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Ausgabe: | 1992 |
Spalte: | 515-517 |
Kategorie: | Kirchengeschichte: Mittelalter |
Autor/Hrsg.: | Angenendt, Arnold |
Titel/Untertitel: | Das Frühmittelalter 1992 |
Rezensent: | Dörfler-Dierken, Angelika |
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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 7
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1 Andererseits fallt auf. daß der Vf. deutsch- bzw. französischsprachige
Literatur, wenn überhaupt, fast ausschließlich nur dann rezipiert, wenn sie
ihm in englischer Übersetzung vorgelegen hat. Unbekannt sind ihm offensichtlich
wichtige dt. Kommentare wie Houssel, Kruft, l.olisc. Müller und
Roloff. Dies scheint mir der Grund für manche Einseitigkeiten in der Darstellung
zu sein.
- So ein Ausdruck Th. Geigers nach Berger, K.. Exegese des Neuen Testaments
. Heidelberg- 1984. 240 und ders.. Wisscnsoziologic und Exegese des
Neuen Testaments. Kairos 19(1977). 124-133.
Kirchengeschichte: Mittelalter
Angenendt, Arnold: Das Frühmittelalter. Die abendländische
Christenheit von 400 bis 900. Stuttgart-Berlin-Köln: Kohlhammer
1990. 499 S. m. 89 Abb. gr.8 . Kart. DM 69,-.
Der Autor, Direktor des Seminars für Mittlere und Neucrc
Kirchengeschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät der
Universität Münster, hat sich schon in seiner Dissertation „Mo-
nachi peregrini. Studien zu Pirmin und den monastischen Vorstellungen
des frühen Mittelalters (München 1972 ■ Münstcrschc
Mittelalter-Schriften 6)" sowie vor allem in seiner Habilitationsschrift
„Kaiserherrschaft und Königstaufe. Kaiser, Könige Päpste
als geistliche Patrone in der abendländischen Missionsgeschichtc
(Berlin, New York 1984 = Arbeiten zur Frühmittelaltcrforschung
15)" und in zahlreichen Aufsätzen als exzellenter Kenner der
frühmittelalterlichen Kirchen-, Liturgie- und Frömmigkcitsgc-
schichte vorgestellt. Seine nun mehr als zwanzig Jahre währende
Beschäftigung mit dieser Zeitspanne europäischer Geschichte
wird in der vorliegenden Monographie für eine Gesamtschau des
Zeitalters fruchtbar gemacht. Trotz der kaum zu überschätzenden
Bedeutung des Frühmittelalters für die Christentumsgeschichte
lag bisher keine neuere Gesamtdarstellung vor. Dabei
fanden christliches Gedankengut und christliche Lebensweise in
dieser Zeit erstmals Eingang in solche Ethnicn, die nicht dem
mediterranen Kulturraum angehörten. In diesem Vcrschmel-
zungsprozeß veränderte sich das (Selbst)Verständnis des Christentums
mindestens ebenso tiefgreifend wie es seinerseits die
traditionellen germanischen Lebensformen auflöste.
Der Bogen der Darstellung Angenendts entfaltet sich in zwei
Teilen. Er spannt sich im ersten Teil „Von der Antike zum Mittelalter
" (53-232). Die Darstellung geht aus von der spätantiken
Reichs- und Kirchenverfassung und gelangt über die Bestimmung
der spezifisch spätantiken Züge der Theologie Augustins
und die Völkerwanderung bis zur Christianisierung der gentilcn
Reiche. Der zweite Teil ist betitelt mit „Die westliche Christenheit
und das karolingische Großreich" (233-460). Hier werden
die politischen Veränderungen im Mittelmeerraum mit ihren
Auswirkungen für das Papsttum und Mitteleuropa, der Aufstieg
und Glanz der Karolinger sowie ihr Niedergang dargestellt. Die
Darstellung ist chronologisch aufgebaut, zentrale Themen werden
zu instruktiven Querschnitten erweitert - wie etwa Mönch-
tum und Kloster, Stadt und Land, Mission und Taufe. Sippe und
Familie, Eheauffassung und Stellung der Frau. Sklaverei. Judentum
, Schriftlichkeit und Mündlichkeit. Hciligenverchrung, Bildungswesen
, Buße und Beichte.
Durch die Einbeziehung wichtiger Grunddaten der Spätantikc
(Diokletianische Reichsreform, Entstehung des Imperium Chri-
stianum) trägt die Darstellung der Tatsache Rechnung, daß das.
was dem heutigen Menschen im Rückblick von der Moderne aus
als charakteristisch für das Mittelalter erscheint, sich nicht im
schroffen Bruch, sondern allmählich herausbildete. Entscheidend
ist nach Meinung Angenendts - rcligionsgcschichtlich-
ethnologisch betrachtet -, daß die Christianisierung der Germanen
eine gewisse Archaisicrung des Christentums eingeleitet hat.
die in den verschiedenen „Renaissancen des Mittelalters", erstmals
in der Karolingischen Renaissance, später dann in der Reformation
, durch den Rückgriff auf das antike Christentum überwunden
wurde. Die geschichtlichen Linien .nach hinten" zur
Antike und .nach vorne" zur Neuzeit bleiben bei dieser Perspektive
ständig präsent und werden punktuell ausgezogen. Die instruktive
Einleitung „Das Problem des Mittelalters" (23-52). in
welcher die Thesen der neueren Forschung vorgestellt und diskutiert
werden, setzt sich darüberhinaus mit der spezifisch konfessionellen
wie mit der nationalistischen Geschichtsschreibung
auseinander und beleuchtet kritisch deren zentrale Behauptungen
. So wird der Leser mit Urteilen konfrontiert, die in der älteren
Kirchcngeschichtc und Profanhistoric gängig waren, und
daran erinnert, daß auch sein .neues' Bild von Frühmittclalter
nicht dagegen gefeit ist. zumindest punktuell ideologisch zu sein.
Besondere Hervorhebung verdient die gelungene Integration
neuerer Forschungen aus dem Bereich der Sozial-. Struktur-, Rc-
ligions- und Mcntalitätsgcschichtc. Hier liegt der deutlichste Unterschied
zu anderen vergleichbaren Einführungen. Es gelingt
dem Verfasser in ausgezeichneter Weise, deren Forschungsergebnisse
aufzunehmen und fruchtbar zu machen, indem er solche
Fragen aufwirft und verfolgt, die in traditionellen kirchenge-
schichtlichen Darstellungen keinen Ort oder nur eine geringe Bedeutung
haben: Wie wirkte sich der Zusammenbruch der antiken
Stadt und Staatsverwaltung auf das Christentum aus? Was bedeutet
es. daß nur noch wenige, ausschließlich Mönche und Kleriker
, schreiben konnten? Wie wird das antike Christentum umgeprägt
, wenn es nicht mehr als Individual- und Gcwissensrcli-
gion verstanden wird, sondern unter den Bedingungen und
Gesetzen der germanischen Sippenbindung sich verständlich zu
machen sucht? Diese Fragen und Stichwortc können nur die Horizonte
ansprechen, vor denen sich Angenendts Darstellung profiliert
. Sic dürften jedoch schon zeigen, daß hier in spannender
und anregender Weise Christcntumsgcschichtc nicht als historisches
Sondcrgcbict. sondern als integraler Bestandteil einer umfassenden
Kulturgeschichte aufgefaßt wird.
„Dieses Buch ist für Studenten und zugleich mit Studenten geschrieben
worden", so heißt es im Vorwort recht unpretentiös.
Damit dürfte der programmatische Anspruch verbunden seinem
Lehrbuch vorzulegen, das in besonderer Weise die Inforrna-
tionsbedürfnissc von Studenten befriedigt. Diesen Anspruch einzulösen
ist dem Autor in mehrfacher Hinsicht gelungen: Der
klare und übersichtliche Aufbau mit einer präzisen Fcinglicdc-
rung erlaubt es. sich schnell in dem Werk zurechtzufinden. Zahlreiche
Querverweise machen thematische Verbindungslinien
sichtbar. Ein Register historischer Personen erlaubt die Auffi""
dung weiterer Informationcnn. Die einprägsame und sprachlich
klare Darstellung überzeugt. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang
auch die große Zahl kunstgeschichtlich oder archäologisch
relevanter Abbildungen und Karten, welche zur Veranschaulichung
der geschilderten Sachverhalte in besonders
gelungener Weise beitragen.
Befremdliches Verwundern erweckt nur ein - auf den ersten
Blick vielleicht marginal erscheinender - Zug des Lehrbuches-
Nirgendwo werden zuverlässige bibliographische Angaben geboten
. So findet sich nach Zitaten jeweils nur der Autorcnnanie-
nicht aber ein Hinweis auf die Seite der Monographie oder des
Aufsatzes, dem das Zitat entstammt. Wenn man nun versucht-
die Quelle des Zitates aufzufinden, ist man auf die 25scitigc Bibliographie
angewiesen. Diese ist teils formal, teils sachlich gegliedert
: ihre Gliederung stimmt also großenteils nicht mit dcn
Abschnitten der Darstellung überein. Zudem werden zahlreiche
Autoren mehrfach mit verschiedenen Abhandlungen zu demselben
Themenkomplex genannt. Deshalb dürfte es eine Studenten
überfordernde Mühe bedeuten, die Quelle eines bestimmten Z'"