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Ausgabe:

1992

Spalte:

446-449

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Weyer-Menkhoff, Martin

Titel/Untertitel:

Christus, das Heil der Natur 1992

Rezensent:

Pältz, Eberhard

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Theologische Litcraturzcitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 6

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matik erschienen bereits Arbeiten von R. Saarinen über das Gc- „die Rezeption der ambivalenten Sprache der Mystik... hier

genwart-Christi-Motiv (1989) und von S. Peura über Vcrgöttli- manches verwischen" konnte (73).

chung in der Theologie Luthers („Mehr als ein Mensch?" 1990). Ein wichtiger Ertrag des Forschungsprogramms zum Thema
Der hier zu besprechende Band enthält die Referate einer dem „Thcosis" bei Luther ist darin zu sehen, daß ein wesentliches Elc-
Thema gewidmeten Tagung. Einleitend betont Manncrmaa das ment der Lutherischen Theologie gekennzeichnet und ins Be-
Anliegcn, mit Hilfe des „Vcrgöttlichungs-bzw. Partizipationsgc- wußtscin gehoben wird: Jedes Reden von Rechtfertigung und
dankens" eine „zentrale Struktur der Theologie Luthers" exem- Christusglaubcn. das sich auf Luther beziehen will, ist schon im
Plarisch zu öffnen (20). Was unter dem Stichwort Theosis bei Ansatz verfehlt, wenn nicht deutlich und konsequent die hcil-
Luther zur Sprache kommen soll, ist nach Manncrmaa eine,. Vcr- schaffende Christusgegenwart mitgedacht wird. Wer nur an eine
einigung von Gott und Mensch", die nicht nur als Willensvcrei- bestimmte Befindlichkeit des Menschen denkt (scholastisch: Tu-
nigung oder Tatgemeinschaft, sondern betont als „Scinsgcmcin- gend; neuprotestantisch: religiöses Bewußtsein), verkennt völlig
Schaft" zu verstehen sei („wirklich... Gemeinschaft des Seins das „Wesen" des Glaubens im Sinne Luthers. Wichtig ist zweifel-
Gottes und des Menschen", 19; „Wesensgegenwart Gottes im los auch der Nachweis, in welchem Maße Luther in zentralen
Gläubigen", 23). Jedoch wird konzediert, daß die „unio keine Aussagen über das Leben des Glaubens den Topos „Vcrgöttli-
Substanzverändcrung" bedeutet, da Gott nicht aufhört. Gott. chung" aufnimmt, für den es biblische Anhaltspunkte (v.a. 2Pt
und der Mensch nicht aufhört, Mensch zu sein (19). 1,30 und die bekannte Tradition östlicher Theologie gibt. Der
Unmittelbar auf die Theosis-Thematik bei Luther bezichen Gefahr einer überzogenen Wertung dieses Motivs bei Luther entsteh
Beiträge von U. Asendorf (Die Einbettung der Theosis in die gehen die Beiträge zu diesem Thema nicht immer. Sie zeigt sich
Theologie Martin Luthers), S. Peura (Die Teilhabe an Christus immer dann, wenn „Theosis" zu einem die Grundaussagen des
bei Luther) und A. Raunio (Die Goldene Regel als Gesetz der Rcchtfertigungsglaubens überhöhenden Intcrprctamcnt wird,
göttlichen Natur). E. Huovinen bietet unter dem Stichwort anstatt ein auf die hcilschaffende Gottespräsenz verweisendes.
«Opus operatum" Klärendes zu Luthers Verständnis von der hinsichtlich seines genauen Sinnes aber von jenen Grundaussa-
Effektivität des Sakraments; Ecva Martikaincn betont den Bezug gen her zu klärendes Intcrpretandum zu bleiben.
von Luthers Doctrina-Verständnis auf die Gottespräsenz (Die

Lehre und die Anwesenheit Gottes in der Theologie Luthers). Berlin Rudolf Mau
Theologiegeschichtlichc Fragen werden von G. Kretschmar (Die
Rezeption der orthodoxen Vcrgöttlichungslchrc in der protestantischen
Theologie), H. T. Kamppuri (Theosis in der Theologie

des Grcgorios Palamas). und R. Saarinen (Gottes Sein - Gottes Weyer-Menkhoff, Martin. Christus, das Heil der Natur. Entstc-

W;rl jj it c u. j i j %r hung und Systematik der Theologie Friedrich c hnstoph Oc-

"irkcn. Die Grunddifferenz von Substanzdenken und Wir- /--■•/.■ , j u ich u. .nnn vw tu

l.„ . , , . , , „ tingers. Gottingen: Vandenhocck & Ruprecht 1990. XII. 334

kungsdenken in der evangelischen Lutherdeutung) behandelt. R. s , Porträt gr 8< . Arbeiten zur Geschichte des Pietismus. 27.

•^lenczka bietet Überlegungen zu einer systematisch-theologi- lw. DM 98.-.
sehen Klärung des Topos von der „Vergöttlichung".

Ein sich dem Leser wiederholt aufdrängendes Problem ist die Fr. Chr. Oetingcr (= Oc.), von den Zeitgenossen als ein „dunk-
Erage der Wertung und Gewichtung von Aussagen, in denen bei ler Schriftsteller" (J. C. Lavatcr) ausgegrenzt, erweist sich als
Luther der Topos von der Vergöttlichung (u. a. aufgrund von 2 Pt ein „ Dynamiker" (K. Barth), dessen reiches Vermächtnis es im
l,3f) vorkommt. Nicht ohne Neigung zur Plerophoric nimmt Hinblick auf die Herausforderungen gegenwärtiger theologischer
Asendorf das Stichwort „Vergottung" auf: es sei für Luther nicht Existenz zu erschließen gilt. Die in der Reihe der Arbeiten zur
nur ein Motiv „im großen Gesamtentwurf der Rechtfertigung Geschichte des Pietismus vorliegende, von C.-H. Ratschowange-
neben anderen": es bringe „das Ganze nicht nur der göttlichen regte Marburger systematisch-theologische Dissertation von
Offenbarung, sondern auch des christlichen Lebens zum Aus- Martin Weyer-Menkhoff erweitert nicht nur die historische,
druck" und bedeute, „daß alles, was Gott ist und vermag, in uns theologic- und philosophiegeschichtliche Ortsbestimmung, son-
v°llig sei und kräftig wirke" (93). Ist also „mehr" als wahre Gc- dem erfaßt und vergegenwärtigt auch den systematisch-theolo-
schöpflichkeit gemeint? Ein Reden von „ Vergottung" im Modus gischen Ertrag der trinitarischen Theologic Oe.s.
der Steigerung findet sich auch sonst, so etwa, wenn Peura bc- Der Vf. hat mit großer intcrprctatorischcr Umsicht und Sorgtont
, daß Partizipation an Christus - entgegen dem „Anschein" falt die für das Gesamtwerk Oes kennzeichnende Methodcn-
>n manchen Luthertexten - nicht nur als Teilhabe an den „Gü- lehre und Stuktur, den - nach Oes Urteil - zum Verständnis un-
'ern Christi" und „an den göttlichen Kräften", sondern auch als umgänglichen „verborgenen Grund" von dessen Theologic
eir>e solche „an der göttlichen Natur selbst" zu verstehen sei herausgearbeitet und dabei auch deren einzelne Formelementc
(149f u.ö.). Aber was besagen die z.T. mehrfach vorgeführten Be- bestimmt. Da Oes Theologie und Philosophie nicht angemessen
'e8e (sehr betont die Weihnachtspredigt von 1514 (!); Männer- zur Geltung käme wenn man sie lediglich an den Strukturen
tT|aa I8ff und Asendorf 870) wirklich? einer protestantischen, spätorthodoxen Dogmatik darstellen

Zumindest tendenziell anders lesen sich die Beiträge von würde (3). geht der Vf. nach einem gut informierenden, den For-

S'enczka und Kretschmar. Slenczka stellt dem vorgegebenen schungsansatz explizierenden einleitenden Kapitel (zu Ziel und

'herna „Vergöttlichung als ontologisches Problem" betont die Aufgabe zur Methode der Arbeit, zur Quellen-und Forschungs-

e'gene Themenvariierung voran: „Die Gemeinschaft mit Gott läge zur Biographic) zunächst im Teil A auf die „Entstehung der

Grund und Gegenstand der Theologic". Er unterstreicht die Theologic Oes (bis 1738)" ein (mit Bezug auf die prägenden Bil-

dentität von Glauben und Christuspräsenz, die Einwohnungdcs dungscinflüssc und entscheidenden Lebensbegegnungen, u.a. J.

Geistes und den trinitarischen Bezug der Heilslehre Luthers - Böhme Kabbala. und die Auseinandersetzung mit Zinzcndorf).

unter dem Leitgedanken der „Gemeinschaft mit Gott" und der um dann in den Haupttcilcn (B: „.Etwas Ganzes' im Leben" und

"'cht preiszugebenden „Unterscheidung von Gottes Geist und C: „Strukturen der Ganzheit in Alltag und Wissenschaft") den

unserem Geist" (47). Kretschmar betont hinsichtlich der Rczcp- für eine systematisch-theologische Oe.-Rezeption wegweisenden

ll°n des - in der protestantischen Schulthcologic älteren und neu- Versuch vorzulegen, das Verständnis der spezifischen Systematik

pfen Datums fehlenden - Vcrgottungsmotivs in der Tradition des der prophetischen Theologic Oes zu erschließen.

'etismus. daß hier „nicht die Vorstellung eines Aufgehens in der Es kann als ein großer Vorzug dieser Untersuchung angespro-

°tthcit oder die Identifizierung mit ihr" gemeint sei. wenn auch chen werden, daß sich der Vf. von den Traditionen einer Oes Gc-