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Ausgabe: | 1992 |
Spalte: | 660-663 |
Kategorie: | Religionswissenschaft |
Autor/Hrsg.: | Griener, George E. |
Titel/Untertitel: | Ernst Troeltsch and Hermann Schell: Christianity and the world religions 1992 |
Rezensent: | Graf, Friedrich Wilhelm |
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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 9
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macht, Paulus als Garant der Wahrheit des Evangeliums, Petrus
als Fundament des Baus der Kirche" (188). Daß der Exeget als
Theologe Paulus Recht zu geben hat, bedeutet also nicht, daß er
dem Gesichtspunkt der Ermöglichung von Gemeinschaft in der
Geschichte der einen Kirche widersprechen müßte: Das ist eine
Einsicht, von der man sich in der gegenwärtigen ökumenischen
Situation viel Überzeugungskraft wünschen möchte!
Das Buch ist reich auch an anderen für die Gegenwart wichtigen
Aspekten, für die dem Verfasser Dank auszusprechen, gerade
jetzt angemessen ist.
Lübeck Ulrich Wilckcns
[Moltmann-Wendel, Elisabeth:] Mit allen Sinnen glauben. Feministische
Theologie unterwegs. Für E. Moltmann-Wendel zum
65. Geb. hg von H. Pissarek-Hudelist u. L. Schottroff. Gütersloh
: Mohn 1991. 249 S. m. 2 Abb. 8" - GTB/ Siebenstern, 532.
Kart. DM 29,80.
Diese Festschrift zum 65. Geburtstag für eine der „Nestorinnen
" (neben D. Solle, L. Schottroff, E. Gössmann) der feministischen
Theologie(n) in Deutschland: Elisabeth Moltmann-
Wendel knüpft an deren neuere Arbeiten zum Problemfeld
Weiblicbkeit-Körperhaftigkeit an. Ich möchte mich - in Form
einer angefragten und von mir gern übernommenen Rezension -
den Gratulierenden anschließen und Frau Moltmann-Wendel
Glück-Wünsche übermitteln. Sie hat bei uns an der Technischen
Hochschule Darmstadt einen beeindruckenden Vortrag anläßlich
des 10jährigen Bestehens unseres Institutes für Theologie
und Sozialelhik 1978 gehalten. Ich selbst habe für mein Theologi-
sieren viele Anregungen durch sie erhalten und hoffe auf weitere
Impulse. Zurück zur Festgabe:
Am Anfang stehen drei persönlich gehaltene Grußworte der
Frauen Halkes (Niederlande), Pissarek-Hudelist (Österreich)
und Schönherr (ehemalige DDR), welche die Kollegin und
Schwester, die theologische Arbeiterin und ihre Anliegen und
Themenbereiche, vor allem ihr Engagement in feministischer
Praxis und Thcoriebildung den Lesern/innen vorstellen. Theologie
und Biographie: hier wird eine feministische Grundoption
exemplarisch praktiziert. Auch die Ökumenizität einschließlich
Judentum/Synagoge, die Vielfalt der Präsentationsformen von
Brief über Gespräch, Gedicht, Bibelarbeit, Meditation bis zur
systematischen Reflexion spiegeln das Offene und Lebendige
feministischen Theologisierens. Daß drei Theologen beteiligt
sind, zeigt die Intention einer Transformation von Theologie,
Kirche und Gesellschaft unter Einfluß diskussionsbreiter Männer
an.
Kurz zu einigen signifikanten Inhalten: Rut wird als Beispielsgestalt
für eine Hinterfragung der fortschreitenden Abwertung
von Frauen in Israel in nachexilischer Zeit und der steigenden
Ausländerfeindlichkeit vorgestellt. (30ff) Luise Schottroff mahnt
die Selbstkritik am latenten wie manifesten Antijudaismus der
christlichen Theologie an, und Pnina Levinson beschreibt aus
jüdisch-feministischer Werkstattperspektive die beiden christlichen
Reaktionen: gesetzlich - verarmt an Symbolen und Riten
für das Haus. D. Sölles Predigt zu Galater 3, 26-29 rekonstruiert
des „Manifest der Freiheit" aus vorpaulinischer Missionsaktivität
frühchristlicher Geisttheologie „aus den kurzen Tagen
der Freiheit". Im Heilsepos der Theologin, Ehefrau und Mutter
Faltonia Betitia Proba (gest. 370) wird uns eine politischutopische
Gesellschaft ohne Unterordnungsgebot für Ehegattinnen
vorgestellt, im Anschluß an Jesu Inszenierung eines Friedensreiches
auf Erden. Bei Hildegard von Bingen finden wir
diese weisheitliche Vision im Entwurf einer makro-mikrokosmi-
schen Anthropologie gegen materieverachtende neumanichäi-
sche Tendenzen bis heute (E. Gössmann). Daß dieser Dualismus
als Mann-Frau-Dualismus bis heute wirkt, zeigt H. Erhart an K.
Barth, in dessen Theologie die „geschlechtshierarchische Strukturierung
der Theologischen Anthropologie" als unveränderbar
gilt. Demgegenüber nimmt D. Foitzik Frau Moltmann-Wendels
Anliegen: „ein eigener Mensch werden" (Frauen um Jesus) auf
und wendet es als Lebens- und Arbeitsmotto in kirchlicher Jugendarbeit
an. Anders formuliert geht es um die Ent-Trivialisie-
rung als lebenspraktische wie methodische Wiederentdeckung
des Alltagslebens, wie 1. Praetorius einfordert: Kindererziehung,
Hausarbeit, Kleinkram, Sozialarbeit, Pflege. Privatleben, Kaffeekränzchen
usw. als Orte der Transformation des Trivialen in
eine menschliche, kommunikative, ökologische, ganz gewöhnliche
Welt. (Dieser sensible und engagierte Beitrag hat mich persönlich
tief beeindruckt, obwohl ich diese „Unterseiten" des Lebens
aus eigenen Erfahrungen kenne, die aber offensichtlich doch
„Hobby"-Erfahrungen geblieben sind.) Berichte von Frauen in
Korea, über Frauen in Bolivien, über eine Frau, die (heute 91 jährig
) in den 20er Jahren einen Theologieprofessor, Priester geheiratet
hat, der exkommuniziert wurde, Gedichte, Gedichtmeditation
schließen diesen feministischen „Blumenstrauß" ab.
Ich möchte diesen Querschnitt durch die befreiungstheologische
Richtung feministischer Theologie im Sinne von Frau Moltmann
-Wendel als notwendigen Diskussions- und Transformationsimpuls
für die gängige theologische Theoriebildung und die
versorgungskirchliche Praxis empfehlen.
Darmstadt Uwe Gerber
Religionswissenschaft
Griener, George E.: Ernst Troeltsch and Herman Schell: Christia-
nity and the World Religions. An ecumenical contribution to
the history apologetics. Frankfurt/M.-Bern-New York-Paris:
Lang 1990. 349 S. 8° = Europäische Hochschulschriften. Reihe
23: Theologie, 375.
In der 1988 vom Fachbereich Katholische Theologie der
Tübinger Universität angenommenen Dissertation sollen zwei
Begründungen der „Absolutheit des Christentums" um 1900
miteinander verglichen werden. Griener bezieht sich dazu einerseits
auf Ernst Troeltschs Konzept der „ Höchstgeltung" des Christentums
und andererseits auf die von Hermann Schell, einem
führenden römisch-katholischen Modernisten, entwickelten Beweis
der Absolulheit des Christentums. Nachdrücklich betont
Griener, der derzeit an der Jesuit School of Theology in Berkeley
lehrt, die Originalität seines Unternehmens: Da es noch keine
vergleichenden Untersuchungen über römisch-katholische und
protestantische theologische Entwürfe im späten 19. und frühen
20. Jh. gebe, biete er " a unique contribution to knowledge of Continental
theology at the turn of the Century" (20). Angesichts der
Arbeiten von Apfelbacher, Becker, Herms u. a. ist dies ein irritierend
hoher Anspruch.
Seinem mehrfach betonten systematischen Interesse entsprechend
geht G. nur kaum den komplexen Beziehungen zwischen
Troeltsch und führenden katholischen Modernisten nach, etwa
den Fragen nach wechselseitigen literarischen Einflüssen und
persönlichen Kontakten. Zwar weist er darauf hin, daß Troeltsch
in Korrespondenz mit einigen Modernisten, insbesondere mit F-
von Hügel, stand, sich in den literarischen Debatten über die vatikanischen
Repressionsmaßnahmen engagierte und diverse Publikationen
Schells intensiv wahrnahm. Doch muß er zugestehen
, daß Schell den Theologen Troeltsch wohl gar nicht kannte-
"There ist no indication that Schell ever took direct notice of the