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Ausgabe:

1992

Spalte:

523-529

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Titel/Untertitel:

Reallexikon der deutschen Kunstgeschichte ; Bd. 8, Lfg. 85-96 (2. Teil) 1992

Rezensent:

Dinkler- von Schubert, Erika

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Theologische Litcraturzcitung I 17. Jahrgang 1992 Nr. 7

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maier war Anfang Juni 1940 in Finnland; sein Aufenthalt fiel
zeitlich „mit den Abschlußverhandlungcn der deutschen und finnischen
Militärs in Helsinki über die militärische Zusammenarbeit
zusammen" (79).

Das Kapitel „Weltkrieg und Kirchenpolitik" setzt die Linie
fort: Drei Tage nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion
trat Finnland in den Krieg ein. Kirchliche Zeitungen schrieben
von einem Kreuzzug. Murtorinne distanziert sich und sagt zur
Begründung: Man sah in Finnland primär „die Vernichtung der
christlichen Tradition in Ostkarclien und Ingcrmanland während
zweier Jahrhunderte sowie die Schändung von Kirchen und
Friedhöfen in den im Moskauer Frieden abgetretenen Gebieten"
(87). Distanz blieb z.B. bei Bischof Manncrmaa und Professor
Gulin; letztererhörte im Herbst 1941 in Leipzig von seinem Kollegen
Ernst Sommerlath unter vier Augen, „daß auch die Christen
in Deutschland hoffen müßten, daß Deutschland den Krieg
verliere, sonst würde die christliche Kirche in Deutschland vernichtet
werden" (69). In Deutschland sammelten die Landeskirchen
für den Wiederaufbau der Kirchen in den zurückeroberten
Gebieten. Der Dom von Viipuri sollte mit deutscher Hilfe „neu
erstehen und zum inneren und äußeren Wahrzeichen des gemeinsamen
Kampfes werden" (105). Ende 1941 eskalierte der Kirchenkampf
in Norwegen (113-124). Erzbischof Kaila empfand
mit den Christen Norwegens, meinte jedoch, „daß die finnische
Kirche an Deutschland gebunden sei und deshalb der norwegischen
Kirche keine öffentliche Sympathie bekunden könne"
(121). Heckel wollte nach Finnland kommen, die Parteikanzlei
wollte das nicht; erst Ribbentrops Eingreifen ermöglichte die
Reise, auf der Heckel unter Druck stand: „Offensichtlich waren
seine stark propagandistisch gefärbten offiziellen Reden jedoch
genauso an das Auswärtige Amt in Deutschland wie an seine finnischen
Zuhörer gerichtet" (130). Das half ihm jedoch nicht, das
Sicherheitshauptamt der SS unter Heydrich blieb skeptisch:
„Für Heydrich konnte ein evangelischer Bischof den Interessen
des nationalsozialistischen Deutschlands keinesfalls aufrichtig
dienen" (138). Trotzdem war Heckel noch mehrfach in Finnland,
so zur Weihe des neuen Bischofs von Viipuri.

Mit seinen Reden wollte er „zum einen das Zusammengehörigkeitsgefühl
unter den mißtrauisch gewordenen Finnen stärken
und zum anderen den NS-Machthabcrn die Vertrauenswürdigkeit
seiner eigenen Tätigkeit beweisen" (163). Die Finnen ersehnten
einen separaten Frieden. Das letzte Kapitel heißt „Die
Illusion der Waffenbrüderschaft zerbricht" (179-199). Die finnische
Kirche suchte verstärkt Kontakte zu Schweden. Es gab eine
„Rückkehr zu den traditionellen Beziehungen zu den nordischen
Kirchen zur gleichen Zeit, als der Bruch mit Deutschland immer
unausweichlicher wurde" (196). Murtorinne beendet sein Buch
mit einem Hinweis auf die Kontinuität kirchlicher Beziehungen,
„die nicht allein auf rein politischen Faktoren beruhte" (199).

Der Band ist durchweg auf Quellen aufgebaut, 11 Dokumente
kommen zum Abdruck (200-221). Dem Autor ist zu gratulieren
, daß er seine vielen speziellen Artikel in finnischer und deutscher
Sprache zu einem gelungenen Gesamtbild vereinigen
konnte.

Rostock Gert Hacndicr

Christliche Kunst und Literatur

Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte. Hg. vom Zcntralin-
stitut für Kunstgeschichte München. Redaktion: K.-A. Wirth.
Bd. VIII, Lfg. 85-96: Fensterrose-Firnis. München: Beck
1982-1987. 1520Sp.4 .

Rezension Teil II:

(Fortsetzung aus ThIZ 117. 1992.449-455)

In dem Bereich der Pädagogik, speziell des Schulunterrichtes,
führt der mit reizvollen Abbildungen ausgestattete Artikel „Fibel
(ABC-Buch)" (H. Müllcr-K.-A. Wirth: 665/719). die „Übungs-
grundlage zum Erwerb der Lesefertigkeit", bestehend aus Lcsc-
lerntcil (Alphabet) u. Lesebuchteil (Texte). z.T. auch bebildert,
um neben der Lernfähigkeit auch allgemeine Kenntnisse zu übermitteln
. Man soll jedoch, so heißt es 1822. nicht zuvielc Bilder
auf einer Tafel bringen, weil dies die Kinder verwirre. Namhafte
Künstler, z. B. Ludwig Richter, haben sich an F.-Bcbildcrung beteiligt
. Vorläufer der F. sind die sog. „Lcstäflein". in Gebrauch
seit dem 12. Jh.. ein über eine Holztafcl gespanntes Pcrgament-
blatt. wie es Darstellungen überliefern. Seit den späten 15. Jh.
sind Einblattdruckc verbreitet. Das eigentliche Lesebuch des MA
war der Psalter. In den städtischen Lateinschulen gab es seit Anf.
15. Jh. Programmhefte mit Paternoster u. a. liturg. Stücken. Hinsichtlich
eines Unterrichts in der Volkssprache erlauben handschriftliche
Quellen den Schluß, „daß wenigstens in Süddcutsch-
land eine Art Schultradition bestanden hat". Die älteste
bekannte deutschsprachige F. datiert 1486/1493 nach älterer
Vorlage (Sp. 687; Abb. 4).

Der Einfluß der Reformation macht sich im Lesebuchteil geltend
, da die F.-verfasser „alle für die Reformation Partei ergriffen
hatten oder ... dieser zuneigten" (689f): spezifisch kath.-
liturg. Texte wurden durch katechetische ersetzt, da für Schulen
in prot. Ländern u. Reichsstädten Katechismus-Unterricht obligatorisch
wurde (nachweisbar seit 1528): Zweck u. Ziel des Lc-
scnlcrnens soll zugleich Glaubcnsübermittlung sein.

Zu den frühesten gedruckten deutschsprachigen F. gehört das ,. Büchlin
für die Kyndcr aulTs new zugericht. der Lcicn Biblia". Wittenberg 1 534. -
Erstmals greilbar werden jetzt auch inhaltsbezogene Bilder. so heim Vaterunser
Jesu am Ölberg (Abb. 10: Marburg 1534). Der religiöse Grundtenor
bleibt in der Folgezeit erhallen. Erst im IX. Jh. melden sich moralisch-
belehrende und säkulare Tendenzen. So bes. in der vom VT. als „vernünftige
F." bezeichneten Gruppen (702/707). ('. B. Splittergarb. Neues Bilder
ABC - oder Deutsches Lesebuch ... Berlin-Stralsund. I 793. schreibt: ..Ciot-
tes Freude isl glücklich machen. Gott sieht es daher gern, wenn seine vernünftigen
Menschen sich (!) und andere glücklich machen. Er sichl es ungern
, wenn sie sich und andern schaden tun." Eine gründliche AnalyS*
dieser neuartigen F. und ihrer sozialpädagogischen Tendenzen steht noch
aus.

Eine Besonderheit (seit 3. Drittel IX. Jh.. häufiger erst im 14. Jh.) sind
die sog. I'seudo-F. Eine Art Parodie auf die moralische Tendenz der ABC -
Bücher isl das ,. Krähwinklcr ABC- und Bilderbuch" mit fiktivem Druck"
vermerk „Krähwinkel 1822 bey F. Ci. L. Liebet. Tintcnfass". das Kupferstiche
und Zweizeiler enthüll, die an Willi. Busch erinnern. So /. B. zun1
Buchstaben F: .. Der kleine Floh empfindlich sticht / wo Fensler fehlen isl
kein Licht".

Einen Beitrag zur Geschichte der Tracht gibt .. Fibel (Gewand'
spange)" (V. Bierbrauer. H. Wcstcrmann-Angershauscn: (719/
763). Die F. (lat. fibula). eine metallene Gewandspange tnn
Nadel und Nadclhaltcr. ist in Mitteleuropa seit der Bronzezeit
bis in das hohe Mittelalter als grundsätzlich zugehörig zu weiblicher
wie männlicher Tracht nachweisbar und bildet durch unterschiedliche
Form und Anwendung Merkmale der verschiedenen
Kulturbcrcichc (vgl. Karten 7510. Großräumige Verbreitung
läßt auf wandernde Goldschmiede schließen. Bei den germanischen
Völkern im Mittelmeerraum begegnet unter dem Einfluß
der Romanisicrung die bis dahin auf Frauentracht beschränkte
F. auch bei Männern. Damit wird auf römische Tradition zurückgegriffen
, wo die F. Standcsmcrkmal bildete (RAC 7. 791. J. Hcu-
rog: vgl. Justinians-Mosaik in S. Vitale zu Ravcnna. 546/548
u. ö.: der Kaiser mit kostbarer Schciben-F.. die Begleiter mit sog-
Zwicbclknopf-F.).

Im 8.-!()..lh. begegnen „ Heiligen ~-F. (nimbierler Kopf) und KrCUZ-»'
(743. 747). hierzu auch Seheiben-F. von Jenes mit angelöteten KrcU*'
Penditicn (RAC 7. 797 Abb. 2: RBK V. 2011), Erst mit dem Aufkomme"
von Gcwändcm mit Knöpfen im I 2. Jh. kommt die F. außer Gebrauch.

Aus dem Bereich der Tracht, stammt auch h'ichtt (Grctcl Wagner. 763*