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Ausgabe:

1992

Spalte:

628-630

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Schmidt-Lauber, Hans-Christoph

Titel/Untertitel:

Die Zukunft des Gottesdienstes 1992

Rezensent:

Möller, Christian

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 8

628

möglicht haben. Es bleibt zu hoffen, daß recht viele Predigerinnen
und Prediger sie in Anspruch nehmen.

Leipzig Jürgen Ziemer

Ruhbach, Gerhard, Grün, Anselm, u. Ulrich Wilckens [Hg.]: Meditative
Zugänge zu Gottesdienst und Predigt. Predigttext -
Reihe I, 1. u. 2. Advent bis Ewigkeitssonntag. Göttingen: Van-
denhoeck & Ruprecht 1990/91 S. 8°. Kart, je DM 28,-.

Dies sind die ersten beiden Teilbände einer neuen Predigthilfsreihe
zu der seit 1978 in den deutschen evangelischen Landeskirchen
geltenden (sechsjährigen) Predigttextordnung. Notiert wird
gleichzeitig, wann die Texte im (dreijährigen) römisch-katholischen
Lesezyklus vorkommen. Dieser ökumenischen Praktikabilität
entspricht die interkonfessionell zusammengesetzte Verfasserschar
. In ihr steht der Hochschulprofessor neben dem
Kirchenleitungsmitglied, Pfarrer und Pfarrerin neben dem Ordensangehörigen
.

Während die Titel zur Besprechung anstanden, hat der Rez. sie Tür die
eigene Predigttätigkeit immer wieder zur Hand genommen, und er hat
dabei hilfreiche „Zugänge" gefunden. Einige Beispiele seien genannt!

Die zum Palmsonntagscvangclium (Joh 12,12-19) gegebene Ausarbeitung
setzte die Besinnung besonders dadurch in Gang, daß sie aufzeigt, wie
damals beim Einzug in Jerusalem alles in aufgeregter Bewegung gewesen
und wie demgegenüber die ganz andere .göttliche Bewegung' Jesu zu beachten
sei. - Mit dem Beitrag zum Kantate-Evangelium (Mt 11,25-30)
wurde ein neuer Zugang zur Aussage Jesu „ Meine Last ist leicht" dadurch
eröffnet, daß am Tragen einer Leiter anschaulich gemacht wird, wie die Beachtung
der eigenen Körpermitte im Verhältnis zum Lastschwerpunkt eine
Leichtigkeit im Umgang mit der Last zu bewirken vermag, - Einladung
dazu, veränderten Lebensstil durch Christus als neue Lebensmitte zu lernen
. - Die Ausarbeitung zum 24. Sonntag nach Trinitatis (Mt 9,18-26) meditiert
nacheinander die einzelnen Personen der Erzählung; daraus ergab
sich eine ähnlich verlaufende Predigtkomposition.

Die neue Predigthilfenreihe will nicht einen unspezifischen
Meditationsbegriff bedienen, unter den der gesamte Vorbereitungsgang
der Predigt begriffen sein soll; Ziel ist auch nicht, lediglich
für einen persönlich-meditativen Teilschritt innerhalb
der Vorbereitung Anregungen zu geben.1 Absicht des Unternehmens
ist vielmehr, einen so konsequent in der Predigthilfslitera-
tur bisher nicht begangenen Weg zu meditativer Neuerschließung
von Texten zu versuchen. Predigtgeschichtlich gesehen, wären
am ehesten die „ Predigthilfen" von Wilhelm Stählin (I-V, 1958-
1971) als konzeptionell benachbart zu nennen. Nachdem in den
letzten Jahrzehnten meditatives Erkennen als genuine Weise von
Wirklichkeitserschließung verstärkt erkannt und zunehmend anerkannt
worden ist, nimmt es nicht Wunder, daß eine eigene Predigthilfsreihe
diese Bahn aufnimmt. Anschaulichkeit, Symbolbe-
wußtscin, Sinnenhaftigkeit und Ganzheitlichkeit des Erkennens,
- das sind Leitlinien der intendierten „Zugänge". Meditationstheoretiker
wie Ignatius von Loyola, Carl Happich und Carl Gustav
Jung sind Begleiter auf solchen Wegen.

Jeder Beitrag ist in drei Abschnitte gegliedert. Eine liturgische
Einordnung (I) bedenkt den Zusammenhang zwischen gottesdienstlichen
Lesungen, Wochenspruch und Predigttext sowie mit
dem kirchenjahreszeitlichen Proprium. In einer theologischen
Vertiefung (II) werden exegetische Erkenntnisse zum Predigttext
kurz referiert, jedoch kaum eigentlich erörtert; gelegentlich werden
hier auch noch systematische, frömmigkeits- und zeitgeschichtliche
Aspekte notiert. Umfangreicher, etwa zwei Drittel
ausmachend, ist dann der Teil (III), der zu meditativen Erschließungen
hinzuführen sucht.

Die dreifache Gliederung hat m.E. Stärken und Schwächen.
Begrüßenswert ist, daß liturgische und kirchenjahreszeitliche
Komponenten eine gezielte Berücksichtigung finden. Und das
davon mitbestimmte theologisch-inhaltliche Profil bringt Wichtiges
zur Geltung. So findet sich des öfteren Zurückweisung einer
ethizistisch oder aktionistisch verdünnten Spiritualität; ihr gegenüber
wird eine ontologisch und rechtfertigungstheologisch akzentuierte
Schau geistlicher Wirklichkeiten herausgestellt. Mit
einem neuen „Zutrauen zur Überlieferung des Glaubens", so
schreibt Hartmut Löwe einmal paradigmatisch, gelte es, „den
Wirklichkeitsgehalt religiöser Sprache und Bilder vor der Sprache
eindimensionaler Rationalität zu schützen und gegen sie zu
behaupten und neu zu erschließen". Der „Ausplünderung" der
Wirklichkeit durch übersteigerte Technik ebenso wie durch eine
formelhaft verkümmerte Informationssprache sei durch „ein
großes Bündnis der Religion ... mit Ökologie und Poesie" zu
wehren (190).

Solche weittragenden Perspektiven von Gottesdienst- und Predigtarbeit
werden um so mehr angenommen werden, je weniger
sie sich dem Verdacht eines falschen Postmodernismus aussetzen
. Im Blick darauf könnte es eine Aufgabe zukünftiger Bände
dieser Reihe sein, die exegetischen und systematischen Überlegungen
des Abschnittes II zu verstärken, insbesondere auf ein
kritisches Bedenken theologischer Wahrheit in heutigen Verste-
henshorizonten hin. Auch die liturgische Hermeneutik des Abschnittes
I erscheint oft mehr als einfache Übernahme des Überkommenen
denn als Nachfrage nach dem darin Gemeinten. Ein
allzu unbefragter Zugang zu den Predigttexten von der überlieferten
Hermeneutik des Kirchenjahres her könnte aber der Kreativität
von meditativen „Zugängen" eher hinderlich sein. Grob
geurteilt bieten denn auch erst etwa zwei Drittel der bisher vorliegenden
Ausarbeitungen das, was nach der Zielstellung an spezifisch
meditativem Erkenntnisgewinn intendiert ist. Anders gesagt
, eine verstärkte Inbeziehungsetzung von kritischer und
meditativer Vernunft könnte dem Ertrag des Gesamtprojektes
noch förderlich sein.

Berlin Christian Bunners

1 Die Konzeption des Gesamtprojektes ist beschrieben in: Gerhard
Ruhbach, Anselm Grün, Reinhard Deichgräber, Karl-Friedrich Wiggermann
: Meditation und Gottesdienst. Meditative Zugänge zu Gottesdienst
und Predigt. Einführungsband. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
1989, 196S.

Schmidt-Lauber, Hans-Christoph: Die Zukunft des Gottesdienstes
. Von der Notwendigkeit lebendiger Liturgie. Stuttgart:
Calwer 1990. 482 S. 8°- Calwer Taschenbibliothek, 19. Kart.
DM 38,-.

Als eine Frucht seines 25jährigen Gemeindedienstes, seiner
Mitarbeit in verschiedenen liturgischen Ausschüssen, seiner
Lehrtätigkeit als Praktischer Theologe an der Evangelisch-theologischen
Fakultät Wien (seit 1977) und in Weiterführung seiner
Studien über „Die Eucharistie als Entfaltung der Verba Testa-
menti" (Kassel 1957) legt Hans-Christoph Schmidt-Laubereine
Sammlung von Aufsätzen vor, die in der Zeit von 1970-1989
veröffentlicht wurden. In drei Hauptteile gliedert sich das Buch:

I. Theologische Grundlagen; II. ökumenische Liturgik; HI-
Geschichtliches Werden und besondere Formen.

Es ist ein Hauptanligen des der Michaelsbruderschaft nahestß'
henden Vf.s, die ökumenische Dimension des Gottesdienstes zu
betonen und dabei von anderen Kirchen zu lernen. Deshalb wird
die durch das II. Vatikanische Konzil in Gang gekommene und
inzwischen zum Abschluß gebrachte Liturgiereform der Kathol''
sehen Kirche ebenso ausführlich diskutiert wie die Bedeutung
der „Lima-Liturgie" für die ökumenische Bewegung. Für den
evangelischen Gottesdienst fordert Schmidt-Lauber, die Wieder'
Vereinigung von Wort- und Mahlteil weiter zu fördern und all"
mählich zur selbstverständlichen Praxis werden zu lassen-