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Ausgabe:

1992

Spalte:

458-460

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Hirschberger, Johannes

Titel/Untertitel:

Geschichte der Philosophie 1992

Rezensent:

Keil, Günther

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 6

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dessen Biographic heraus zu verstehen und zu interpretieren ver- Weiterhin kritisiert er die einseitige Bestreitung der ethischen

sucht. Heim ist ein aus dem württembergischen Pietismus stam- Kraft des Buddhismus: „Aus dem ontologischen Dualismus muß

mender „ Bekehrungstheologe. Bekehrung als fundamentales, die offensichtlich nicht unbedingt eine resignati v-pessimistische Lc-

Existenz zutiefst wandelndes Ereignis bestimmt in jeder Hinsicht bcnshaltung hervorgehen" (232).

sein Selbst- und Wcltvcrständnis und mithin auch seine Theolo- Damit zusammenhängend bemängelt Hille die unzureichende

gie" (439/440). Wesenserfassung der kritisierten Religionen durch Heim, die

Aber durch seine Begegnung mit der angelsächsischen Mis- zwar historisch und von seinem missionarischen Anliegen her

sions- und Erweckungsbewegung. erstmals 1893. und dann auch verständlich sei; aber heutzutage sei ein Dialog mit den Weltrcli-

durch seine Tätigkeit als Reisesekretär der DCDV (1899-1902) gionen nur als Teamarbeit zu leisten: „ Heims Schwäche imUm-

erfährt er eine wesentliche Horizonterweiterung und entwickelt gang mit dem Idealismus. Hinduismus und Buddhismus besteht

einen „missionarische(n) Drang" (35), der aufs engste gepaart ist in seiner unpräzisen phänomenologischen Methode, die den cin-

mit einem apologetisch orientierten „intcllektuellc(n) Samariter- zclncn Philosophien und Religionen nur unzureichend gerecht

dienst" (57), der durch „intellektuelle Diakonic" (66, 69, 307) wird; hier ist verstärkt der interdisziplinäre Dialog erfordert

helfen möchte, im Denken verwurzelte Glaubcnshindcrnissc zu (444).

beseitigen. „Die brüderlich-solidarische, intellektuelle Diako- Von bleibender Bedeutung an Heim ist und bleibt für Hille

nie", für die Heim sich auf das Gleichnis vom barmherzigen Sa- m. E. zweierlei:

mariter berief (66), sei „nach dem breiten Zeugnis seiner Hörer Zunächst einmal, deutlich von Hille ausgesprochen, der Wille
und Kritiker ein hervorragendes theologisches Charisma Karl zu missionarisch-apologetischem Dienst: „Apologetik als der
Heims gewesen. Ohne dieses Charisma bleibt seine starke Anzic- Verkündigung extra muros ecclcsiac vorangehende Überwin-
hungskraft auf Studenten aller Fakultäten als theologischer Lch- dung von Denkhindernissen sowie die apologetische Argumenta-
fer unverständlich" (69/70), angesichts all der teilweise durchaus tionshilfe Tür die angefochtenen Christen intra muros" hat bleiberechtigten
Kritik, die an Heim geübt wurde und die auch Hille bendc Bedeutung. „Dies muß gegen Barth erneut betont werden"
selbst an ihm anbringt. (433).

Ist Tür Karl Heim zunächst und auch bleibend die Frontstcl- Sodann, nicht durch einzelne Zitate bclcgbar: Trotz zunch-

lung gegenüber dem naturwissenschaftlichen Materialismus bc- mender Spezialisierung innerhalb der Wissenschaften bedarf es

stimmend (86), so erfährt sein Denken durch seine Teilnahme als des Mutes zu einer zusammenfassenden weltanschaulichen

Delegierter an einer Konferenz des Christlichen Studenten- Schau christlichen Glaubens, ohne die er kaum missionarisch

Weltbundes in Peking 1922, verbunden mit einer fünfwöchigen wirken kann. Der Gefahr des hier drohenden „Dillctantismus"

^ortragsreise durch China und Diskussionen mit führenden sollte dabei durch interdisziplinäre Kooperation entgegenwirkt

Buddhisten, und durch seine aktive Teilnahme an der berühmten werden (vgl. 410).

und in der deutschen Theologie äußerst kontrovers diskutierten Den Abschluß des Buches bildet eine im Auftrage der 1974 gc-
^eltmissionskonferenz in Jerusalem 1928 entscheidende An- gründeten „ Karl-Heim-Gesellschaft" erstellte äußerst ausführli-
stöße zu seiner Auseinandersetzung mit den pantheistischen che Bibliographie, die stark untergliedert ist, nicht nur in Primär-
Hochreligionen des Ostens. Er versteht sie, ebenso wie den deut- und Sekundärliteratur, sondern die auch eine chronologische
Schen Idealismus, insbesondere den Fichtcs - einerseits ver- und eine thematische Übersicht bietet und sonstige Literatur beständlich
, andererseits jedoch auch problematisch - als die an- nennt (446-614). Mir fiel auf. daß eine Examensarbeit von Wolf-
dere Gestalt des Säkularismus. In der detaillierten Analyse dieser gang Tuffcntsammcr „Die missionarische Predigt bei Karl
Interpretation hat die Arbeit - wie bereits bemerkt - einen Heim" - im Unterschied zu zwei weiteren Seminar- bzw. Ex-
Schwerpunkt, der allerdings mehr qualitativer als quantitativer amensarbeiten über Heim als Prediger, die auch nur im Archiv
^■t ist. denn der literarische Umfang der Arbeiten Heims zu die- der KHG vorliegen - sowohl in der chronologischen, als auch
Ser Thematik ist relativ gering. wieder in der thematischen Übersicht nicht mehr auftaucht, was

Schematisierend versteht Heim die Apotheose des menschli- hoffentlich nur ein Versehen und nicht Absicht ist.

ehen Ich im deutschen Idealismus und das erstrebte Aufgehen Unser Verständnis des bleibend aktuellen Lebenswerkes von

des Ich in den pantheistischen Religionen als Formen des „My- Karl Heim ist m. E. durch diese Arbeit wesentlich gefordert und

st'zismus": „Die Konfrontation zwischen Mystizismus und bereichert worden.
christlichem Gottesglauben, auf die Heims gesamte Apologetik

gegenüber dem Idealismus und Pantheismus zielt, ist sogar noch Berlin Hans Hinrich Jcnsscn
schärfer und radikaler als die gegen den Materialismus. Die Aus-

e,nandersetzung mit dem säkularen Materialismus hat ihren . . ,

A,K„„ . , . . _ ... . , , .. Hirschberger, Johannes: Geschichte der Philosophie. 1: Altertum

usgangspunkt bel der schopfungslchre. die mit dem Myst.zis- und Mjttc|a|tcr xx„, 616 S. 2: Neuzeit und Gegenwart.

us hat ihren theologischen Schwerpunkt bei der Erlosungs- xv„ 69, s Frciburg-Bascl-Wien: Herder 1991. 8°. DM

nre"(2i4). 68.-. Sonderausgabe.
was übrigens die Rekonstruktion der Lebensdaten betrifft, ist

es wirklich wieder erstaunlich, welche Unsicherheiten und Fehler ,. In der Philosophie der Gegenwart nimmt die katholische Phi-

Slch bereits bei Persönlichkeiten der allerjüngsten Vergangenheit losophie - sie ist de facto die christliche Philosophie, weil der

^'"schleichen. Hille bringt hier Korrekturen an anderen Darstcl- Protestantismus keine eigene Philosophie hervorgebracht hat -

Ungen, auch gegenüber der Autobiographic des dreiundachtzig- eine hervorragende und weltweite Stellung ein." (11.566) Dieser

Jahrigen Karl Heim an (vgl. 19-23). Satz, im Zusammenhang mit der Ncuscholastik geschrieben, ver-

Schwerpunkt der Kritik Hilles ist das einseitige Verständnis mag gut den Geist zu charakterisieren, aus dem heraus diese Phi-

es Säkularismus bei Heim im Rahmen seiner apokalyptischen losophicgcschichtc ihre Prägung empfängt. Das zeigt sich u.a.

^eschichtstheologie als Ausdruck satanischen AntiChristentums. auch an den Seitenzahlen, die den einzelnen Denkern zugestan-

r stellt dem neuere Säkularisationsvcrständnissc bei Gogartcn. den werden: So hat z. B. Thomas von Aquin 62 Seiten zur VerfU-

°*- Bonhoeffer und anderen und vor allem bei Pannenberg gc- gung. Dcscartcs 28. Fichte 14 und Schleicrmachcr gar nur 3. bei

8enübcr. Es gelte, „die im neuzeitlichen Säkularismus wirksa- dem dann auch noch eine romantisch-schwärmerische Bricfstellc

^n Kräfte einer politischen Kultur der Toleranz und Freiheit an Henriette Herz zitiert wird, aber dessen doch auch philoso-

Wahrzunehmen" (443). phisch relevante „Glaubenslehre" nicht einmal erwähnt wird. In