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Ausgabe:

1992

Spalte:

28-31

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Tagliacarne, Pierfelice

Titel/Untertitel:

"Keiner war wie er" 1992

Rezensent:

Waschke, Ernst-Joachim

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Seite 1, Seite 2, Seite 3

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 1

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Teil II leiten J. C. Exum und J. W. Whedbee mit einem vierzig
Seiten umfassenden Aufsatz ein: "Isaac, Samson and Saul: Re-
flections on the comic and tragic Visions." Sie bezeichnen u.a.
Simson als einen typischen komischen Helden. Er sei ein Schelm,
ein hebräischer Rob Roy, ein Till Eulenspiegel in biblischem Gewand
. Sein Witz und seine Kühnheit verschafften den Israeliten
die Gelegenheit, die Philister zu verspotten und auf ihre Kosten
ordentlich zu lachen.

Dann schreibt M. Garsiel "Wit, Words, and a Woman: 1 Samuel
25." Kein Leser werde seiner Überzeugung nach den
Humor übersehen, der durch den Kontrast zwischen den bescheidenen
Worten der Witwe gegenüber David und ihrem Wunsch
entstehe, eine Dame von hohem Rang durch die Mitnahme von
fünf Mägden zu sein.

Es folgt R. P. Caroll, "Is Humour also among the Prophets?"
Er grenzt Satire, Ironie, Spott usf. gegenüber Humor ab und sagt,
der Humor, wie man ihn heute kenne, sei kein Charakterzug der
Bibel. Doch könne man heute die hebräische Bibel als eine
Sammlung humorvoller Geschichten lesen, weil die in ihnen
spielenden Menschen ironisch dargeboten seien. Der moderne
Leser könne über die Torheit und Albernheit der Charaktere lachen
, die in ihrem eigenen Geschwätz sich verfingen. Das liege
aber eben nicht in den Personen selbst, sondern in der Art ihrer
Präsentation. Das gelte es gerade bei den Propheten aufzuspüren.
Unter den altisraelitischen Propheten betont C. z. B. als humorvoll
die Eselinnen-Szene Bileams, des Sehers, der nicht sehen
kann. In den Schriftpropheten sei außer Ironie und beißendem
Spott kein Humor zu finden. Eine Ausnahme bilde Jona, über
den man belustigt erzählt habe. Obwohl er es weder wollte noch
versuchte, habe er die heidnischen Seeleute und die Niniviten
zum wahren Gott bekehrt. Der Erzähler zeichnete geschickt
"such a ludicrous picture of an absurd person."

Bei P. R. Davies entdeckt man aber dann doch " Joking in Jere-
miah 18." D. argumentiert, Jerl8 sei ein Scherz, nämlich eine
spaßhafte Geschichte, und handele über einen Scherz. Die Argumentation
will freilich nicht recht überzeugen.

J. R. Miles handelt speziell über Jona: " Laughing at the Bible:
Jonah as Parody."

Danach erörtert W. Whedbee "The Comedy of Job." Für das
Hiobbuch in der heute vorliegenden Gestalt - so der Vf. - sei die
geeignetste und überzeugendste Gattungsbezeichnung Komödie
'. Es stimme mit dem Aufbau vieler Komödien überein, denn
es sei reich, angefüllt, feiere das Leben trotz seiner Widersprüche
und Rätsel.

Ein drittes Mal begegnet man der Mitherausgeberin A. Brenner
: '"Come back, come back the Shulammite' (Song of Songs
7.1-10): A Parody of the Wasf Genre." Ct 7,1-10 ist nach Meinung
der Autorin eine scherzhaft-komische Behandlung des Liebesthemas
; formal und bildhaft den anderen Beschreibungsliedern
ähnlich, aber deutlich differierend, indem das Mädchen
insofern als schön und lieblich beschrieben werde, als der sexuelle
Genuß betroffen sei. Ein Vergleich aller uns aus dem Alten
Orient bekannten Beschreibungslieder wird in dem Belang ein
anderes Urteil erzielen lassen.

An vorletzter Stelle kommt E. Levine zu Wort mit dem Artikel
"Qohelet's Fool: A composite Portrait." Das Komische in der
Art, wie Kohelet auf den Narren und die menschliche Narrheit
Bezug nimmt, gründet L. zufolge darin, daß solche Menschen
meinen, anders zu sein als sie wirklich sind, daß sie vorgeben,
mehr zu sein.

Zu "Esther with Humour" kommt abschließend nochmals
Y.T. Radday zu Wort. Er vertritt die These, das Buch Ester sei
hoch amüsant und voller halb ausgesprochener und gelegentlich
bissiger Satire. Beispielsweise werde ironisch die Passivität der
Juden herausgestellt, als ihnen die äußerste Gefahr droht. Oder
es sei humorvoll interessant, in Kapitel 5 die Länge der Äußerungen
Mordekais, des Königs und Esters sowie deren Häufigkeit zu
vergleichen. Der Gipfel des Humors finde sich in Kapitel 7, wo
Haman, dem Vernachlässsigung seiner Pflicht, Illoyalität und geplanter
Völkermord durchging, für ein Verbrechen, das er nicht
verübte, mit seinem Leben bezahlen muß. Zudem machte sich
der Autor des Esterbuches lustig über den gewichtigen persischen
Staatsapparat und den prunkhaften Königshof, indem er das entsprechende
Vokabular sehr häufig anwendete und andererseits
das Passivum bei seiner Darstellung bevorzugte.

Den mit der Bibel Umgehenden, Gelehrten und Laien, bleibt
es anheimgestellt zu entscheiden, inwieweit die hier ausgesprochenen
Urteile überzeugen oder nicht, und das wird unstreitig individuell
verschieden sein.

Stuttgart Wolfram Herrmann

Tagliacarne, Pierfeiice: „Keiner war wie er". Untersuchung zur
Struktur von 2. Könige 22-23. St. Ottilien: EOS 1989. XI, 473
S. Beilage: 20 S. 8 = Münchener Universitätsschriften. Arbeiten
zu Text und Sprache im Alten Testament, 31. Kart. DM
63,-.

Bei dieser Untersuchung über 2Kg22-23 handelt es sich um
die Dissertation des Vf.s, die von dem Münchener Alttestament-
ler W. Richter betreut worden ist. Damit ist zugleich angezeigt,
daß der Vf. in seiner Untersuchung nicht der traditionellen Methode
der historisch-kritischen Exegese folgt, sondern sich der
alttestamentlichen Literaturtheorie und Methodologie W. Richters
verpflichtet weiß. Ausgehend von der sicher richtigen Einsicht
, daß der Text von 2Kg 22-23 in deratl. Exegese ausreichend
Beachtung gefunden hat, so daß auf den bisher beschrittenen
methodischen Wegen kaum wirklich neue Ergebnisse zu erwarten
sind, sieht sich der Vf. vor folgende Alternative gestellt: „ Es können
nämlich entweder neue Argumente in einen akzeptierten
Rahmen der Forschung eingeführt oder neue Regeln entworfen
werden, die einen ,Spielwechsel' erwirken" (3). Er selbst entscheidet
sich für den Paradigmenwechsel in der exegetischen
Methode. Vor allem im Gegenüber zur literarkritischen Forschung
stellt er für seine eigene synchrone Betrachtung der Endgestalt
des Textes folgende Prämissen auf: „(1) Die Unein-
heitlichkeit bzw. Zusammengesetztheit eines literarischen
Komplexes kann erst in Erwägung gezogen werden, wenn sein
globales .Funktionieren' als unhaltbar erwiesen wurde... (2) In
ihren zugespitzten Formen ... gehen die literarkritischen Untersuchungen
noch vom Axiom aus, daß Unebenheiten, Spannungen
und Widersprüche im Text beseitigt werden müssen, um
einen einheitlichen, in sich kohärenten Text zu erreichen. Dieses
Axiom scheint aber der Wirklichkeit der literarischhen Produktion
zu widersprechen... (3) Die Arbeit am Text zielt darauf, seinen
Kode zu entschlüsseln: zuerst auf der sprachlichen Seite und
dann auf der Suche nach Indizien, die das .Leseprogramm' bilden
" (4-6). Nachdem der Vf. sich entschieden hat, seiner Untersuchung
den masoretischen Text zugrundezulegen (6-9), formuliert
er am Ende der sehr knappen Einführung die einzelnen
methodischen Schritte, die in den nachfolgenden Kapiteln seiner
Untersuchung zur Anwendung kommen (9).

In Kap.2 „Objektsprachliche Transkription" (11-32) wird
2Kg22,1-23,30 zunächst von seinem weiteren Kontext abgetrennt
und durch seine Sätze segmentiert. Am Ende steht eine
Transkription des Textes, der als sog. „Normaltext" die Basis für
alle nachfolgenden Untersuchungen bildet. Da diese erste Segmentierung
„eine optimale Operabilität am Text noch nicht gewährleistet
" (33), macht sich eine Zwischensegmentierung notwendig
.

Ausgangspunkt für Kap. 3 „Satz vs. [im Gegensatz zur] Ganzheit
des Textes: Zwischensegmentierung" (33-44) ist deshalb die