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Ausgabe: | 1992 |
Spalte: | 464-465 |
Kategorie: | Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik |
Autor/Hrsg.: | Power, David Noel |
Titel/Untertitel: | Worship 1992 |
Rezensent: | Krieg, Gustav A. |
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Theologische Literaturzeitung I 17. Jahrgang 1992 Nr. 6
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des Proslogion des Anselm von Canterbury ... und die zweite
Quaestio der Pars prima der Summa theologiae von Thomas von
Aquin". (10) Dabei geht es weithin um eine Reformulierung der
klassischen sogen. Gottesbeweise mit Hilfe des Instrumentariums
der modernen, formalisierten Logik: sei es, daß P. Wein-
gartner (Wie schwach können die Beweismittel für Gottesbeweise
sein?, 36-61) und E. Morscher (Was sind und was sollen die
Gottesbeweise?, 62-86) vor allem der Argumentation Anselms
nachgehen bzw. G. Siegwart („Et hoc dicimus Deum", 87-110),
R. Kleinknecht (Auswahlaxiom und causa prima, 111-123) und
E. Nieznariski (Gründe, zureichende Gründe und Gottesbeweisc
ex contingentia mundi, 124-139) sich den „quinque viae" des
Thomas widmen.
Beispielhaft für die Präzisionsarbeit, die in den genannten Beiträgen
geleistet wird, kann und möchte ich hier nur auf einige bemerkenswerte
Überlegungen Siegwarts und Morschers hinweisen
. Ersterer untersucht die auffälligen Schlußformulierungen
des Thomas, die ja gerade nicht, wie zu erwarten wäre, lauten:
Ergo Deus est, vielmehr: et hoc dicimus Deum o.ä. Hierbei unterscheidet
Siegwart zwischen den „Beweisletztgliedern" und
diesen von ihm „Wegendstücken" genannten Schlußformulierungen
(96). Die Wegendstücke analysiert er definitionstheoretisch
als „explikative Einführungen von ,Deus" ,Deus' läßt sich
in dieser Betrachtung sowohl als einstelliger Prädikator wie auch
als Individuenkonstante rubrizieren, wobei freilich für eine korrekte
Definition weitere Bedingungen erfüllt werden müßten. -
Morscher wiederum zergliedert Anselms Ausführungen in Kapitel
II und III des Proslogions derart, daß er zunächst konstatiert,
„daß wir es hier aus logischer Sicht eindeutig mit zwei verschiedenen
Beweisen zu tun haben, auch wenn es sich dabei dem Inhalt
und Geiste nach vielleicht doch um einen einzigen Beweis
handelt, der nur in zwei verschiedenen logischen .Gewändern'
auftritt". (70) Darüber hinaus ergibt die Analyse, daß Anselms
Argumentation auch über die traditionelle Kritik hinaus, wonach
Anselm „Existenz angeblich illegitim als (reales) Prädikat behandelt
", inkonsistent ist. (710
Sicher ist die Präzision solcherart Analysen, von denen in den
gegebenen Andeutungen nicht mehr als ein allzu blasser Eindruck
vermittelt werden konnte, bestechend. Und gerade die gegenwärtig
weithin praktizierte Theologie, die sich sicher eher
durch umfängliche (neohistoristischc?) Gelehrsamkeit als durch
präzise Argumentation auszuzeichnen scheint, könnte hier eine
Menge lernen. Siegwart jedenfalls schreibt ihr das merkbar ins
Stammbuch, was die Präzision theologischen Redens von Gott
betrifft. (1090 Ob freilich der nicht geringe Aufwand der Formalisierungen
durch die erbrachten Erträge gerechtfertigt ist, oder
ob die Gottesbeweise in diesem Betracht denn doch nicht viel
mehr als „eine reiche Fundgrube interessanter Argumentationsstrategien
" (vgl. 9) darstellen, bleibt mir zweifelhaft.
Indes, der vorzustellende Band enthält auch drei anders geartete
Beiträge, und zwar die von O. Muck (Funktion der Gottesbeweise
in der Theologie, 18-35). E. Runggaldier(Swinburnes Deutung
des teleologischen Gottesbeweises, 153-173) und R.
Wimmer (Anselms Proslogion als performativ-illokutionärer
und als kognitiv-propositionalerText und die zweifache Aufgabe
der Theologie, 174-201). Dabei verdienen die Überlegungen
Runggaldiers im Anschluß an Swinburne m. E. besonderes Interesse
. Swinburne nämlich „setzt sich in seiner Rekonstruktion der
Gottesbeweise eindeutig von der klassischen thomistisch-aristo-
telischen Tradition ab". Er versteht die Gottesbeweise, speziell
den teleologischen, nicht als Deduktionen, sondern als induktive
Wahrscheinlichkeitsargumente. (156) In Verfolg dieser Interpretation
wird nicht nur genau angegeben, was hier „Wahrscheinlichkeit
" meint und wie sie zu überprüfen ist (I55f0; es wird
auch der bemerkenswerte Gedanke geäußert, daß die Gottcsbc-
weise nicht je für sich genommen und kritisiert werden sollten.
vielmehr als Wahrschcinlichkcitsargumcnte zusammengenommen
und ergänzt werden müssen (156.171).
Ich meine, diese Überlegungen berühren sich letztlich mit der
Empfehlung, die E. Morscher nach der Konstaticrung des s. E. gewissen
Scheiterns der Gottesbeweise der Theologie gibt: „ Wer an
einer wissenschaftlichen Theologie interessiert ist. braucht sich
heutzutage nicht mehr den Kopfüber Gottesbeweisc zu zerbrechen
; er sollte sich vielmehr der Frage nach der intersubjektiven
Kritisierbarkeit theologischer Sätze und nach den .Basissätzen'
der Theologie zuwenden." (77) Daß hierfür das Argumentationspotential
der Gottesbeweisc allerdings sehr wohl von Nutzen sein
kann, belegt nicht nur der Beitrag Runggaldiers. sondern der hier
mit wenigen Hinweisen vorgestellte Band überhaupt. Sollte er
nicht schließlich und nicht zuletzt dazu dienen, daß Morscher
künftig weniger Anlaß hat zu dem Satz, den er dem eben zitierten
anfügt: „Leider werden diese Fragen nach meiner Kenntnis der
Dinge in der heutigen Theologie zum Großteil sträflich vernachlässigt
." (77)
Eisenach Wolfgang Pflillcr
Praktische Theologie:
Liturgiewissenschaft
Power, David N.: Worship, Culture and Theology. Washington.
DC: Pastoral Press 1990. XII, 283 S. gr.8 . Kart. S 11.95.
Protestantische Liturgiewissenschaft ist oft kein erbauliches
Arbeitsfeld. Bei allem Interesse an der Ökumene: Protestantisches
Gottesdienstverständnis manifestiert sich in der Regel als
Gcmeindc-Liturgik. Das Streben nach liturgischer Konkretion
wiegt vor. und, so legitim wie es ist, es führt doch auch die Gefahr
des liturgischen Provinzialismus mit sich. Selten genug werden
auch die Fluten an Gottesdienstmodcllcn. „Gottesdienstbüchern
". Gebet- und Liedersammlungen systematisch-liturgisch
kanalisiert.
Um so erholsamer deshalb mitunter ein Blick über den Zaun,
in die römisch-katholische Kirche. Erholsam insofern auch die
Lektüre der oben angezeigten Aufsatzsammlung von David N.
zum Verhältnis von Gottesdienst. Kultur und Theologie. Die Arbeit
zeigt nicht nur das enzyklopädische liturgische Wissen ihres
Autors, seine Kenntnis der Fülle liturgischer Erscheinungsformen
der katholischen Wcltkirche der Gegenwart; bemerkenswert
ist ebenso P.s souveräne Disposition des Materials und seine Fähigkeit
zu systematischer Reflexion.
Beschrieben wird zunächst in einem Grundsatzartikcl die
Funktion der wissenschaftlichen Theologie als Vermittlerin zwischen
„Kult" und „Kultur" - von der Alten Kirche über die
Scholastik bis hin zu der theologisch-liturgischen Interpretation
einer Kultur, die sich allen liturgischen Symbolen gegenüber kritisch
verhält, ihre Ent-mythisicrung fordert und gleichzeitigem0
„zweite Naivität" im Umgang mit ihnen (I3f). Diesem Grundsatzartikcl
schließen sich mannigfache Einzelüberlcgungen an. s°
zur Frage nach dem Ort der Liturgie im Rahmen „religiöser" E*"
pressivität allgemein und ihrer spezifisch „christlichen" Kritik
insbesondere, zur Frage nach dem menschlichen Lebenszyklus
und seinem Vcrhältnisis zum Kultus, zur Frage nach den außcr'
christlichen Religionen in ihrer Bedeutung für die Weiterentwicklung
liturgischer Exprcssivität. Aufschlußreich auch «•■'
Blick auf die Liturgik der Kommunitäten „unterhalb" der Anits'
kirche, die liturgische Spiritualität der katholischen Kirche in o&
Dritten Welt, nicht zuletzt auf Einzclclcmentc liturgischer
staltung, etwa auf feministisch orientierte Beiträge zur Liturg1
oder die liturgische Symbolik der Klage und des Lobes.