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Ausgabe:

1992

Spalte:

667-670

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

Spuren des hebräischen Denkens : Beiträge zur alttestamentlichen Theologie 1992

Rezensent:

Herrmann, S.

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 9

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abgelehnt hätte. Ob der Prophet wirklich eine so eindeutig bestimmte
politische Haltung eingenommen oder nicht vielmehr
von seinem Jahweglauben her gesehen eine unabhängige Beurteilung
der politischen Verhältnisse vorgenommen hat, entscheidet
sich an der Einschätzung der entsprechenden Texte. Propheten
haben ganz gewiß zu politischen Fragen ihrer Zeit Stellung bezogen
, sind deswegen aber nicht Politiker gewesen. Es gilt, die tatsächliche
Motivation ihrer Spruchausgabe zu erfassen. H. geht
im Zusammenhang des zweiten Teils auch auf die „soziale Predigt
" des Propheten Jesaja ein, die er vornehmlich als an die
Oberschicht gerichtet sieht. Das Jesaja in seiner Anklage die sozialen
Mißstände im Innern des Landes auf die gleiche verfehlte
arrogante Geistigkeit der Notablen des Staatswesens, die diese
auch zum Abfall von Assyrien während der Regierungszeit His-
kias bewogen hat, zurückgeführt haben soll, hieße doch die
Sozialethik des Propheten nur allzu schwach zu begründen
(187ff). Jesaja ging von Grundwerten des Jahweglaubens aus, die
auch Micha und vorher schon Arnos und Hosea in je spezifischer
Weise bestimmt haben bzw. hatten.

Unter dem Thema „Die theologischen Grundstrukturen der
Verkündigung Jesajas" (Dritter Teil, 190-230) behandelt der
Autor in zwei Kapiteln einmal Aspekte der göttlichen Ordnung'
und zum anderen „Göttliche Ordnung und Jahwebund". Den
Beschluß des Buches bilden eine „Zusammenfassung und Konklusion
" (231-235) sowie ein Resümee in dänischer Sprache
(236-238). Es folgen nach dem Literaturverzeichnis Abkürzungen
sowie ein Autoren- und ein Stellenregister (239-271).

Abschließend kann dem Vf. bescheinigt werden, daß er mit seiner
Arbeit eine sachkundige Erörterung der wichtigsten Probleme
in der Jesajaforschung vorgelegt hat. Die Studie regt mit
ihren Lösungsversuchen auch dann zu weiteren Überlegungen
an, wenn man ihr nicht in allen Ergebnissen folgen möchte.

Leipzig Siegfried Wagner

Koch, Klaus: Spuren des hebräischen Denkens. Beiträge zur altte-
stamentlichcn Theologie. Gesammelte Aufsätze Bd. 1. Hg. von
B. Janowski u. M. Krause. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener
Verlag 1991. X, 312 S. 8". Kart. DM 90,-.

Klaus Koch, der bekannte Hamburger Alttestamentler und Religionswissenschaftler
, läßt hiereinen ersten Band seiner Gesammelten
Aufsätze unter der Herausgeberschaft von Bernd Janowski
und Martin Krause erscheinen. Ein zweiter Band unter
dem Titel „Zwischen den Testamenten. Beiträge zur altisraelitischen
Literatur" ist vorgesehen. Am Rande sei hier darauf hingewiesen
, daß ein allererster Band gesammelter Aufsätze von Koch
bereits 1988 unter dem Titel „Studien zur alttestamentlichen
und altorientalischen Religionsgeschichte" von Eckart Otto herausgegeben
wurde.

Es ist sehr zu begrüßen, daß auf solche Weise das vielseitige
Werk K. Kochs nicht nur ins Gedächtnis gerufen, sondern auch
auf bequeme Weise verfügbar gemacht wird. Die Aufsätze sind in
zahlreichen Zeit- und Festschriften erschienen, die nicht jedem
leicht zugänglich sind. Der hier zu besprechende Band vereinigt
Arbeiten der Jahre zwischen 1952 und 1989/90, die unter dem
Hauptteil „Spuren hebräischen Denkens" als „Beiträge zur alttestamentlichen
Theologie" (Untertitel) verstanden werden.

Es macht die Eigenart dieses Sammelbandes aus. daß jedem
der vier Hauptteile nicht von den Hgg., sondern von Koch selbst
Einführungen vorangestellt sind, die in äußerst knapper Form
den Inhalt der dann jeweils folgenden Aufsätze umreißen. So
wird der Eindruck eines inneren Zusammenhanges geweckt und
unterstrichen, der den Aufsätzen innewohnt, zumindest eine gewisse
Kontinuität ihrer Voraussetzungen bewußt gemacht, die

für den Verfasser konstitutiv waren. So nimmt sich das Buch bis
zu einem gewissen Grade als „Lehrbuch" aus, das den Leser
schrittweise in Bereiche des hebräischen Denkens einführen
möchte.

Eine solche pädagogische Absicht scheint auch den Hgg. vorgeschwebt
zu haben. Denn in sonst nicht üblicher Weise hat Janowski
dem Buch einen „Bibliographischen Anhang" beigefügt,
der zur Weiterarbeit auf den von Koch angesprochenen Arbeitsfeldern
anregen soll. Kochs Aufsätze hätten die Forschung vielfältig
beeinflußt. Wenn dann freilich gesagt wird, „die folgende
Bibliographie möchte dies dokumentieren", sollte das nicht mißverstanden
werden. Denn die 17 Seiten lange bibliographische
Übersicht enthält nicht nur von Koch beeinflußte oder angeregte
Werke, sondern ebenso die von ihm selbst benutzten und für sein
Denken maßgebend gewordenen Untersuchungen und manches,
was zu seinen Themenbereichen paßt. Die Übersicht ist wertvoll,
weil sie insbesondere neuere und neueste Literatur berücksichtigt
und entlegenere Aufsätze nennt, die leicht übersehen werden
könnten.

Die Anregung, der Sammlung so etwas wie einen Lehrbuchcharakter
zu verleihen, hängt mit einer Programmatik zusammen
, die in verschiedenen Nuancen das Gesamtwerk Kochs
durchzieht. Er ist. insbesondere in den hier zusammengefaßten
Aufsätzen, auf der Suche nach der Eigenart des „hebräischen
Denkens", genauer gesagt, nach seiner „Eigenbcgrifflichkeit" (B.
Landsberger). Die herkömmlich herausgearbeiteten Gegensätze
zum „griechischen Denken", wie sie Th. Boman zusammenstellte
, sind zu starr und vermögen dem hebräischen Denken,
umfassender gesagt, der semitischen Denkweise nicht gerecht zu
werden, wie es etwa in dem bekanntesten Gegensatzpaar „ linear/
zyklisch" der Fall ist. Koch möchte hauptsächlich auch der biblischen
Begriffswelt ihren ursprünglichen Sinn zurückgeben und
einer unkritischen Verwendung von „Kategorien des modernen
Denkens und der protestantischen Dogmatik" wehren. Das bedeutet
notwendigerweise, daß durch semantische Analyse die
fremde Begriffswelt in ihrer Eigenart erfaßt und neu definiert
werden muß. Die Hgg. weisen darauf hin, daß sich Koch wie
kaum ein anderer dieser Aufgabe in den letzten Jahrzehnten gestellt
hat. „ Erinnert sei nur an die bekannten Ausführungen zum
Tun-Ergehen-Zusammenhang oder an so erhellende Wortschöpfungen
wie ,schicksalwirkende Tatsphäre' und .Gemeinschaftstreue
'" (VIII).

Hier ist nun freilich kritisch einzuwenden, daß die Verwendung
dieser Begriffe kaum über den Kochschen Schülerkreis hinausgedrungen
ist, denn sie bedürfen selbst zunächst der Erklärung
und wirken erst dann „erhellend", wenn sie im Kontext der
Konzeption Kochs verstanden werden.

Die vier Hauptteile der Aufsatzsammlung haben eigene Titel, denenjje-
weils drei Aufsätze zugeordnet sind: Teil I: Hebräische Sprache und
hebräisches Denken, umfassend die Aufsätze: Gibt es ein hebräisches Denken
? - Die hebräische Sprache zwischen Polytheismus und Monotheismus
- (übt es ein Vergeltungsdogma im Alten Testament? Teil II: Tatsphäre
und Gemeinschaftstreue; dazu die Aufsätze: Wesen und Ursprung de'
„Gcrncinschaftstreue" im Israel der Königszeit - Der Spruch „Sein Blut
bleibe auf seinem Haupt" und die israelitische Auffassung vom vergossenen
Blut - Die Entstehung der sozialen Kritik bei den Propheten. Teil '
Rein und Unrein, Heilig und Profan, mit den Aufsätzen: Tempeleinlaß'1'
turgien und Dekaloge - Sühne und Sündenvergebung um die Wende von
der exilischen zur nachexilischen Zeit - Haggais unreines Volk. Teil lv
Schöpfung und Geschichte, mit drei thematisch scharf umrissenen Beitragen
: Gestaltet die Erde, doch heget das Leben! Einige Klarstellungen zu111
dominium terrae in Gen I - Der Güter Gefährlichstes, die Sprache, den1
Menschen gegeben ... Überlegungen zu Gen 2,7 - Qädäm. Heilsgeschichte
als mythische Urzeit im Alten (und Neuen) Testament.

Es würde zu weit führen, den längst bekannten Arbeiten Kochs
hier eine nachträgliche zusammenfassende Wertung zuteil werden
zu lassen. Jedoch lohnt es, auf den einzigen bisher nicht ver-