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Ausgabe: | 1992 |
Spalte: | 599-600 |
Kategorie: | Altes Testament |
Autor/Hrsg.: | Zenger, Erich |
Titel/Untertitel: | Ich will die Morgenröte wecken 1992 |
Rezensent: | Seidel, Hans |
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599
Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 8
600
Zenger, Erich: Ich will die Morgenröte wecken. Psalmenauslegungen
. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1991. 268 S. 8°. geb.
DM 34,-.
Der Münsteraner katholische Alttestamentler legt eine Auslegung
von 25 Psalmen vor. Ursprünglich für eine Wochenzeitschrift
geschrieben,werden sie nun - durch Gespräche und Vorlesungen
überarbeitet - zu einem Andachtsbuch zusammenfaßt.
Der Vf. versteht es, wissenschaftliche Auslegung mit aktualisierendem
Anspruch und Zuspruch zu verbinden. Auch dort, wo
man zu anderen exegetischen Ergebnissen kommt, nimmt man
gern das Gespräch mit dem Vf. auf.
Die Auswahl der Psalmen geschieht nach existentiellen
Schwerpunkten. Eine allgemeinere Einleitung unter der Überschrift
„Verdichtetes Leben" informiert über die Vielfalt der
möglichen Autoren und Lebenssituationen, die Einbindung des
einzelnen Psalms in Sammlungen und redaktionelle Bearbeitungen
. Jeder Abschnitt beginnt mit einer Einführung zum Thema.
Nach der Übersetzung des Psalms, die häufig von der Einheitsübersetzung
abweicht, folgt eine Einleitung zum Psalm und seinem
Kontext. Es schließt sich die Auslegung an, Der erste
Schwerpunkt (II) wird mit „Geheimnis der Schöpfung" gesetzt
und enthält die Auslegung von Ps 104 und Ps 148. Ps 104 lese sich
„wie ein religionsgeschichtliches Florilegium von phönizisch-
kanaanäischen, ägyptischen und assyrisch-babylonischen, aber
auch genuin altisraelitischen Überlieferungen..." (35) Die
Auslegung zielt auf die Aussage: „ Das Schöpferlob von Ps 104 ist
Gebet eines Menschen, der sich aufbrechen läßt von dem Geheimnis
, daß das Reich Gottes in der Schöpfung im Kommen
ist." (45) Ps 148 wird mit einem Ausblick auf die Sammlung
Ps 146-150 eingeführt. Ps 148 sei besonders durch die Zahlensymbolik
(drei, siebem, zehn) geprägt. Der dritte Abschnitt faßt
Ps 46 u. 65 unter die Überschrift „Zion - Quelle des Lebens" und
weitet den Blick auf die Zionstheologie und die thematische
Komposition Ps 65-68. „Visionen des Gottesreichs" (IV) mit
den Psalmen 93, 99 und 100 gibt zuerst einen Überblick über die
Komposition 93-100, die JHWH-Königs-Psalmen. Die ntl. Got-
tesreichVerkündigung aktualisiert der Vf. in der Einzelauslegung
und bekennt, wenn die,Kirche aus den Völkern' (Ps 100) „ Schulter
an Schulter mit Israel den Psalm als Lobpreis auf den Sinaigott
singt, bereitet sie dem Reich Gottes die Wege." (97)
Kap. V (Der Gott des Exodus) legt Ps 81,82 und 118 aus. Hier
erhält die Ecksteinmetapher (Ps 118, 22) ihr besonderes Gewicht
. Unter der Überschrift „Der Gott der kleinen Leute" (VI)
würde man nicht sofort die Auslegung der sogen. Wallfahrtspsalmen
120-134 und speziell die Psalmen 125, 129 und 134 vermuten
. Der Vf. zeichnet besonders den Hintergrund dieser Psalmen,
der häufig auf die „kleinen Leute" verweise. Gerade über diese
Psalmgruppe müßte man mit dem Vf. in eine kritische Auseinandersetzung
auch in der Einzelauslegung treten (vgl. Seidel, Auf
den Spuren der Beter, Berlin 1987, 41 0- „Anschrei aus der
Tiefe" (VII) wendet sich den individuellen Klagepsalmen 6 und
44 zu. Faszinierend sei die Dynamik dieser Psalmen, die fast alle
mit einem hoffnungsvollen Ausblick enden. Die Erfahrung „Vergebung
der Sünden" (VIII) wird mit den Psalmen 130, 51 und
103 vermittelt. Wie bei anderen „Wallfahrtpsalmen" unterscheidet
der Vf. in Ps 130 eine ,Ich-Schicht' als Erstfassung und eine
redaktionelle ,Israel-Schicht', was von der Gattungskritik her
fraglich erscheint. Dem literatur- und musikinteressierten Leser
werden die Hinweise auf die Verarbeitung des Ps 130 in ,De pro-
fundis' interessieren. „Leben mit dem Tod" (IX) läßt die Psalmen
90,49 und 73 plastisch werden, und übersieht nicht den Zusammenhang
von Ps 90-92.
Im letzten Abschnitt „Gottesnähe" (X) kommen Ps 4, Ps 139
und Ps 42/43 zur Sprache. Kurze Hinweise auf allgemeine Literatur
und Kommentare und ausführlichere Literaturangaben zu
den besprochenen Psalmen schließen das Buch.
Dem Vf. ist es trotz der Kürze gelungen, die wesentlichen theologischen
Aussagen zu erheben und sie für den Leser zu aktualisieren
. Daß an manchen Stellen die liturgische Gebetspraxis der
katholischen Kirche anklingt und die Erfahrung mitschwingt,
daß „ wenn Juden und Christen die Psalmen beten, sie sich in ihre
gemeinsame mystische Biographie einüben", kann auch für den
evangelischen Leser ein Impuls sein, die Psalmen nachdenkend
intensiver mitzubeten.
Leipzig Hans Seidel
Neues Testament
Hofius, Otfried: Paulusstudien. Tübingen: Mohr 1989. VIII, 321
S. gr.8° - WUNT, 51. Kart. DM 49,-.
Aufsatzsammlungen sind - das muß wohl in grundsätzlicher
Weise so gesagt werden und trifft daher nicht nur auf das hier zu
rezensierende Buch von Otfried Hofius (H.) zu - in ihrem Wert
ambivalent. Sie sind unter einer bestimmten, mehr oder weniger
passenden Überschrift zusammengestellt; und wenn dann eine
geglückte Auswahl getroffen ist, eröffnen sie einen guten Zugang
zu dem, wie ein Autor seine Grundintention(en) Schritt für
Schritt entwickelte. In diesem Sinne ist freilich mehr der Autor in
seinem geistigen und wissenschaftlichen Werden als die Gesamtthematik
des Buches Gegenstand der Zurkenntnisnahme
durch den Leser - es sei denn, dieser begnüge sich damit, das
Buch als Hilfsmittel zu benutzen, mit dem er halt diesen oder
jenen schwer zugänglichen Aufsatz schnell zur Hand hat. Gemäß
der genannten Ambivalenz ist es der Nachteil einer derartigen
Aufsatzsammlung, daß der Leser, will er ein Gesamtbild der vom
Autor vertretenen Anschauung gewinnen, sich diese erst geradezu
mosaikartig zusammensetzen muß. Ihm wird also zugemutet
, den geistigen Akt der Synthese selbst zu leisten. Doch eine
solche Zumutung ist nicht per se negativ zu werten. Eine Zumutung
in geistiger Hinsicht kann auch im speziellen Fall ein Kompliment
des Autors an den Leser sein.
Aufsatzsammlungen haben, wenn sie erst nach einer ihr
Thema behandelnden Monographie veröffentlicht werden, einen
anderen Charakter, als wenn sie schon vor ihr erscheinen. Die
Paulusstudien von H. sind erschienen, ohne daß bisher aus seiner
Feder eine zusammenfassende Darstellung der paulinischen
Theologie vorliegt. Ob eine solche geplant ist und deshalb diese
Studien vorbereitende Funktion haben, weiß ich nicht. Aber insofern
eignet ihnen trotz des Fragmentarischen, das eine Aufsatzsammlung
nun einmal darstellt, ein zentrierendes Moment, als
die einzelnen Studien energisch auf die Darstellung zentraler
Themen der paulinischen Theologie ausgerichtet sind. Als Anspruch
formuliert H. im Vorwort:
„ 1. Die Briefe des Paulus sind Zeugnisse eines theologischen Denkens,
das sich in jeder Hinsicht... durch innere Stimmigkeit und sachliche Strin-
genz auszeichnet. 2. Im Zentrum der paulinischen Theologie steht (sie!) d'e
Christologie und Soteriologie, - steht eben damit aber auch als deren notwendige
, konsequente für das Denken des Apostels konstitutive Explik3'
tion die Rechtfertigungslehre, deren entscheidende Aussagen in der refor-
matorischen Theologie durchaus zutreffend erfaßt und zur Geltung
gebracht worden sind."
Diesem Anspruch wird H. voll gerecht. Er weiß freilich, wie er
selbst sagt, daß seine Intention „nicht einem gewissen Trend neuerer
Paulus-Deutung" entspricht. Um so mehr sei hier betont,
daß diese seine Intention voll zu begrüßen ist. Eine der wichtig'
sten Aufgaben der evangelischen Theologie dürfte es gerade
heute sein, in exegetisch überzeugender Weise aufzuzeigen, daß
die reformatorische Theologie mit der Rechtfertigung aus Glau-