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1992

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 6

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diese Richtung gehen auch die Interpretationen: So hat z.B.
Hirschberger Tür Descartes, soweit er in der scholastischen Tradition
denkt, gutes Verständnis, soweit er aber zumindest in seinen
Nachfolgern neue Wege in die Moderne eröffnet, werden die Urteile
sehr bedenklich. Oder ein anderes Beispiel: „Von einer rein
christlichen Religiosität wird man aber auch beim alten Fichte
noch nicht sprechen können, wenigstens nicht, wenn man an eine
kirchliche Ausprägung denken will." (11,375) Wir haben es hier
also mit einer Philosophiegeschichte von einem festen kirchlichen
, ja konfessionellen Standpunkt aus zu tun.

Diesen Standpunkt vorausgesetzt, erfüllt diese Philosophicgc-
schichte durchaus die Ziele, die sie sich selbst setzt: „Diese Philosophiegeschichte
möchte nicht bloß referieren, sondern philosophieren
, doch nicht so, daß Phantasien über ein Thema
vorgetragen werden, sondern so, daß Rankes Forderung an die
historische Wissenschaft auch hier erfüllt wird: zu zeigen, was
war und wie es war." (1,V) Daß dabei, von einem bestimmten
Standpunkt her philosophierend und nicht bloß referierend, die
Gedanken der behandelten Philosophen selbst von deren Deutung
und Kommentar nur schwer auseinanderzuhalten sind, liegt
in der Konsequenz eines solchen Vorhabens. Der Patristik und
dem Mittelalter sowie deren Voraussetzungen in Piaton und Aristoteles
(und selbstverständlich ihren Nachwirkungen in der
Neuzeit) wird gutes Verständnis entgegengebracht. Deren Bevorzugung
ist auch dem Vf. durchaus bewußt: „Das Wissen um ein
tieferes Selbstverständnis des Mittelalters auf Grund seines platonischen
Erbes bildet einen der wesentlichen Gedanken dieses
Werkes." (I,VII) Dagegen gibt es außerhalb dieser Bevorzugung
des öfteren standortbedingte verzerrte Interpretationen: So wird
z. B. gegen Kant und Fichte immer wieder der Vorwurf des Subjektivismus
erhoben, ein Vorwurf, den beide Denker ausdrücklich
von sich weisen und der deshalb - zumindest ohne ausführliche
Auseinandersetzung - nur von einem bestimmten Standort
her verständlich ist und damit deren eigenem Grundansatz kaum
gerecht werden dürfte. Immerhin werden Kant 91(!) Seiten gewidmet
, ein Zeichen, daß diese konfessionell orientierte Philosophiegeschichte
die Begegnung mit dem, was mit dem eigenen
Standpunkt nicht immer nur konform geht, nicht scheut.

Setzt man dagegen diesen Standpunkt nicht voraus, so erfüllt
diese Philosophiegeschichte durchaus nicht alle Wünsche: Daß
sehr oft die originalen Gedanken eines Philosophen kaum aus der
Interpretation freizumachen sind, wird unter diesem Gesichtswinkel
negativ. Sehr oft ist ferner die Diktion sehr breit (damit
zwar verständlich), aber doch recht Wesentliches fehlt (wie z. B.
bei Descartes der Gedankengang der 4. Meditation). Nun kann
man zwar über die für jede Philosophiegeschichte notwendigen
Weglassungen streiten, aber bei den Stoffen, die sie selbst ausführlich
darstellt, wundert man sich über bedeutendere Fehlstellen
. Auch sind, wie schon erwähnt, Fehlinterprctationcn schon
im Grundansatz vorhanden, so z. B. bei Kant, Fichte. Schleiermacher
(dem alles Kognitive abgesprochen wird, was wohl auch
daher rührt, daß seine „Glaubenslehre" schlichtweg übergangen
worden ist). Doch entscheidend bleibt hier, daß nicht die möglichst
unvoreingenommene, vernunftautonome philosophische
Auseinandersetzung mit den behandelten Denkern vorbereiten
oder gar sie sebst sprechen lassen will, sondern immer mit der
Brille des eigenen, zum Teil außerphilosophischen Standpunktes
schreibt. Ob das freilich - wenn auch in etwas verminderter
Weise - am Ende jede Philosophiegeschichte tut, diese Frage sei
der Gerechtigkeit wegen zugestanden.

Positiv angemerkt sei, daß auf Biographien und Philosophengeschichten
relativ wenig Wert gelegt worden ist, um sich voll
dem eigentlich Philosophischen, den Gedanken der Philosophen
widmen zu können.

Hirschbergers „Geschichte der Philosophie" liegt im I. Band
in der 14., im II. Band in der 13. Auflage vor. Es handelt sich also

um ein bewährtes, gern gebrauchtes Lehrbuch (das freilich mit
der Gesamtscitcnzahl von ca. 1200 Seiten für ein solches bereits
etwas lang sein dürfte). Wer den konfessionellen, zum Thomis-
mus (wenn auch nicht unbedingt zum Ncuthomismus) tendierenden
Standpunkt des Vf.s teilt, dem kann das Buch trotz einiger
Bedenken voll empfohlen werden. Wer diesen Standpunkt
nicht teilt, dem kann es immerhin unter Berücksichtigung seiner
Standortgebundenheiten als Zwcitphilosophicgeschichte empfohlen
werden, besonders dann, wenn er auch eine bewußt katholische
Geschichte der Philosophie kennenlernen möchte.

Zum Schluß stellt sich die Frage, was eine Philosophicgc-
schichtc überhaupt leisten kann und was diese in ihrer Besonderheit
leistet: „zu zeigen, was war und wie es war." (I.V). so hat es
der Vf. selbst formuliert, und wir möchten im Gegensatz zu seinen
tatsächlichen Interpretationen hinzufügen: ...damit der fragende
, an nichts als an die offene Wahrheitsfrage gebundene
Geist den Mitfragenden aller Zeiten so weit wie möglich begegnen
kann. Das ist sicher immer nur vom eigenen Standort her
möglich. Aber man kann seinen eigenen Standort zu überwinden
trachten, soweit das eben möglich ist. man kann sich aber auch
bewußt auf einen festen Wahrheitsstandpunkt stellen, um von
ihm aus die Geschichte zu sehen. Von dieser zweiten Art ist
Hirschbergers Philosophicgcschichtc: das leistet sie. darin liegen
aber auch ihre Grenzen.

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