Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1992

Spalte:

613

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Rublack, Hans-Christoph

Titel/Untertitel:

... hat die Nonne den Pfarrer geküßt? 1992

Rezensent:

Bräuer, Siegfried

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

613

Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 8

614

Kreuzkatalog nach Autoren, Titeln und Schlagwörtern angelegt
'st. Von 1992 an wird ein Computer zur Verfügung stehen, der
alle von da an in die Bibliographie eingespeisten Titel nach
Schlagwörtern abrufbar machen wird.

Leipzig Ernst Koch

Rublack, Hans-Christoph:... hat die Nonne den Pfarrer geküßt?
Aus dem Alltag der Reformationszeit. Gütersloh: Mohn 1991.
160 S. 8 - GTB/Siebenstern, 1113. Kart. DM 19,80.

Geschichte aus dem Blickwinkel von Menschen des 16. Jh.s zu
erschließen, ist nicht neu. Seit über 100 Jahren haben Quellenausgaben
und territorial- sowie lokalgeschichtliche Untersuchungen
immer wieder Einblicke vermittelt, wie sich die Reformation
im konkreten Fall entwickelt und durchgesetzt hat oder wie sie
gescheitert ist. Immer wieder wurde punktuell auch erkennbar,
wie sie von unmittelbar Betroffenen erlebt worden ist. Allerdings

- darin ist H.-Chr. Rublack zuzustimmen - standen im Mittel-
Punkt in der Regel die Großen der Reformation, nicht die kleinen
Leute. Im Zuge des gegenwärtigen Interesses an der Alltagsgeschichte
möchte R. das traditionelle Bild von der Reformation
für einen größeren Leserkreis ergänzen, indem er Geschichten

- von Handlungen und Meinungen, von Menschen, die meist keinen
großen Namen tragen" (7), erzählt. Diese Geschichten, die
•hm während seiner Forschung aufgefallen sind, gruppiert er in
'3 Problemkreise: Pfarrereinsetzungen (Kitzingen, Zürich,
Straßburg), volksnahe Predigt (der „Bauer" von Wöhrd, Eberlin
von Günzburg), Predigtstörungen (u. a. Augsburg, Zürich), literarische
Glaubensgespräche (Flugschriften 1), gesungener Protest
(Nördlingen, Göttingen), Dispute um die deutsche Messe und die
evangelische Verkündigung (Reutlingen, Zürich), Vernichtung
durch Verbrennen (Bulle, der tote Zwingli, Bibeln), reformatori-
Sehe Handlungsformen in Zürich (Fastenbruch, Prophezei, Kon-
ventikel), Entweihungen (Augsburg, Zürich), Priesterheirat (u.a.
Jakob Griesbüttel, Wilhelm Röublin, Siegmund Mack), Tragödie
einer Nonnenheirat (Ursula Tobler, Kloster Engelthal), Säkularisierung
eines Mönchs (Ittinger Sturm), Bauernprotest gegen Prie-
s,crheirat (Meiden b. Zürich), Modelle reformatorischer Armen-
Fürsorge (u.a. Kitzingen, Nördlingen, Würzburg, Wittenberg).
Locker gefügt, in verständlicher Sprache, durch plakative Über-
Schriften angelockt, werden die Leser mit einer Vielzahl konkreter
Vorgänge der städtischen Reformationsbewegung, vorwiegend
aus dem süddeutschen Raum und der Schweiz, zuverlässig
Ve1raut gemacht. Instruktiv sind besonders die Kapitel, in denen
Zusammenhänge aufgezeigt und Hintergründe ausgeleuchtet
werden, die heutigen Lesern in der Regel nicht mehr bekannt
s,nd (z.B. Entweihungen und Entkleidungen, Priesterehe,
^rrnenordnung).

An einigen Stellen wünschte man sich um des größeren Leser-
leises willen etwas ausführlichere Erläuterungen (z.B. 101:
^'ehtteilnahme der neuvermählten Pfarrfrau am Hochzeits-
^ahl; 127: Gründe für Umstellung des Altars in Allstedt). Präzi-
S|erungen wären denkbar u. a. bei der Schilderung der Märtyrer-
Verbrennungen in Brüssel (70), bei den Angaben zu den
^ansfelder Grafen, die sehr unterschiedliche Positionen vertraten
(11 0), bei hypothetischen Angaben (122: Empfehlung Müntzers
durch eine Adlige; 122: Heirat einer Widerstedter Nonne).

'e von Wolfgang Zierer berichtete Untat von Dominikanern

ann kaum in Zeitz stattgefunden haben. Dieser Orden war dort
"leht ansässig (49 und 154: Schweizer Ortsname?). Beteiligt an

er Bullenverbrennung war Johann Agricola (67).
^in größerer Leserkreis verdankt Autor und Verlag eine vergliche
Belehrung, Fachkollegen mancherlei erhellende Hinweise
und den Anstoß, sich an Parallelgeschichten in mittel- und

0rddeutschen Quellen zu erinnern.

n Siegfried Bräuer

Zwingli, Huldreich: Sämtliche Werke. Unter Mitwirkung des
Zwingli-Vereins in Zürich und mit Unterstützung des Schweizerischen
Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen
Forschung hg. von E. Egli t, G. Finsler t, W. Köhler f, O. Farner
t, F. Blanke t, L. von Muralt t, E. Künzli t, J. Staedtke t,
R. Pfister, F. Büsser. Bd. VI, 4. Teil: Werke von Ende 1530 bis
Mai 1531. XX, 191 S. 5. Teil: Werke von Sommer bis Herbst
1531, Nachträge zu den Werken und Briefen. XX, 463 S. Zürich
: Theologischer Verlag 1990/91. gr.8° = Corpus Reforma-
torum, Vol. XCIH, Pars IV. geb. SFr 180,- u. 390,-.

Der mit diesen beiden Teilbänden vollständig vorliegende
Band VI der Sämtlichen Werke Huldreich Zwingiis - gleichzeitig
Bd. 93 des Corpus Reformatorum - hat eine lange Vorgeschichte.
Sein erster Teilband erschien 1961, die weiteren 1968 und 1983.
Aus den noch 1961 geplanten beiden Teilbänden wurden fünf.
Die beiden letzten nun vorliegenden enthalten Zwingiis Reformationsschriften
des Jahres 1531 (wobei die erste der in Bd.
VI/IV enthaltenen vielleicht noch in das Jahr 1530 gehört).

Die beiden Teilbände enthalten insgesamt 18 mit Einzelziffern
versehene Stücke sowie Nachträge zu den Werken und zum Briefwechsel
(die ursprünglich vorgesehenen, inzwischen bereits an
anderen Stellen der Ausgabe edierten Texte, die mit Blindnummern
bezeichnet sind, sind dabei bereits abgerechnet). Die Nachträge
außer den Liedern Zwingiis und der Taufagende von 1528,
für die Markus Jenny (bei der Taufagende zusammen mit Heinzpeter
Stucki) verantwortlich zeichnet, sind sämtlich von Fritz
Büsser und Heinzpeter Stucki bearbeitet. Stucki hat zwei Stücke
(den Kalenderspruch und De moderatione) allein bearbeitet,
sodaß seine Nennung im Titel von Bd. VI/V zu erwarten gewesen
wäre. Bei Einleitungen und Texten erscheint der Name von F.
Büsser an 7 Stellen, der von Leonhard von Muralt an 6 Stellen,
bei den Bibliographien ist H. Stucki 6mal, Joachim Staedtke
2mal und der 1958 verstorbene Oskar Farner 6mal genannt (obwohl
er im wortgleichen Vorwort zu beiden Teilbänden nicht als
Mitarbeiter aufgeführt ist). H. Stucki ist an 7 Orten im Zusammenhang
von Anhängen und Redaktionsarbeiten beteiligt gewesen
. Das bedeutet, daß drei von den Mitarbeitern an diesen beiden
Teilbänden, L. von Muralt, O. Farner und J. Staedtke,
inzwischen nicht mehr am Leben sind.

Die Edition schließt sich der Maßgabe der vorangegangenen
Bände an: Einer oft sehr ausführlichen Einleitung, die bisweilen
den Charakter einer Monographie annimmt (vgl. L. von Muralts
Einleitung zu „ Was Zürich und Bernn not ze betrachten sye", Bd.
VI/V, 164-219, der Text selbst, 222-247), der Liste der Forschungsliteratur
und nötigen Angaben zu Überlieferungsgeschichte
und Druckvorlage folgt die kritische und kommentierte
Textdarbietung, an die sich gelegentlich Anhänge mit Texten anschließen
, die in den Sachzusammenhang gehören. Entstehung,
Inhalt und Wirkungsgeschichte bestimmen den Aufriß der Einleitungen
von Fritz Büsser zu den im engeren Sinne theologischen
Texten. L. von Muralt beginnt die Einleitung zu „Was Zürich
und Bernn ..." mit einer Skizze der Forschungsgeschichte
und wendet sich dann weiteren Fragen zu. Übrigens muß diese
Einleitung redaktionell überarbeitet und erweitert worden sein,
wie aus den Erscheinungsjahren der verarbeiteten Forschungsliteratur
zu erschließen ist - das Vorwort nennt mehrere Namen,
die für eine solche Mitwirkung in Frage gekommen sein könnten.
Für das Fragment De moderatione wird keine Einleitung geboten
, obwohl Erwägungen über seinen möglichen Kontext denkbar
wären.

Ausdrücklich hingewiesen sei auf die acht bisher in die Werkausgabe
nicht aufgenommenen neu gefundenen Texte aus Zwing-
lis Briefwechsel, die am Schluß von Bd. VI/V ihren Platz gefunden
haben.

Im textgleichen Vorwort zu beiden Teilbänden verabschiedet
sich F. Büsser von der Mitarbeit an der Zwingli-Edition, der er -