionspublizistik
" heißt es, sie enthalte „Anregungen zu einer kommunikativen
Form der Verkündigung", weil Hamann „das Medium
der Publizität... so gebraucht" habe, „daß es zugleich in seinen
kommunikativen Möglichkeiten und Grenzen durchschaubar"
(352) werde und weil er „den Leser so in das Mitzuteilende hin-
einzuverwickeln" gesucht habe, „daß gängige Antworten im
Sinne des Zeitgeistes unmöglich werden und zumindest ein Prozeß
weiterfragenden Suchens nach Wahrheit" (338) in Gang
komme. Die Dialektik ist außerordentlich. Hamann arbeitet
darum wissend im Medium einer Publizistik, die Öffentlichkeit
im Sinne von vernunftgemäßer Allgemeingültigkeit für gegeben
hält, setzt, indem er in diesem Medium arbeitet, deren Anspruch
außer Geltung und Kraft und konstituiert zugleich eine Art von
freier und kommunikativer Öffentlichkeit, die dem „Geheimnis,
das im Verborgenen liegt" aufgeschlossen zu sein vermag. Auf
jeden Fall also ist er dem Problem von Freiheit und Öffentlichkeit
, das auch heute noch bewegt, ziemlich nahe gewesen.

Baurs Hamannkenntnisse sind zuverlässig und seine Analyse11
tragfähig. Die Einzelkommentierung der Rezensionen bringt
einen wichtigen ergänzenden Beitrag zur Hamannforschung. D'e
Teile der Arbeit zur Öffentlichkeit und zur Religionspublizistik
hätten wohl noch engerauf die Teile zur publizistischen Tätigkeit
und zu den Rezensionen zurückgreifen können, aber man versteht
, daß diese letzten Teile umfassender ansetzen müssen. I"1
dem mit Hamann als Religionspublizist befaßten letzten Teil der