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Ausgabe:

1992

Spalte:

547-549

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Schütte, Heinz

Titel/Untertitel:

Kirche im ökumenischen Verständnis 1992

Rezensent:

Schwarzwäller, Klaus

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Theologische Litcraturzcitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 7

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der anstehenden Reformationen abweist. Ein solcher Weg der
Sehnsucht der Wiedervereinigung der getrennten Vielheit im
Rückgriff auf den Schein einer ursprünglichen Einheit ist chcror-
phisch (und damit pantheistisch in panekklcsialer Gestalt) als
christlich bestimmt. .Glauben' gerät dabei als mystische Erfahrung
mit dem Einen zur religiös bemäntelten Unvernunft. Exegetisch
bestimmte Theologie wird offenbar als bloß gelehrter
Umweg einem scheinbar direkten .Glauben' entgegen übergangen
. Die ganze Richtung ist falsch, in der dieser Zug fährt"(112).

Das dieser Kritik an den Lima-Texten zugrundeliegende Verständnis
von Taufe, Abendmahl und Amt bedarf einer besonderen
Untersuchung, zumal dort, wo sich eine offenbar recht
emotionale Kirchenkritik (vergl. dazu die vierte Umschlagseitc)
abzeichnet. Doch wenn das Ergebnis ökumenischer Bemühungen
inzwischen dabei ist. in einem undurchschaubaren „Rezcp-
tionsprozeß" sich zu verlaufen, könnte diese linguistische Untersuchung
ein Weckruf sein, um zu erkennen, worauf man sich
theologisch eingelassen hat. wenn diese Ergebnisse in die Praxis
der Sakramentsverwaltung und der Amtsauffassung übernommen
werden.

Es ist dringend geboten, die Implikationen der „Konferenztheologie
" kritisch zu bedenken und daraus Konsequenzen zu
ziehen.

Erlangen Reinhard Slcnczka

Schütte, Heinz: Kirche im ökumenischen Verständnis. Kirche des
dreieinigen Gottes. Paderborn: Bonifatius; Frankfurt/M.:
Lembeck 1991. 203 S. 8 . Kart. DM 19,80.

Vier volltönende Geleitworte sowie das Vorwort lassen möglicherweise
mehr erwarten, als S. laut Titel vorlegen will und
tatsächlich präsentiert: Darstellung von Kirche als trinitarisch
fundiert entspechend derzeitigem ökumenischen Verständnis.
Dabei bleibt S.s Profil als eines röm.-kath. Forschers deutlich erkennbar
.

S.s Darstellung ist positioncll überaus zurückhaltend. In neun
Kapiteln wird mit der Problemexposition ausführlich auf die
Bibel zurückgegriffen und sodann im Horizont der Stimmen der
Konfessionen und Disziplinen die Aussage knapp entfaltet; eine
geschickt zusammengestellte Sammlung „Texte aus der Ökumene
" bildet jeweils den (informativen) Abschluß.

Behutsam wird die Kirche als Geheimnis, als sichtbare Gestalt
und als Gemeinschaft in Wort, Sakrament, Gebet, Dienst. Lehre
und Glauben aufgrund des gnädigen Wirkens des dreicinen Gottes
gezeichnet und charakterisiert als „sakramental" (54) und
mit besonderen, durch Dienst bestimmten Ämtern, mit deren
Wahrnehmung die „Vergegenwärtigung" (pass.) Jesu Christi
bzw. seines Werkes geschieht. Als „Zeichen und Werkzeug" (78)
des Heilshandelns Gottes hat sie für das Heil der Menschen eine
notwendige Funktion, nämlich durch Gestalt und Wirken die im
Credo bekannten Vorgaben Gottes zu realisieren. Sie lebt und
schöpft aus Gottes Rechtfertigung „sola gratia" und hat dabei in
Maria ihr „Urbild" (16). Als Fazit ergibt sich ein interkonfessioneller
„Grundkonsens", der freilich nicht über Differenzen hinwegtäuscht
(vgl. bes. 166,1690- Die kirchliche Einheit ist zwar
nicht machbar; doch Ziel ist „die Gemeinschaft von Schwesterkirchen
.... ein Miteinander in .konziliarcr Gemeinschaft' mit
gemeinsamen Diensten und Ämtern, auch einem Petrusamt im
Dienst der Einheit" (172).

S. hat des Nächstliegende getan: die zahlreichen „Dokumente
wachsender Übereinstimmung" ernst und somit als ckklcsiologi-
sche Basis zu nehmen. Figura zeigt: Diese ermöglicht in der Tat
eine füglich ökumenische Ekklcsiologie. Das bestätigt, was und
wieviel in den letzten Jahrzehnten - nicht zuletzt dank des Drängens
röm.-katholischer Forscher - sich bewegt hat; man kann das

nur mit Dank und Freude zur Kenntnis nehmen. Gleichwohl
sind drei grundsätzliche Bedenken zu erheben.

1. Ist es auch legitim, Kirche im Blick auf das Ziel ihrer Einheit
zu beschreiben, so wird doch Ekklcsiozentrik unausweichlich,
wenn keine Bestimmung von außen her erfolgt, sei es im Sinne
des reformatorischen „ab extra" (mit bleibendem Gegenüber des
Herrn), sei es eines „ad extra", wie es von D. Bonhocffer bis L.
Boff in vielfältiger Weise („Kirche für ...") gefordert wurde,
wenn also nicht zumindest beauftragender Herr oder erteilter
Auftrag Ziele und Wege bestimmen. Fragte E. Lange einst, was
die ökumenische Bewegung bewege, so kann hier die Besorgnis
nicht unterdrückt werden, es sei i. W. sie selbst. Dem entspricht,
daß trotz der Betonung von Umkehr und Buße (vgl. 97. 99f. 107.
125) weder retractationes noch ein Neucinsctzcn - wie z.B. in
der Einlcitungsfragc der Arnoldshaincr Abendmahlsthesen -
vorgesehen ist. Kirche lebt sozusagen aus Kirche und kann es.
„weil Gott ihr die Fülle der Offenbarung und der Heilsgütcr anvertraut
hat "(112) und weil Christus nicht nur ihr Herr ist. sondern
als „Apostel (!) und Grund der Kirche" (116) auf eine Linie
mit den Aposteln, dem Papst und den Bischöfen gebracht ist (vgl.
DS 1501).

2. Es ist S. nicht anzulasten, daß er Dokumente ernst nimmt-
die protestantischerseits auf dissimulatio. exakt: auf fahrlässigem
und ignorierendem Umgang mit dem eigenen Erbe beruhen.
Ob es das konsequente Übergehen der Arbeit O. Kochs über Repräsentation
oder die Behauptung eines für Kirche „konstitutiven
" ordinierten Dienstamtes, ob es der Flirt mit der Kategorie
des Sakramentalen (dagegen CA: De usii sacramentorum ■•)
oderauch dies ist. daß man im gemeinsamen Kommentar zur CA
deren Konturen verwischte (und also dem ökumenischen Partner
etwas schuldig blieb), oder was noch weiter hier zu nennen wäre:
Die reformatorische Tradition wurde wiederholt beiseitegeschoben
. Die vorgelegte Ekklcsiologie ist als ökumenische insoweit
auf Sand gebaut. Das hat nichts mit Orthodoxie, sondern dann'
zu tun. daß Authcntie nur möglich ist in Abarbeitung an der Tradition
. Insofern wäre es wünschenswert gewesen, daß S. E-
Hcrms' Entgegnung auf den Rahncr-Fries-Plan oder auch J-
Baurs Darlegungen über die Rechtfertigung aus Anlaß ökumenischer
Besinnung mitbedacht hätte.

3. Mit dem Vorgelegten unterstreicht S. Jukiisch. daß die ausgerufene
Einigkeit in der Rcchtfcrtigungslchrc ein Zweckpostulat
ist. dessen Validität an deren Auffassung als Artikel oder auch als
„Kriterium und Prüfstein" (130) gebunden ist. Doch im Sinne
der Reformatoren markiert sie ein „Paradigma" und somit eine
spezifische Weise von Wahrnehmung und Verknüpfung. Sic
schließt sowohl die ontologisch spezifische Sphäre des Sakramentalen
als auch Eucharistie samt Epiklesc (die sich mit dem
„est" gerade nicht vermitteln läßt), sowohl die Konzeption von
„geoffenbarte Wahrheit" (170) als auch jeden Gedanken daran
aus, im Handeln der Kirche sei Jesus Christus „das eigentlich1-'
Subjekt" (138). den die Kirche durch ihr Tun vergegenwärtige'
um es wenigstens anzudeuten. Der insoweit wesentliche Zug dieses
„Paradigmas" ist es. daß Gott und Kreatur nie und nirgends
auf denselben Nenner gebracht und somit alle-gedanklichen *|C
institutioncllcn - Gebilde unmöglich werden, in denen das gc'
Schicht. Gerade so wird Christus als wahrer Gott und wähl*'
Mensch in seiner Einzigartigkeit gewahrt und entsprechend sein
Rechtfertigen mit allen Implikationen und Konsequenzen als da5
exklusiv Seine, das weder in unserem Heil noch in der Einheit dC
Kirche, sondern erst im uneingeschränkten Preis des Vaters sein
Ziel hat. Gerade so auch wird die Rctlcxivität von Christsein v,t
Kirchc im Ansatz abgeschnitten und damit ein Ökumenismus-
der auf sich selber zielt. Freilich, dieses „Paradigma" ist S. wl
auch dem rezenten Ökumenismus fremd und damit der contr*"
punetus reformatorischer Einsicht, mit dessen Preisgabe
Ökumene nicht fördern, sondern reduzieren.