Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1992

Spalte:

472-473

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Schreijäck, Thomas

Titel/Untertitel:

Bildung als Inexistenz 1992

Rezensent:

Adam, Gottfried

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

471

Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 6

472

auch nach einem verstandesmäßigen Zugang zur Sinnhaftigkcit
des Betens und zur Erhörungsgewißheit vorhanden ist. (So überraschend
aktuell zu Anfang letzten Jahres, als in der beklemmenden
Stimmung bei Beginn des Golfkrieges viele Jugendliche die
direkte Frage stellten: Warum sind unsere Gebete - um die Erhaltung
des Friedens - nicht erhört worden?) Und schließlich kann
dem Thema auch nicht seine Bedeutung Tür die gottesdienstliche
Verkündigung abgesprochen werden. Allein schon die Bezeichnung
eines Sonntags im Laufe des Kirchenjahres weist darauf
hin: „Exaudi" = Herr, erhöre! (Psalm 27,7).

Den meisten Gewinn von der Lektüre dieser aus dem dogmatischen
Seminar für katholische Theologie in Bonn hervorgegangenen
Abhandlung hat daher zunächst einmal der im Bereich der
kirchlichen Erwachsenenbildung Geforderte. Ihren Ausgangspunkt
nimmt sie bei anthropologischen Fragestellungen wie:
Greift Gott in die Naturgesetze ein? Ist Gebetserfahrung grundsätzlich
auch denkmöglich? Wie verhält sich die „Passivität" des
Gebets zum aktiven Handeln der Tat? Die philosophischen Bemühungen
führen aber letztlich zur Erkenntnis, daß „die Idee der
gewissen Gebetserhörung" nicht aus sich selbst begründet werden
kann; sie kann nur von dem her gewonnen werden, der „die
Gewißheit der Gebetserhörung behauptet hat".

In diesem Sinne folgt die Abhandlung ihrer Hauptthese, daß an
der Lehre und dem Leben Jesu selbst nicht nur die Gewißheit der
Gebetserhörung festzumachen ist, sondern daß damit auch das
„proprium christianum des Gebets" getroffen ist (20). Mt 21.22
wird zum Schlüsselbeleg für das erhörungsgewisse Tun des Betens
. Der Vf. konstatiert nach Durchsicht der jüngeren einschlägigen
katholischen und evangelischen Arbeiten zum christlichen
Gebet einen zu kurz gekommenen Gegenstand (11-19). Den beiden
christologischen und ekklesiologischen Hauptteilen läßt er
noch einen in das Feld der theologischen Ethik ausholenden
Hauptteil über das Verhältnis von Gebet und Moral folgen.
Dabei konzediert er, daß weitere Aspekte (etwa die sprachphilosophische
Seite) noch gar nicht berücksichtigt sind (20). Dieser
Hauptteil IV bleibt für den evangelischen Leserwohl deshalb unbefriedigend
, weil er sich weniger dem an sich so aktuellbrisanten
Thema zuwendet, ob denn angesichts der globalen
Weltnöte ein Christentum der Tat und eine Kirche der sozialen
Weltverantwortung wichtiger wären als eine um christliche Spiritualität
und neue Formen der Gebetspraxis ringende Kirche.
Vielmehr bleibt dieser Teil zu sehr in der innerkatholischen
Grundsatzproblematik zwischen einer am Naturrecht orientierten
und einer autonomen christlichen Ethik hängen. Der Bezug
zum zeitgeschichtlichen Kontext bleibt marginal. Immerhin versöhnt
der Schlußsatz unter Bezugnahme auf den Tübinger Systematiker
Eberhard Jüngel: „Somit erweist sich die Gewißheit der
Gebetserhörung als Leitgedanke nicht nur der Dogmatik, sondern
auch der Theologischen Ethik" (278). Aber das bleibt mehr
Programm. Im übrigen hat bereits Helmut Thielicke in seiner
Theologischen Ethik dazu Wichtiges gesagt (und auch gepredigt
).

Das Herz des Vf.s schlägt indes bei der christologischen Entfaltung
seiner Hauptthese. Hier findet er dankbare Schüler, gerade
auch bei den in der reformatorischen Theologie beheimateten
Lesern. Insbesondere das Vaterunser mit seiner Abba-Anrcde
kennzeichnet das Moment des unbedingten Vertrauens und der
Zuversicht der Erhörung (95), wie andererseits in keiner anderen
Situation als der von Gethsemane dieser Glaube gefährdet ist
und Zuversicht sich bewähren muß. Der Höhepunkt der Abhandlung
ist die Konstatierung der „Auferstehung Jesu als
Grund der gewissen Gebetserhörung" (117ff). Sie ist es aus
einem doppelten Grund: „... weil sie einmal Jesu Verheißung der
Erhörung als mit Gottes Willen übereinstimmend offenbart und
weil sie zweitens selbst die Erhörung eines Gebets, nämlich der
Bitte Jesu um Rettung aus dem Tode darstellt" (122). Geschieht

daraufhin das Beten des Christen „im Namen Jesu", dann ist
jeder Verdacht auf magisches Denken ausgeschlossen und überholt
; die innere Bindung des Gebets an Leben, Leiden und Auferstehung
Christi schließt magisches Denken aus. Und ebenso verschwindet
eine andere Entstellung des Gebets, „wenn sie immer
nur auf konkrete Nachweise oder Berichte von Gcbctscrfahrun-
gen bezogen wird". Solcherlei Gewißheit wäre securitas und keineswegs
certitudo (128). Bloße Erinnerung an Gebetserhörung
reicht zur Konstituierung ihrer Gewißheit nicht aus (129). Als
konkreter Erfahrungsraum für das erhörungsgewisse Gebet stellt
sich die Kirche mit ihren Konstitutiva von Lehre der Apostel und
Gebet, Brotbrechen und Gemeinschaft (Apg. 2.42) dar.

Mit der Verwurzelung dieser lesenswerten Abhandlung in der
katholischen Theologie sind gewiß viele einzelne Gedankengänge
und Argumentationswege aus Kirchen- und Dogmengeschichte
und insbesondere aus Fundamcntalthcologic und Philosophie
verbunden. Insgesamt aber ist es hochcrfrculich. daß auch
evangelische Theologie in breiter Weise aufgenommen und nicht
nur das Gespräch mit ihr geführt wird, sondern daß sich letztlich
auch das reformatorischc Prinzip des sola fide im Sinne der fidu-
cia durchsetzt: Allein aus Glauben und Vertrauen. Bei der im
Gottesdienst lebendigen Kirche ist es zu erfahren und zu bewähren
, was dem Glaubenden certitudo gibt. Dies ist zu lehren, zu
predigen und im konkreten Fall scclsorgcrlich mit dem unter der
Anfechtung Leidenden durchzustehen.

Was dem Werk nun zu folgen hätte, wäre die Aufarbeitung exi-
stcnzicller Glaubcnszcugnissc aus der praxis pietatis fideliuni:
Eine Dokumentation der parresia (Freimut) und der viva vox
von Angefochtenen (man denke an Dietrich BonhoctTcr) und vor
allem auch das Zweifeln des Hiobs unserer Tage (ich denke z. B-
an die Tagebücher von Fricdolin Stier und Jochen Klepper). Derart
ansteckender Glaube ist heute mindestens so wichtig wie die
theologische Grundlagcnarbeit zur Vermittlung intellektueller
Redlichkeit und eines möglichen verstandesmäßigen Zugangs zu
dem. was letztlich Mysterium des Glaubens bleibt.

Stuttgart Hart nun Jett er

Schreijäck, Thomas: Bildung als Inexistenz. Elemente einer theologisch
-anthropologischen Propädeutik zu einer religionspäd'
agogischen Bildungsthcoric im Denken Romano Guardinis-
Freiburg-Basel-Wicn: Herder 1989. X. 293 S. 8C. Kart. DM
48,-.

Romano Guardini ist ein anregender Denker. Das beweist
auch die neuerliche Untersuchung von Thomas Schreijäck. die
im Sommersemester 1988 an der Theologischen Fakultät der
Universität Salzburg als Dissertation angenommen wurde. Die
Grundthese des Autors geht dahin, daß Guardinis philosophisch-
theologisches Werk auch heute noch eine fruchtbare Herausforderung
für rcligionspädagogisches Denken, das sich einer systematischen
Fundierung zu stellen bereit ist. darstellt. Auch wenn
Guardini sich selber nur in Ansätzen zu Fragen einer Bildungstheorie
, bzw. einer systematischen Rcligionspädagogik geäußer'
hat. meint der Autor, daß „der implizit in seinem Denken angelegte
methodische Gang seines Denkens, den nachzuzeichnen m»
unsere Hauptaufgabe sein wird, explizit zentrale Wissenschaft"'
che Fragestellungen dieser Disziplin" berührt (III).

In der Einleitung geht der Vf. auf die Schwierigkeit ein. d<c
Vielfalt der Themen, zu denen sich Guardini geäußert hat. zU
einem Ganzen zu verbinden. Eine weitere Schwierigkeit sieht d
in der Vielfalt der methodischen Ansätze: gcistesgeschichtliche-
rcligionsphilosophischc. exegetische, dogmatische, pastorale un
rcligionspädagogischc Zugangsweisen und Aussagen stehen 1,1
der Regel unverbunden nebeneinander. Der Autor wählt darun1