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Ausgabe:

1992

Spalte:

675-677

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Knoch, Otto

Titel/Untertitel:

Der erste und zweite Petrusbrief, Der Judasbrief 1992

Rezensent:

Wolff, Christian

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 9

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tuationsbezogene Paränese von Kp. 12-15 (290). Der Römerbrief
als ganzer sei insofern paränetisch, als seine theologische
Argumentation die Briefadressaten dazu bewegen will, durch geheiligten
Lebenswandel und Meidung der Selbstüberhebung gegenüber
Israel Teilnehmer am kosmischen „Opfer der Heiden"
zu werden. Diese Zielstellung entspringe dem auch die römischen
Heidenchristen einschließenden apostolischen Auftrag des
Paulus, den „Gehorsam des Glaubens unter den Heiden" (1,5)
zu sichern (2900-

Ein Literaturverzeichnis und Indices der Bibelstellen und modernen
Autoren runder, die Untersuchung ab.

Leipzig Karl-Wilhelm Niebuhr

1 In die intensive und durchgehend faire Auseinandersetzung mit abweichenden
Römerbricl'-lntcrpretationen ist die deutsche Exegese leider
nur bis zu E. Käsemann gründlicher einbezogen, von dem sich E. immer
wieder betont absetzt, obwohl er ihm in wesentlichen Einschätzungen (Verständnis
der Gerechtigkeit Gottes, apokalyptischer Horizont) durchaus
nahesteht. Dagegen begegnen Namen wie U. Wilckens. H. Hübner. P.
Stuhlmacher. U. Luz u. a. gar nicht oder nur beiläufig. Ein solcher Umgang
mit der internationalen Sekundärliteratur steht in Gefahr, das Klischee
von einem „deutschen" „protestantischen" „lutherischen" Paulusbild,
von dem auch E. nicht ganz frei scheint, zu verfestigen.

Knoch, Otto: Der Erste und Zweite Petrusbrief. Der Judasbrief.
Übers, u. erkl. Regensburg: Pustet 1990. 333 S. 8' - Regensburger
Neues Testament. Lw. DM 78.-.

Otto Knoch hat als Exeget vor allem die Erforschung des nachapostolischen
Schrifttums seit Jahrzehnten gefördert. Als Mitherausgeber
der Neubearbeitung des Kommentarwerkes „Regensburger
Neues Testament" hat er erheblichen Anteil an dem
hohen wissenschaftlichen Niveau dieser Reihe. Im anzuzeigenden
Kommentarband vereinen sich beide Verdienste des Passauer
Gelehrten in harmonischer Weise.

Das Anliegen des IPt wird dahingehend bestimmt, daß dieser
Rundbrief auf die „Frage nach dem unverdienten Leiden der
Christen Antwort geben und dadurch die angefochtenen Adressaten
im Glauben stärken" will (13). Die Einheitlichkeit des
Schreibens wird nicht nur sprachlich und stilistisch, sondern
auch mit „der konsequenten Ausrichtung aller Teile auf die bedrückte
Situation der Adressaten und die damit verbundene
Frage nach Grund, Sinn und rechtem Bestehen des Glaubensleidens
der Christen" (16) begründet. Die Abfassung wird zwischen
70 und 80 n. Chr. datiert, in Rom lokalisiert (vgl. 5,13) und Silva-
nus zugeschrieben (vgl. 5,12). K. vermutet die Existenz einer Petrusschule
in Rom, die die Traditionen des Apostels bewahrte
und der auch Silvanus angehörte. Bei solcher Auswertung der Angaben
5,l2f müßte jedoch berücksichtigt werden, daß der Dek-
kname „Babylon" für Rom vornehmlich im kleinasiatischen -
jüdischen wie christlichen - Schrifttum bezeugt ist, so daß die
Entstehung des 1 Pt eher dorthin zu verweisen ist und somit auch
die These des Einflusses einer petrinisch-römischen theologischen
Tradition in Frage gestellt wird.

Ausführlich und übersichtlich wird im Einleitungsteil die
Theologie des IPt dargestellt. Das Fazit: „Dieses knappe Schreiben
ist ... ein kostbares Zeugnis der Wahrheit und Kraft des
christlichen Glaubens am Ende des I. Jh." (25) wird durch die
umsichtige Einzelexegese erhärtet. In der Versexegese werden
ebenso wie in den zahlreichen Exkursen vor allem die paulini-
schen Briefe, die Deuteropaulinen, der Hebräerbrief und der 1.
Clemensbrief vergleichend berücksichtigt. Exemplarisch sei auf
den sorgfältig differenzierenden Exkurs über „Die Stellung der
Christen zu Staat und Gesellschaft" (77ff) und auf die tief reflektierende
Auslegung von 4,14 auf S. 125f verwiesen. Der abschliessende
Exkurs kommt noch einmal auf die Existenz einer frühchristlichen
römischen Petrusschule, der Silvanus und Johannes
Markus zugerechnet werden, zu sprechen. Hinsichtlich des Bestehens
dieses von der einzigartigen Führungsautorität des Petrus
geprägten Kreises wird geurteilt: „Zwar fehlen Dokumente
aus Rom, die das direkt bezeugen, doch begründen verschiedene
Argumente diese Annahme in hinreichendem Maß" (144). Bleibt
die Abfassung des 1 Pt in Rom aber fraglich (s. o.), dann wird man
auch dem konsequenzenträchtigen Schluß gegenüber zurückhaltend
sein: „ Die Petrusschule führt also den Dienst des Hirten Petrus
an der Herde Gottes und Christi kurz nach dem Tod des Petrus
als Blutzeuge Christi in Rom zugleich eigenständig und
traditionstreu weiter" (146).

Der Judasbrief, zu dem K. ebenso wie zum 2Pt bereits 1967
einen kurzen Kommentar geschrieben hatte (WB 8, Düsseldorf)*
wird als zwischen 70 und 90 entstandene „prophetische Mahnrede
mit apokalyptischem Horizont" (1520 bestimmt. Der im
hellenistischen Judentum verwurzelte christliche Verfasser war
entweder der Herrenbruder Judas oder ein von ihm beeinflußter
Lehrer; es setzt sich mit pneumatisch-libertinistischen Irrlehrern
auseinander, die angesichts der spärlichen Aussagen des Schreibens
nicht einfach als Gnostiker zu identifizieren sind. Die Theologie
des Jud. wird eingehend herausgearbeitet und zusammenfassend
dahingehend gewürdigt, „daß der knappe Mahnbrief ein
sehr reiches Zeugnis des Glaubens, Lebens, Betens und Hoffens
der judenchristlichen Gemeinden am Ende des 1. christlichen
Jh.s darstellt, das es mehr als bisher verdient, beachtet, studiert
und ausgelegt zu werden" (165). In der Einzelexegese werden
auch textkritische Probleme erörtert (zu V.4f und 220; die Auslegung
von V.3 wird durch einen instruktiven Exkurs zum nachapostolischen
Verständnis der Glaubenstradition vertieft.

Hinsichtlich des 2Pt werden die Quellen, Traditionen sowie
Beziehungen zum IPt ausführlich bedacht. Der Pseudonyme
judenchristliche Verfasser setzt sich nach K. mit Irrlehrern
auseinander, die unter Berufung auf Paulus „bewußt eine Harmonisierung
der christlichen Glaubensauffassungen und Lebensweisungen
mit der hellenistischen Lebenspraxis und Weltanschauung
" propagierten (210). Auf Grund des Testamentcharakters
wird die Entstehung des Schreibens in Rom,
dem Todesort des Petrus und (vermeintlichen) Entstehungsort
des 1 Pt, lokalisiert und dahingehend begründet, daß sich der aus
dem paulinischen Missionsgebiet stammende Verfasser in Rom
aufhielt und dort dazu angeregt wurde, „im Namen des Hauptapostels
der Kirche und führenden Märtyrers Roms ein Lehr-
und Mahnschreiben zu senden, wobei Rom als Wirkungs- und
Sterbeort des Paulus zugleich die Gelegenheit bot, zum Pauluserbe
Stellung zu nehmen und dies autoritativ gegen die Irrlehrer
in Schutz zu nehmen" (213). Daher äußere sich im 2Pt, „das
Selbstverständnis der petrinisch und paulinisch geprägten Kirche
von Rom ..., Erbin und bevollmächtigte Sachwalterin der
apostolisch bezeugten Offenbarung Gottes im Alten Bund und in
Jesus Christus zu sein" (290). Der Einfluß paulinischer Theologie
auf den Verfasser des 2Pt ist jedoch auch nach K. sehr gering
(vgl. 207), und die Bekanntschaft mit dem IPt (vgl. 3,1) - auf
den im übrigen nicht weiter zurückgegriffen wird - weist nicht
unbedingt nach Rom (selbst wenn man voraussetzt, daß der IPt
tatsächlich dort geschrieben wurde), sondern eher in das kleinasiatische
Adressatengebiet jenes Briefes, so daß die mit Rom
verbundenen Überlegungen und Folgerungen stärkerer Argumente
bedürfen.

Das Charakteristikum der Theologie des 2Pt wird in der „eigenartigen
Verbindung von hellenistisch geprägtem Glaubensverständnis
und eschatologisch-apokalyptisch ausgerichteter Welt-
und Zukunftssicht" gesehen (221). K. zeigt, wie die hellenistische
Tugendlehre dazu dient, die Wirkungen der Heilsgnade zu