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Ausgabe:

1992

Spalte:

683-684

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Axt-Piscalar, Christine

Titel/Untertitel:

Der Grund des Glaubens 1992

Rezensent:

Peiter, Hermann

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Seite 1

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683

Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 9

684

Dogmen- und Theologiegeschichte

Axt-Piscalar, Christine: Der Grund des Glaubens. Eine theologie-
geschichte Untersuchung zum Verhältnis von Glauben und
Trinität in der Theologie Isaak August Dorners. Tübingen:
Mohr 1990. VIII, 264 S. gr.8' = Beiträge zur historischen Theologie
, 79. Lw. D 138,-.

Diese für den Druck nur geringfügig veränderte Münchener
Dissertationsschrift (Gutachter: W. Pannenberg und T. Rend-
torff) zeichnet sich durch hohes Niveau aus. Da das einem kundigen
Leser auf Anhieb auffallen dürfte, kann ich mich hier auf
einige Fragen beschränken, die ein wenig in Vergessenheit geraten
zu sein scheinen.

Im 1. Kapitel („Dorners Lehre vom Glauben") erfährt man,
Dorner (=D.) wolle den Begründungszusammenhang der Theologie
als Theorie des Absoluten durchführen (91). Das sei eine
prinzipielle Aufhebung des Ansatzes Schleiermachers, dessen
Selbstbewußtsein (das bestimmte Selbstbewußtsein bezeichnet
nach KGA 1/7, 3, S. 30 Nr. 110 immer ein Verhältnis zu einem
Anderen) Axt-Piscalar (= A.) als „religiöse Subjektivität" mißversteht
(37). Nach Schlcicrmachers Glaubenslehre (=CG)7 ij 15
nimmt der Mensch auch (um diesen Ausdruck einmal zu verwenden
) „objektive" Größen wie das Vaterland und die Welt in sein
Selbstbewußtsein auf.

Im 2. Kapitel („Die Wiederaufnahme der immanenten Trini-
tätslehre nach Schleiermacher") steht zu lesen, die Endstellung
der Trinitätslehre in Schleiermachers Glaubenslehre, deren, um
mit Schlciermacher zu reden, wahrer Schlußstein die Lehre von
der Dreieinigkeit ist (CG1 ed. Peiter 2, 357, 60, sei ein Ausdruck
ihrer bloß marginalen Bedeutung (96). Im 3. Kapitel geht A. auf
Liebners Trinitätslehre und auf Rothes trinitarische Metaphysik
der Persönlichkeit Gottes ein. Das Erfrischendste im 4. Kapitel
(„Probleme bei der Durchführung der Trinitätslehre") ist ein
Fichte-Zitat aus den Jahre 1798 in Sachen Persönlichkeit und Bewußtsein
Gottes („ihr habt nicht, wie ihr wolltet, Gott gedacht,
sondern nur euch selbst im Denken vervielfältigt", 157.
165.193).

Das 5. Kapitel („Dorners Trinitätslehre und allgemeine Gotteslehre
") gibt Aufschluß darüber, daß D. sich gegen Schleiermacher
wendet, der ein Sein Gottes in Christus behaupte, ohne der
Annahme ewiger Sonderungen in Gott zu bedürfen (171). Statt
dessen fordert D.. das Rechtfertigungsprinzip durch die Trinitätslehre
auf eine „objektive" Basis zu stellen (171). Der Forderung
Schleiermachers nach einer evangelischen Neubearbeitung
der kirchlich etablierten Trinitätslehre meint D. mit dem (problematischen
) Hinweis darauf genügt zu haben, der evangelische
Glaube sei wesentlich eine ethische Größe, eine sittliche Tat des
Subjekts (173, 290-

Für Schleiermacher ist die ganze Dreiheit der offenbare, das
göttliche Wesen an und für sich in seiner Einheit der verborgene
Gott (vgl. KGA I /10, 290, 1-3). Dieses Geheimnis wird bei D.
schwerlich gewahrt. Den vom offenbaren Gott prädizierten
Eigenschaften müsse in Gott selbst Realität zukommen (198).
Anderenfalls käme man auf einen Gottesbegriff, der wie die unendliche
Leere dastehe und vom Nichts kaum zu unterscheiden
sei (198). D. will also, um mit Schleiermacher zu reden, eine
schulgerechte Erklärung Gottes an die Stelle seiner Unaussprechlichkeit
setzen (CG1 1, 188,230-

Was die vermeintliche „Leere" betrifft, findet Schleiermacher
in Gott keine Leere, sondern die Ursächlichkeit (die unserer Abhängigkeit
entspricht) (CG1 ed. Peiter 1, 191, 330- D. hat nicht
beachtet, daß sich aus der Wirkung niemals das Wesen dessen,
was die Kausalität ausgeübt hat, erkennen läßt (CG1 1, 192,6-8).
Daß Schleiermacher die göttlichen Eigenschaften auch „in Gott"
betrachtet, zeigt sich in CG1 §65, wo es heißt, Gott sei allmächtig
-ewig oder ewig-allmächtig usw. Ebenso rennt D. offene Türen
ein, wenn er fordert, daß die Lehre von Gottes „Wesen und seinen
Eigenschaften ... in Eins zu bilden" sei (198). Sagt Schleiermacher
in CG1 § 183 etwa nur: „Gott hat Liebe"? Sagt er nicht
vielmehr: „Gott ist die Liebe"? Eine göttliche Eigenschaft, die
ein Ausdruck des göttlichen Wesens sein soll, muß an die Stelle
des Namens selbst gesetzt werden können (CG1 2, 348, 31 ff)- Hat
die „allgenügsame Selbstliebe" bzw. die heilig zu sprechende
„Selbstbehauptung" einer allzu menschlichen Persönlichkeit
den Rang eines göttlichen Namens (215. 181. 186)?

D. führt die allgemeine Gotteslehre insgesamt als einen groß
angelegten Gottesbeweis durch (201 0 • Für Schleiermacher hat
Dogmatik nicht die Anerkennung des Gottesbewußtseins zu bewirken
, sondern nur den Inhalt desselben zu entwickeln (CG 7 1,
178). Das mißversteht A. dahingehend, als solle das fromme
Selbstbewußtsein als Ersatz jedweder Gottesbeweise gelten
(201). Schleiermacher zielt hier nicht auf das fromme Selbstbewußtsein
, sondern auf das allen schlechthin gemeinsame Wesen
des Menschen ab (CG 7 1, 175). Er behauptet ein Zusammensein
des Abhängigkeitsgefühls mit dem Wellbewußtsein (CG7 1, 180
Anm. Th; KGA I / 10, 322, 28-32).

In einem 6. Kapitel („Themen der ökonomischen Trinitätslehre
") kommt A. auf die Aporie zu sprechen, daß D. einerseits
eine „absolute Ableitung" (das ist aus der göttlichen Schöpfung
geworden!) der Welt geben will, andernteils die Selbstsuffizienz
der absoluten Persönlichkeit (das ist aus Gott geworden!) behauptet
(212). Als ob Gott die Welt nicht aus dem Nichts geschaffen
, sondern aus sich abgeleitet hätte! Meines Erachtens hat der
göttliche Schöpfer die Welt nicht aus Liebe, sondern aus nichts
geschaffen. Gottes Liebe und Gottes Welt sind gleich ursprünglich
. Die Liebe zum (sündigen!) Kosmos, aus der Gott Mensch geworden
ist, ist freilich etwas ganz anderes als die vermeintlich
göttliche Selbstliebe, die (nachdem D. sie um den Gedanken hat
erweitern müssen, „daß Gott, indem er sich als das Gute liebt,
darin zugleich das Gute schlechthin liebt") der Impuls für die
Weltschöpfung gewesen sein soll (2160- D. bringt nicht die (wenn
man so will:) spekulative Kraft auf, die schlechthinnige Abhängigkeit
mit der menschlichen Freiheit in eins zu denken (nur als
Geschöpf ist der Mensch frei). D. schwingt sich nur zu dem
schwächlichen Gedanken auf, daß in der ethischen Art der göttlichen
Selbstmitteilung die relative (?) Selbständigkeit der Kreatur
gegenüber Gott gewollt und gesichert ist (2170- Als ob zur
menschlichen Freiheit ein Mindestmaß an Freiheit gegenüber
(und von) Gott gehört!

Ausführlich wird dargestellt, wie D. sich mit der Aporie einer
Doppelpersönlichkeit in Christus abquält (247). Abschließend
würdigt A. Schleiermachers Kritik an dem Schema „göttliche
und menschliche Natur" bzw. an dem Ausdruck „ Person", der in
der Dreieinigkeitslehre Verwirrung stiftet (252). Gleichwohl
bleibt sie hinter Schleiermacher zurück, der eine Erkenntnis
Christi unter der Form des objektiven Bewußtseins für unfruchtbar
hält und (neben den paulinischen „Gott war in Christo") das
johanneische „ Das Wort ward Fleisch ..." als Grundtext für die
„Zweinaturenlehre", ja für die ganze Dogmatik ansieht (CG 2,
56. 58; KGA I / 10, 343, 270- Statt dessen empfielt sie, einen Pa-
radigmawechsel zu vollziehen, der das „Inkarnationsschema" (?)
überwindet (253).

Kirchnüchel Hermann Peiter

Blumhardt, Johann Christoph: Ausgewählte Schriften. Ausgew.
von O. Bruder, neu hg. u. eingel. von W. J. Bittner. 1: Schriftauslegung
. XXIII. 342 S., 1 Porträt 2: Verkündigung. XVI,
338 S,. 1 Abb. 3: Seelsorge. Glaubensfragen, Briefe, Gebete.
Lieder. XIII, 336 S., 1 Abb. Gießen: Brunnen; Metzingen:
Franz; Zürich: Gotthelf 1991. 8°. Kart. DM 59,-.