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Ausgabe:

1992

Spalte:

474

Kategorie:

Kirchenrecht

Autor/Hrsg.:

Kalde, Franz

Titel/Untertitel:

Authentische Interpretationen zum Codex iuris canonici 1992

Rezensent:

Schwarz, Karl

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 6

474

den Gedanken und Begriff der Person als zentralen Untersu- Kirch6fir6Cht

chungsgegenstand, der in seiner Sinnspitze in den Begriff der Inexistenz
mündet. In der Tat ist damit, wie die Arbeit zeigt, ein

systematischer Leitbegriff gewählt, der dem Denken Guardinis Kalde- Franz: Authentische Interpretationen zum Codex Iuris

gemäß und zugleich für die Themabcarbeitung fruchtbar ist. Canonici. Respons.oncs authenticae- PCI. . . e Collcctio rc-

a ■ j- c V. _■• ■ a sponsionum a Pontificia Commissionc Codici Iuris Canonici

In Kap. A wird in einem ersten Vorentwurf „Guardinis Ansatz authcnticc jnterpretando annis 1984-1989 datarum. Metten:

einer gläubig-denkenden Vermittlung" herausgearbeitet, der in Abtei-Verlag 1990. 56 S. 8° = Subsidia ad iuscanonicum vigens

den folgenden Kapiteln weiter entfaltet wird. In Kap. B werden applicandum, 1.
das Dasein und die Welt als Daseinsraum bearbeitet und sodann

Guardinis kritische Sicht des neuzeitlichen Welt- und Daseins- Im weltlichen Recht erfolgt die Interpretation des Gesetzes

Verständnisses erörtert. Von da aus kann im folgenden Kap. durch Richterspruch, im kanonischen Recht gibt es hingegen

Guardini auf sein Verständnis von Person hin befragt werden, eine alte Tradition (mit römisch-rechtlichen Wurzeln) der au-

Die Erörterungen schließen mit der Herausarbeitung dessen, von thentischen Interpretation durch einen singulären Vcrwaltungs-

wo her die Person eigentlich Person sein kann. Der dabei vollzo- akt. Hatte sich schon Benedikt XV. nach der Promulgation des

gene Schritt über ein rein immanentes Personverständnis hinaus CIC (1917) einer entsprechenden Kommission (Consilium scu

auf Transzendenz hin wird in Kap. D durch eine Analyse von Commissio Pontificia ad canoncs Codicis authcnticc interpre-

Guardinis Offenbarungsbegriff vertieft. tandos) bedient, so verfuhr der Hl. Stuhl beim neuen Codex

Nachdem in solcher Weise das Personverständnis Guardinis ebenso und übertrug einer 1984 (Motuproprio „Rccognito Iuris

herausgearbeitet ist, werden in den folgenden Kapiteln die Kon- Canonici Codice") eingerichteten Kommission die Aufgabe, den

Scqucnzen im Blick auf die religionspädagogische Fragestellung CIC 1983 sowie „die anderen allgemeinen Gesetze der latcini-

gezogen. Es wird Guardinis Antwort auf die transzendental- sehen Kirche" authentisch zu interpretieren. In der Berichtszeit

kritische Anfrage an das neuzeitliche Daseinsverständnis entfal- sind weit über 400 Anfragen an die Kommission herangetragen

tet, die christliche Personalität als Nachvollzug des Gottesvcr- worden, der Großteil wurde an die zuständigen Dikastericn wei-

ständnisses im Horizont des Ethos Jesu expliziert und die tergclcitct. 32 jedoch nach Auskunft des Vorsitzenden Rosalio

^aseinsweisc der pneumatischen Existenz als Inexistcnzverhält- Jose Card. Castillo Lara in Plenarversammlungcn der PCI unter-

n's herausgearbeitet. Christliche Inexistenz wird bestimmt als: sucht, dreiundzwanzig Antworten wurden publiziert und bilden

»Eine Einheit im Gottesverhältnis des Menschen, welches Ver- den Inhalt der anzuzeigenden lateinisch-deutschen Sammlung,

hältnis von und in Christus gestiftet und gehalten ist" (168). Den Eine Bibliographie der publizierten Antworten, einschließlich

begriff der Inexistenz gewann Guardini von den Paulusbriefcn der Übersetzungen und Kommcnticrungen. erhöht den prakti-

her. Dabei wird als zentral herausgestellt, daß Christus im Glau- sehen Wert enorm.

Menden bzw. der Glaubende in Christus existiert. Hierbei handelt Um ein Beispiel einer Interpretation zu nennen: Es wurde zu

es sich um eine pneumatische Wirklichkeit, für die das Pfingst- can 1103 (Konscnsmangel. Zwang und Furcht) gefragt, ob er

ereignis als das grundlegende Datum anzusehen ist. auch auf Ehen von Nichtkatholikcn angewendet werden könne:

'm letzten Kap. wird der Zusammenhang von Inexistenz und ■ dies wurde von der PCI zustimmend beantwortet (18f)-
Bildungslehre dargelegt. .Bild' wird als Inbegriff der Wesensbc-

s'immungdes Individuums herausgestellt und eine Vcrhältnisbe- Wien Karl Schwarz
s'irnmung von Bild und Bildung vorgenommen. In der Bildung

a's Prozeß des Werdens geht es jeweils auch um die Realisierung ... ir . _ ,_, ... . . , .

de« r- .. . .., ■ -r . . ...... ., Wolf, Lorenz: Der Irrtum über eine Eigenschaft der Person als

« Gottcsverhaltmsses von der Tatsache der Ebenb.ldlichkc.t Ehenichtigkeitsgrund. Ein Beitrag zur Interpretation von c.

r- Konkretisiert werden die Überlegungen am Beispiel der Ii- 1097 § 2 des CIC. St. Ottilien: XXXV. 188 S. 8C = Dissertatio-

rg'schen Bildung. ncn. Kanonistischc Reihe. 4. Kart. DM 24.-.
Der Autor dieser Studie hat sich tief in die Gedankenwelt

Uardinis eingearbeitet. Seine Perspektiven sind umfassend. Es Die Bestimmung über Ehenichtigkeit wegen anfanglichen
gelingt ihm. Guardini in systematisch stimmiger Weise auszulc- Konsensmangels spielen im scheidungsfrcundlichcn Recht der
gen. Der Darstellungsstil, der auf weite Strecken im Rahmender Bundesrepublik keine praktische Rolle mehr: das Familiengc-
Uardinischen Sprachgestalt verbleibt, ist überaus kompliziert. setzbuch der DDR hatte sie gestrichen. Auch die evangelischen
'er hätte man sich im Blick auf eine mögliche Breitenwirkung Bestimmungen über Trauung von Geschiedenen stellen auf sol-
eine weitergehende sprachliche Transposition gewünscht. In in- che Fragen nicht ab. Im römisch-katholischen Kirchcnrccht da-
a,tlichcr Hinsicht liegt ein Beitrag zur Frage von Bildungstheo- gegen, wo die Scheidung einer gültig geschlossenen und vollzogene
und Anthropologie vor, bei dem die Theologie als Horizont nen Ehe unmöglich ist. kann die Aufdeckung eines bereits bei der
menschlicher Daseinsauslegung eingebracht wird. Die vorgetra- kirchlichen Trauung unerkannt gegebenen Nichtigkeitsgrundes
^ne Interpretation ist einleuchtend und überzeugend. Für die jedenfalls die Folgen einer weltlichen Scheidung auch kirchlich
°ntur des Denkens von Guardini ist es gewiß nicht zufällig, daß herbeiführen. Die anzuzeigende Dissertation zeigt, mit welcher
e Ausführungen am Ende auf eine Erörterung der liturgischen Subtilität katholische Moralthcologic und Kanonistik hier vorge-
''dung hinauslaufen. Im Ganzen ist deutlich, daß es bei dieser hen. Einerseits soll leichtfertige Auflockerung des „favor matri-
itersuchung primär um eine theologische Klärung des Bil- monii" ausgeschlossen sein, andererseits aber auch der einem
ngsproblems geht, weniger um das Gespräch mit nichttheolo- schweren Irrtum zum Opfer gefallene Nupturicnt nicht in einer
U'schen Positionen und Verständnissen von Bildung. So wird hoffnungslosen Verbindung festgehalten werden.
ch dieGuardinische Position nicht explizit mit dergegenwärti- Der Vf. schildert die Wertung des „Eigenschaftsirrtums" beim
n. breit gefächerten Diskussion um den Bildungsbegriff in Bc- Ehegatten in der geschichtlichen Entwicklung, u. a. bei Thomas
nung gesetzt. Die vorliegende Untersuchung stellt zweifellos von Aquin (5-8) und Alfons von Liguori (24-27). deren Formeln
en beachtlichen Beitrag zur Guardini-Interpretation dar. und Regeln bis heute nachwirken. Die Auslegung des einschlägigen
c. 1083 § 2 CIC/1917 durch die kirchlichen Gerichte (34ff)
^ürzburg Gottfried Adam wird ebenso wie die Vorgeschichte der Ncuformulicrung in c.

1087 § 2 CIC/1983 (107ff) ausführlich dargestellt, auch die Interpretation
der neu gefaßten Vorschrift in Wissenschaft und