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Ausgabe:

1992

Spalte:

655-656

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Gottes ist der Orient - Gottes ist der Okzident 1992

Rezensent:

Klautke, Heinz

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655

Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 9

656

[Falaturi, Abdoldjavad:] Gottes ist der Orient - Gottes ist der Okzident
. Festschrift für A. Falaturi zum 65. Geb., hg. von U.
Tworuschka. Köln-Wien: Böhlau 1991. XVI, 650 S., 1 Porträt
gr.8 = Kölner Veröffentlichungen zur Religionsgeschichte, 21.
Lw. DM 132,-.

Die Gruppenüberschriften zeigen an, in welchen Bereichen der
Jubilar gewirkt hat: Islamische Lehre, Philosophie und Kalam
(Dogmatik), Geschichte und Kultur sowie Begegnungen: Die Begegnung
von Christentum und Islam hat die wissenschaftliche
Arbeit des 1926 in Isfahan/Iran geborenen islamischen Theologen
, Rechtsgelehrten und Philosophen also begleitet. Davon zeugen
die Aufsätze der 35 Gratulanten. Daß neben den Arbeiten
zur islamisch-christlichen Begegnung auch eine Rubrik „Reformbestrebungen
" vertreten ist, widerlegt die gängige Vorstellung
von der Unbeweglichkeit zumal des schiitischen Islam.

Unter „Koran und Sünna" werden exegetische Überlegungen
bearbeitet. Angelika Neuwirth untersucht in „Der Horizont der
Offenbarung" Schwurserien der frühen Suren. Angesichts islamischer
Kritik gegenüber den westlichen Orientalisten arbeitet
Albrecht Noth „Gemeinsamkeiten von muslimischer und orientalischer
Hadith-Kritik" heraus.

In der Abteilung „Recht und Islam" stellt Ernst Klingmüller
mit „Recht und Religion im Islam" Gedanken über die Rechtsentwicklung
im Islam vor: wichtig für die Urteilsfindung in der
gegenwärtigen Diskussion um islamisches Recht. Der deutsche
Muslim Axel Köhler wendet sich mit „Islamische Umweltethik"
einer aktuellen Problematik zu, die zunehmend auch in der
christlich-islamischen Begegnung thematisiert wird. Schließlich
untersucht Jamal al Din Mohammad Mahmud den Einfluß des
islamischen Rechts auf die neuere Rechtsentwicklung in Ägypten
(englisch). Auch bei Roswitha Badry geht es in ihrer kritischen
Darstellung „Mustafa Kamal Wasfi und der Traum von einer«is-
lamischen Verfassung»" um Ägypten, genauer um die Muslimbrüder
.

Bei „Reformbestrebungen" sucht man wohl nach Ansätzen
und Erfolgsmeldungen eines modernisierten Islam. So ist der
Sammelband aber nicht angelegt. Der als Reformer eingestufte
bosnische Muslim Smail Balte trägt eher kritische Beobachtungen
vor, wenn er „Tradition im Spannungsfeld zwischen Glauben
und Leben" untersucht und dabei die islamische Überlieferung
in der „Postmoderne" dennoch hoffnungsvoll beschreibt. Die
distanzierte Einschätzung der Reformbestrebungen wird bei
Werner Ende schon im Titel seiner Ausarbeitung erkenntlich:
„Erfolg und Scheitern eines schiitischen Modernisten: Muhammad
ibn Muhammad Mahdi al-Halisi (1890-1963)".

Der philosophische Teil enthält fünf Spezialuntersuchungen zu
Avicenna/lbn Sina und Thomas von Aquin (Ingrid Craemer-
Ruegenberg), zum Hintergrund von Farabis Politischer Philosophie
(Hans Daiber), zur islamischen Rezeption von Aristoteles
(Gerhard Endreß), zur aristotelischen Logik bei den Lauteren
Brüdern von Basrah (Egbert Meyer) und zu der Mystik von Ibn
al-'Arabi (Tilman Nagel).

Unter „Geschichte und Kultur" beschreibt Bert G. Fragner
„Die «Wiederentdeckung» des Persischen in Mittelasien". Ulrich
Haarmann vergleicht islamisches und frühneuzeitlich-
europäisches Staatsdenken hinsichtlich gemeinsamer Beurteilungen
von Zwangsherrschaft. Klaus Kreiser bringt endlich den
türkischen Kulturkreis in den Blick, indem er „Notizen zur Geschichte
des Türkisch-Unterrichts in Bayern" macht. Hans
Robert Roemer stellt den Forschungsschwerpunkt „Postmongolische
Geschichte Zentral- und Vorderasiens" vor. Manfred Götz
legt ein osmanisches Gesetz vom Ende des 17. Jh.s vor.

Den größten Raum nehmen Aufsätze aus dem Bereich „Begegnungen
" ein und deuten damit die Einordnung des Jubilars in
den christlich-islamischen Dialog an. Muhammed Abu Hattab
Khaleduntersucht „Islamische Mystik in der deutschsprachigen

Belletristik" an Hand von Barbara Frischmuths Roman „Das
Verschwinden des Schattens in der Sonne". Ulrich Marzolph
geht Quellen der mittelalterlichen Farce „Maistre Pathelin" im
Orient nach. Olaf Schuman beschreibt detailliert das Zusammenleben
der Religionen in Indonesien mit einem hoffnungsvollen
Ausblick. Udo Tworuschka referiert „Das Islambild Gustav
Menschings".

Unter „Exegese heiliger Schriften" zeichnet Reinhard Kirste
„ Entwicklungslinien der Bibelauslegung - Chancen für ein sachgemäßes
Koranverständnis?". Johann Maier beschreibt mit
„Der Finger Gottes und der Dekalog" ein exegetisch-theologisches
Problem im mittelalterlichen Judentum. Der katholische
Fundamentaltheologe Hans Zirker stellt von Sure 21,23 ausgehend
Theodizee und Theodizeeabwehr in Koran und Umgebung
dar und fragt dabei nach biblischer Wirkungsgeschichte.

Der eigentliche islamisch-christliche Dialog zeigt sich mehr
praxisbezogen. Peter Antes fragt zum Gespräch zwischen Christen
und Muslimen: „Dialog oder doppelter Monolog?", indem
er die Vorstellungen von Offenbarung, Gottesbild und Anthropologie
als „Verstehensbarrieren" entfaltet. Die christliche Diskussion
der Gottesfrage aus feministischer Sicht stellt Susanne Heines
„Ein Gott und zwei Geschlechter" dar. Gerhard Jasper stellt
mit „Zum Verständnis der Rahma Gottes" einen einfühlsamen
Versuch christologischen Mitdenkens bei der Lektüre des Koran
vor, mit einer eingehenden Exegese der Koranstelle, die gewöhnlich
als Beleg für die islamische Ablehnung der Kreuzigung Jesu
herangezogen wird. Der katholische Deutsch-Libanese Adel
Theodor Khoury macht Anmerkungen zu den Fragen „Kommen
Muslime in den Himmel? Gelangen Christen ins Paradies?",
wobei es um die Denkmöglichkeit gegenseitiger Heilszusage geht.
Paul Schwarzenau untersucht biblische und koranische Grundlagen
für den christlich-islamischen Dialog. Der ägyptische Muslim
Mahmoud Zakzouk beschreibt mit „Die kulturellen Beziehungen
zwischen dem Westen und der islamischen Welt" Beziehungspunkte
und Möglichkeiten der Zusammenarbeit auf wissenschaftlicher
Ebene.

Ein letzter Teil nimmt „Islam in Bildung und Erziehung" in
den Blick. Da schreibt Michael Klöcker „ Der Islam im Spiegel katholisch
geprägter Bildungsvermittlung". Der Religionspädagoge
Johannes Lähnemann sieht die Aufgabe der Religionen in der
Friedenserziehung als „Frieden bauen durch Vertrauen". Herbert
Schnitze untersucht „Die Bedeutung der Geschichte in den
Religionen Judentum und Islam" sowie deren Reflex im Unterricht
europäischer Schulen. Der türkische Bereich, der 80 Prozent
der Muslime in Deutschland stellt, wird dadurch noch einmal
thematisiert, daß Monika Tworuschka „Das Bild des
Christentums in türkischen Religionsschulbüchern" darstellt,
aber auch einige iranische Schulbücher einbezieht.

Kritisch ist zu bemerken, daß leider jegliche biographischen
Anmerkungen zu den Autoren der Beiträge fehlen: es wird wohl
angenommen, daß die Namen für sich sprechen. Das gilt bei vielen
Namen aber nur für Fachkreise. Auch die fehlende Erklärung
arabischer und islamischer Fachbegriffe läßt vermuten, daß Experten
angesprochen sind. Für den beginnenden christlichislamischen
Dialog bis auf Gemeindeebene wäre aber die Kenntnis
vieler Beiträge dieser Festschrift sehr hilfreich.

Hannover Heinz Klautkc

Holtz, Traugott: Geschichte und Theologie des Urchristentums-
Gesammelte Aufsätze hg. von E. Reinmuth u. Ch. Wolff-
Tübingen: Mohr 1991. IX, 492 S. gr.8° = Wissenschaftliche
Untersuchungen zum Neuen Testament, 57. Lw. DM 248,--

Dieser Band enthält 28 Aufsätze, die als Spiegel und Ertrag aus
25 Jahren Forschungsarbeit dieses international renommierten