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Ausgabe: | 1992 |
Spalte: | 511-512 |
Kategorie: | Neues Testament |
Autor/Hrsg.: | Reck, Reinhold |
Titel/Untertitel: | Kommunikation und Gemeindeaufbau 1992 |
Rezensent: | Frankemölle, Hubert |
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Theologische Litcraturzcitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 7
512
Reck, Reinhold: Kommunikation und Gemeindeaufbau. Eine
Studie zur Entstehung. Leben und Wachstum paulinischcr Gemeinden
in den Kommunikationsstrukturen der Antike. Stuttgart
: Kath. Bibelwerk 1991. XII, 354 S. 8 = Stuttgarter Biblische
Beiträge, 22. Kart. DM 39,-.
Dominierten bis vor ca. 20 Jahren etwa in der paulinischen
Theologie Arbeiten zu theologischen Problemen und zu innertextlichen
Fragen, so werden diese jetzt vermehrt ergänzt durch
literaturwissenschaftliche und soziologische Untersuchungen
(vgl. etwa A. Schreiber zur Gruppendynamik, W. Rebell zu sozialpsychologischen
Fragen oder F. Siegen und //. D, Hei: zu rhetorischen
Argumentationsformen). Die vorliegende Studie, von
der Kath. Theol. Fakultät der Universität Würzburg 1990 als
Dissertation angenommen, will „einen Beitrag zum besseren
Verstehen der Missionstätigkeit und des Gemeindelebens im frühen
Christentum leisten" (2). Dem Vf. geht es weniger um die
paulinischen Gemeinden an sich, sondern um die mannigfachen
kommunikativen Beziehungen in diesen Gemeinden und zwischen
ihnen und den Gemeindeleitern. Dies alles in den von der
Antike vorgegebenen Kommunikationsstrukturen, die für die
Ausbreitung des Evangeliums erstaunlicherweise bislang noch
nicht aufgearbeitet und für die Auslegung der Texte fruchtbar
gemacht wurden. Ohne Frage erfordert dieser Ansatz eine Darstellung
und Sichtung moderner Kommunikationswissenschaft.
Vor allem ist die Fragestellung keineswegs nur historisch, vielmehr
ortet der Vf. sie zu Recht zu Beginn und Ende der Arbeit
(lf.322f) in die aktuelle Herausforderung der teilweise noch bestehenden
„Volkskirche, der die Basis des Gemeindeglaubens
und -lebens unter den Füßen wegzurutschen droht" (1). In der
Situation der vielbeklagten Traditionskrise christlichen Glaubens
kann es - so der Vf. - „einen Ausweg aus der Krise aber
ohne eine konsequente Besinnung auf die Anfänge und die .Urkunden
' des Glaubens nicht geben" (322). Mithin versteht der
Vf. sein Buch nicht nur als historisch-exegetisches Spezialwerk,
sondern auch als kräftigen Impuls für alle Bereiche der Praktischen
Theologie. Darin ist ihm uneingeschränkt Recht zu geben.
Was er im Rückblick (318-323) etwa zu den Bedingungen überzeugender
Kommunikation formuliert, zum überzeugten Zeugen
, zur Gemeindebildung als Frucht der Evangelisierung
(nimmt man dies ernst, werden Mitarbeiter in den Gemeinden
enorm vom Erfolgsdruck entlastet) oder zum Haus als dem originären
Raum vielfältiger Lebensvollzüge einer Gemeinde, bietet
für die christlichen Großkirchen wirklich kräftige Impulse. Die
oft gestellte Frage, ob Linguistik. Soziologie und Psychologie das.
was neutestamentliche Texte theologisch zu sagen haben, besser
erfassen lassen als die traditionellen historisch-kritischen Methoden
und ob der methodologische Aufwand der Darstellung und
Einbeziehung neuer Betrachtungsweisen sich denn lohne, wird
vom vorliegenden Buch klar beantwortet.
Die Gesamtanlage des Buches ist, dies deutet sich schon an.
klar strukturiert und didaktisch durchdacht. In der Einführung
(1-5) wird knapp über die Motivation, Methode und Forschungssituation
referiert. Daraus ergibt sich die Aufgabe, im
zweiten Teil (6-67) zunächst den Begriff Kommunikation (6:
„weithin ein Gummibegriff") der modernen Kommunikationswissenschaft
darzustellen, was zwar zum einen umfassend, dann
aber doch schon im Hinblick auf die antiken Kommunikationsstrukturen
(68-157) sowie auf das Hauptstück der Arbeit „ Kommunikation
in paulinischen Gemeinden" (158-317) durchgeführt
wird. Da der Vf. die Paulusbriefe „mit Hilfe des
Instrumentariums der modernen Kommunikationswissenschaft
auf dem Hintergrund der antiken Kommunikationsstrukturen
und im Hinblick auf Entstehung, Leben und Wachstum von Gemeinden
" (318) lesen will, und er nicht theoretisch, sondern „bei
den konkret faßbaren Phänomenen (z. B. Reiseverkehr, Schulbetrieb
, Beziehungsstrukturen, usw.)" (67) ansetzt, ist damit auch
die leitende Perspektive bei der Sichtung der ausufernden Literatur
zur modernen Kommunikationswissenschaft gegeben, so daß
kommunikationstheoretische Ansätze wie Systemtheorie oder
Kommunikationstherapie mit Recht wenig rezipiert werden (zu
Niktas Luhmann vgl. die kritischen Hinweise auf S. 18-20. zur
Theorie der kommunikativen Kompetenz von Jürgen Habermas
vgl. 14-16). Bereits in diesem Teil sowie in der Darstellung der
antiken Kommunikationsstrukturen wird deutlich, daß die historisch
-kritischen Methoden die sozialen Aspekte bei der Entstehung
, im Leben und Wachstum der paulinischen Gemeinden
nicht hätten erfassen können. Hinzuweisen ist etwa auf das Problem
der antiken Massenkommunikation (etwa durch Mund-zuMund
-Propaganda, durch Gerüchte), die nicht nur für die
Antike, sondern auch für die moderne Kommunikationswisscn-
schaft noch nicht aufgearbeitet ist.
Für die Gesamtanlagc des Buches wichtig erweist sich der Begriff
Kommunikation, den der Vf. in Anlehnung an R. Bwkari
versteht: „Ein wechselseitiges soziales Verhalten der medialen,
symbolischen Bedeutungsvcrmittlung. das Verständigung bewirkt
" (42). wonach also auch nonverbales Handeln wie Hcrrcn-
mahl (218-221.241-243) und Taufe (184-186). aber auch das
Handeln Gottes an der Gemeinde (222-228) subsumiert werden
können. Daneben werden alle Aspekte von Kommunikationsprozessen
im Leben der Gemeinde von der Kollekte über das
Zungenreden bis zur Gruppen-Sprache dargestellt im Prozeß der
Entstehung der Gemeinden (165-198), in ihrem Leben (199—
294) und in ihrem Wachsen (295-317). Erstaunlichcrwcisc wird
der letzte Aspekt in der zahlreichen Literatur zur Gemeinde im
NT in der Regel ausgeblendet, da man selbstverständlich von der
Existenz der Gemeinde ausgeht, nicht aber nach dem prozessualen
Wachstum der Gemeinde fragt. Der Vf. differenziert hier zu
Recht zwischen dem qualitativen, quantitativ-numerischen und
geographischen Wachstum, wobei für Paulus das erste und letztere
angezielt wurde, er als „guter Baumeister das Fundament"
legte (IKor 3.10; Rom 15.20), während die einzelnen Gemeinden
im Konzept dieser paulinischen Zentrumsmission für das
zahlenmäßige Wachstum zu sorgen hatten. Für eine hierarchisch
stark gegliederte Kirche ist dies wahrlich kein unwichtiger innovativer
Impuls.
Abgeschlossen wird das gut lesbare und klar gegliederte Buch
durch ein ausführliches Verzeichnis dcrglcichzcitigsorgfaltig w'c
kritisch rezipierten Literatur sowie durch ein sehr brauchbares
Stellen- und Sachregister (348-354).
Im ganzen liegt eine Konzeption vor. die kräftige Impulse för
pastoraltheologische Konzeptionen bischöflicher und wissenschaftlicher
Gremien liefert: auch viele Bücher zur ntl. Ekklcsio-
logic dürften nicht nur um ein weiteres Kapitel ergänzt werden
müssen, vielmehr müßten sie auch von ihrer innertextlichen, rein
systematischen Sicht mit beiden Beinen auf die Erde gestellt werden
. Dem Buch sind also viele Leser zu wünschen!
Paderborn Huben Frankcmöllc
Thompson, Leonard L.: The Book of Revelation. Apocalypscano
Empire. New York-Oxford: Oxford Univcrsitv Press 1990-
265 S. gr.8 . Geb. £ 24.-.
Die zu bespr. Untersuchung von Leonard L. Thompson, fr°'
fessor of Rcligious Studies an der Lawrence Univcrsity/USA-
fügt sich in die Reihe sozialgcschichtlich orientierter Abhand
lungen zu verschiedenen Bereichen des frühen Christentums*'"'
Thompsons Werk ist stark durch die Auseinandersetzung n1lt
der neueren, v.a. durch die Namen Gager und Sehlis^"1
Fiorenza repräsentierten amerikanischen Forschung zur Apc 8^
prägt (25-28. vgl. auch den hilfreichen Überblick 202-210''