Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1992

Spalte:

609-610

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Kinzig, Wolfram

Titel/Untertitel:

Erbin Kirche 1992

Rezensent:

Thümmel, Hans Georg

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

609

Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 8

610

ich dir geschrieben habe und was bei Daniel geschrieben steht,
habe ich nicht zu Ende geführt, sondern bin diesseits des Endes
geblieben ... Denn der Reichtum Gottes kann (nicht zu Ende) gedacht
oder ausgeschöpft werden. Wenn du nämlich Wasser aus
dem Meer nimmst, wird kein Mangel erkennbar... Wenn du
vom Geist Christi nimmst, leidet Christus keinen Mangel. Wenn
Christus in dir ist, so ist er in dir nicht in seiner Ganzheit. Wenn
die Sonne durch die Luken deines Hauses eintritt, ist nicht die
ganze Sonne zu dir gekommen". Daher mahnt Afrahat zur Toleranz
: „ Daher mußt du wissen, daß zum Wort Gottes niemand ge-
'angen kann und sein Ende nicht erreicht. Deswegen soll bei dir
kein Streit darüber aufkommen, daß du sagst: So ist es und damit
genug! Aber dies höre von mir und befrage darüber auch die Brüder
, die unseren Glauben teilen" (1,179).

Der Teilband II bringt die Unterweisungen 11-23, die 344 abgeschlossen
wurden. Es geht um das Verhältnis zum Judentum.
Im Perserreich Schapurs waren die Juden gegenüber den Christen
bevorzugt. In einer Debatte hatte ein jüdischer Gelehrter auf
die Bedrängnis der Christen hingewiesen: „Es geschah eines
Tages, daß ein Mann, der bei den Juden als ein Weiser genannt
wird, mich fragte: Jesus, der euer Lehrer genannt wird, hat euch
aufgeschrieben: .Wenn ihr Glauben wie ein Senfkorn hättet, sprächet
ihr zu diesem Berg: Geh!, und er würde sich von euch entfernen
, oder: Hebe dich hinfort!, und er würde sich ins Meer stürzen
und euch gehorchen' (Mt 17,20; 21,21). So ist denn in eurem gan-
zen Volk kein einziger Weiser, dessen Gebet von Gott erhört
würdc, wenn er bäte, daß eure Verfolger von euch ablassen?"
(21,1-11.476). Afrahat ist betroffen und will zeigen, daß Verfolgungen
schon oft die Gerechten betroffen haben: Er zieht vom
Alten Testament her eine Linie über Jakob, Josef, Mose, Josua,
David, Elia, Elisa, Hiskia, Daniel hin zu Jesus. Afrahat nennt es
«unsere Ehre, aufgrund deren viele bekennen und getötet werden
" (21,23-11,479). Das Nachtragskapitel will noch einmal die
Kontinuität des göttlichen Handelns vom Alten zum Neuen Testament
aufzeigen. Der Band bringt als letzten Text einen Brief
des Araberbischofs Georgios, der Anfang des 8. Jh.s an den „ Persischen
Weisen" erinnert, von dem er nur noch wenig weiß: „Uns
sind weder sein Name noch sein Rang, auch nicht sein Wohnort
bekannt; jedenfalls war er Mönch im kirchlichen Klerus" (589).
Unter den Registern (601-629) nimmt das der Bibelstellen den
meisten Raum ein (601-615).

Kostock Gert Haendler

Sinzing, Wolfram: Erbin Kirche. Die Auslegung von Psalm 5,1 in
den Psalmenhomilien des Asterius und in der Alten Kirche.
Heidelberg: Winter 1990. 144 S. gr.8° - Abhandlungen der
Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Philos.-hist.
Klasse, Jg. 1990, 2. Kart. DM 35,-.

Von den Psalmenhomilien eines Asterios, die Marcel Richard
,956 veröffentlichte, befassen sich sechs mit der Auslegung von
ps 5, vier davon gehen genauer auf die Überschrift (LXX: eiq tö
T^oq, Onfep xfq KXr)povonouoT|q yaAuöc, tü> Aaui'8) ein. Dabei findet
sich Theologisches, Juristisches, Rhetorisches in einmaliger
Mischung, was K. mit großem Sachverstand analysiert. Erzeigt,
^aß Asterios wohl aufgrund einer juristischen Ausbildung Speele
Kenntnisse auf diesem Gebiet hatte, die sich in Vokabular
und Vorstellungen spiegeln. Diese Vorstellungen, soweit sie Ehe-,
^eheidungs- und Erbrecht betreffen, bilden das komplizierte
r^hema, nach dem Asterius Ps 5,1 auslegt. Vereinfacht gesagt:
David wendet sich als Anwalt der Kirche im Rechtsstreit zwi-
Schen Kirche und Synagoge an den Richter Christus, der gleichartig
der Erblasser ist. Die Synagoge als Frau und Erbin Christi
w>rd wegen Ehebruchs zugunsten der Kirche enterbt, die Chri-
s'us nach der Scheidung heiratet. Die Synagoge ermordet ihren

(ehemaligen) Mann (Kreuzigung), wodurch die Kirche das Erbe
antritt. Im Rechtsstreit erhebt die Synagoge Anspruch auf das
Erbe, wobei die Propheten als Anwälte der Kirche deren Interessen
vertreten.

Die Datierungsfrage wird auch hier in dem Sinne gelöst, daß
Details der verwendeten Rechtsvorstellungen zwischen 385 und
439 gültig waren. Dieser Asterios ist also nicht der Theologe aus
der 1. Hälfte des 4. Jahrhunderts („Asterios der Sophist") gewesen
. Ein Vergleich mit den Traditionen der Psalmenauslegung ergibt
, daß Asterios mit seiner Exegese einen eigenständigen Platz
einnimmt und sich eine gewisse Verwandtschaft nur zu Hesy-
chios, Chrysostomos und einem anonymen Katcncnfragmcnt ergibt
.

Die Beigabe der Asterios-Texte in Übersetzung ist begrüßenswert
, ebenso die Wiedergabe einschlägiger Katenenfragmente in
Text und Übersetzung.

Dem Verfasser ist für eine exakte Analyse und eine klare Darstellung
zu danken.

Greifswald Hans Georg Thümmel

Orbe, Antonio: Espiritualidad de San Ireneo. Roma: Editrice
Pontificia Universitä Gregoriana 1989. XL1, 338 S. gr.8° -
Analecta Gregoriana, 256; Ser. Fakultatis Theologiae, A 33.
Kart. £ 48000.

Antonio Orbe (geboren 1917), Pater der Societas Jesu und Mitglied
des Lehrkörpers der Pontificia Universitas Gregoriana in
Rom, die das hier anzuzeigende Opus in mustergültiger Gestalt
in der theologischen Reihe ihrer „Analecta" vorlegte, darf als
einer der derzeit besten Kenner der Schriften des Lyoner Bischofs
(seit 177/178) Irenäus (Eirenaios) gelten. In den Jahren
1988/1989 erschien seine dreibändige „Teologi'a de San Ireneo",
nachdem er bereits 1987 in zwei Bänden das geistige und geistliche
Umfeld des nachmaligen Heiligen erfaßt hatte: „Introduc-
ciön a la teologi'a de los siglos II y III". 1972 galt eine zweibändige
Studie den evangelischen Gleichnissen im Werk des Irenäus
(„Paräbolas evang^licas en san Ireneo"), während der spanische
Theologe schon 1969 eine Abhandlung über die Anthropologie
des Irenäus („Antropologi'a de san Ireneo") vorgelegt hatte. An
diese Arbeit knüpft das vorliegende Opus ausdrücklich an.

Die Anthropologie des Lyoner Bischofs war gekennzeichnet
durch die Gleichsetzung von Homo mit Caro (odp^) - T&doua -
corpus; sie stand also im Gegensatz zu der platonisierenden Konzeption
Homo - Anima. Die Oeconomia salutis erforderte infolgedessen
nach Irenäus eine Spiritualisierung nicht der Seele als
vielmehr des Körpers. Durchaus ungriechisch ergibt sich daraus
eine Lehre von der Salus caruis. Diese Lehre, wesentlicher Inhalt
der Spiritualität (espiritualidad) des Kirchenlehrers, richtet sich
auf die göttliche Erziehung des menschlichen Körpers in einem
doppelten Sinne - als Educatio divina vermittels der beständigen
8r)uiovp7i'a des Heiligen Geistes (Dios Espi'ritu) bezogen auf die
menschliche Materie, als Educatio humana dank der unablässigen
Lernfähigkeit des menschlichen Körpers hin zur 8n,uioi)pYia
des Vaters -, wobei diese Vorgänge sowohl das Individuum wie
die menschliche Gattung betreffen.

Solche Grundgedanken der theologischen Konzeption des Irenäus
erfaßte Orbe in aller Ausführlichkeit - sein Werk setzt sich
aus 14 Kapiteln zusammen. Es untersuchte die Herkunft der einzelnen
Theologumena, erfaßte sie nach Befürwortern und Gegnern
und entwickelte das System des Irenäus in seinen Einzelheiten
und Verzweigungen. Daher führt er vielfältig über das
eigentliche Thema hinaus, und so ist nur zu bedauern, daß das
Opus auf ein Register verzichtete, welches diesen Reichtum noch
deutlicher gemacht hätte als das ausführlich gehaltene Inhaltsverzeichnis
.

Berlin Johannes Irmscher