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Ausgabe:

1992

Spalte:

441-444

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Lutherjahrbuch ; 57.Luthers Theologie als Weltverantwortung 1992

Rezensent:

Koch, Ernst

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Theologische Litcraturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 6

442

Der Anmerkungsteil bietet eine Fülle an Informationen über
die Straßburger Reformation, die städtischen Verhältnisse, insbesondere
über das Täufcrtum. Etwas sparsam ausgefallen sind
dagegen sprachliche Erläuterungen, vgl. z. B. IV, 328: vsheppen =
ausschelten; III, 251: kloscl = vermutlich von klusen. klauscln -
schmeicheln. In Einzelfällen können die Sacherläuterungen präzisiert
(III, 243 Anm. 7: Aufruhrgefahr, nicht Bundschuhcrhc-
bungen vor dem Bauernkrieg) oder ergänzt werden: IV, 257 Nr.
1614: Matth. 24; IV, 326 Anm. 3: Der nicht identifizierte M.
Franz war der albertinische Rat und Leipziger Professor Mag.
Franz Kram; IV, 368: Die von Clemens Zieglcr 1 552 in seinen
Traumaufzeichnungen angeführte „gemeine red" von der Kuh
ist eine Adaption der „prophecey und ... alt sprichwortlcin vom
Schwanenberg in Franken, vgl. Siegfried Hoyer/Bcrnd Rüdiger
(Hg.): An die Versammlung gemeiner Bauernschaft. Leipzig
■975, 23f. 51. 118. Zu korrigieren ist in III, 207 die Angabe zu 4.
Esra. David Joris zitiert korrekt 4. Esra 16, 62f. nach der Vulgata.
Zu der irrtümlichen Angabe in Anm. 34 hat die Verwendung der
Apokryphenausgabc von E. Kautzsch geführt. Ergänzungsbedürftig
ist die Regestinformation in IV, 545 Nr. 686a: Herzog
Georg bestätigt in dem Copialbuchcintrag von der Hand des herzoglichen
Rates Simon Pistorius dem Ratsmeister Hans Bock
und dem Rat von Straßburg die Vorgänge, die zur Verhaftung seines
„abtrünnigen vnderthans" Veit Barthcl geführt haben (vgl.
Hl. 345ff). Er erbietet sich, die gleichen Maßnahmen zu ergreifen
, wenn jemand, nach dem die Straßburgcr fahnden, ins Herzogtum
Sachsen „beireiten" würde. In den „manchfeltyge(n) Lc-
ster vnnd drawschriffte(n)" hatte Barthcl die Schädigung von
Land und Leuten in Sachsen angekündigt. Herzog Georg bittet
die Straßburger, den „ Landcszcwyngcr" auf seine „ Kost vnnd at-
zung gefengklich vnnd wol verwart zeu enthalten". Nach seiner
Rückkehr ins Dresdner Hoflager will er „alßdan zeu solcher
fechtfertygung forderlichen verordenen". Ob Barthcl etwas mit
dem Themenkreis der Täuferakten zu tun hat, muß vorerst zweifelhaft
bleiben. Er ist wohl eher dem Bereich des Fehdewesens zuzuweisen
. Ob die Herkunftsangabe Zschauitz bei Großenhain
richtig ist, ist fraglich (III, 375). In III. 345 wird angegeben, er
stamme „von Eschaivtz im ampt Gorhlitz". Manfred Kobuch/
Hauptstaatsarchiv Dresden vermutet als Herkunftsort Jcrchwitz
nördlich Weißenberg im Amt Görlitz, vgl. Ernst Eichler/Hans
Walther: Ortsnamenbuch der Oberlausitz. Bd. 1. Berlin 1975,
112.

Die Bearbeiter deuten an, daß viele Fragen offen bleiben müssen
, z. B. zur sozialen Verlagerung der Straßburgcr radikalen Bergung
ins Handwcrkcrtum nach dem Weggang der Koryphäen
°der zu der wirklichen Zahl der Täufer (III. 120. Bd. 3 und 4 werden
mit dem nunmehr leicht zugänglichen immensen Qucllcn-
IT,aterial neue Impulse vermitteln. Dazu werden auch die umfangreichen
Namens- (Korrektur zu IV, 586: Pammachius III,
'31, 1), Sach- und Wortregister sowie das Bibelstellcn Verzeichnis
be'tragen.

Berlin Siegfried Brauer

Lu<herjahrbuch. Organ der internationalen Lutherforschung. Im
Auftrag der Luther-Gesellschaft hg. von H. Junghans. 57. Jahrgang
1990. Luthers Theologie als Weltvcrantwortung. Absichten
und Wirkungen. Rcsponsibility for the World. Luthcr's In-
tentions and their Effects. Referate und Berichte des 7.
•nternationalen Kongresses für Lutherforschung Oslo. 14.-20.
A"gust 1988. Göttingen: Vandcnhocck & Ruprecht 1990. 373
S- 8 . Pp. DM 88,-.

Mit diesem Jahrgang wird die Dokumentation des 7. Intcrna-
'°nalcn Kongresses für Lutherforschung in Oslo (August 1988)
v°rgelcgt. Sic umfaßt den Eröffnungsvortrag des Kongreßpräsidenten
Inge Lonning (Verantwortung für die Welt. Luthers Absichten
und Wirkungen), die Plcnarvorträgc und die Berichte
über die 16 thematisch gebundenen Seminare, die während des
Kongresses stattfanden.

Der Eröffnungsvortrag verdeutlicht auf dem Hintergrund der
Vorbereitung des Kongresses die Problematik des Gesamtthemas
und seiner Entfaltung in die vier Unterthemen. Er spricht von
einer zunehmenden Unumstrittenheit des auf Forschung basierenden
Luthcrbildcs in den letzten Jahrzehnten und bezeichnet
den Weg dorthin als „unerwartetes und erregendes Abenteuer",
stellt aber auch eine gewisse Stagnation der Forschung seit 1983
fest und zieht eine Art perspektivischer Selbsttäuschung auf der
Seite des re-konstruicrenden Interpreten in Erwägung, die eine
Glättung von Konflikten in der Vergangenheit bewirkt haben
könnte. Daraus wird der Wunsch abgeleitet, zu intensiver Kooperation
zwischen historischer und theologisch-systematischer Fragestellung
in der Lutherforschung zu gelangen. Was den Sach-
gchalt des Kongreßthemas betrifft, plädiert I. Lonning bei
Respektierung des historischen Abstandes zu Luther für eine
neue Beachtung des „ Ernüchterungspotcntials". das in Luthers
Anthropologie und Wcltdeutung enthalten ist. und für eine genaue
Unterscheidung zwischen Gottcsbczichung und Wcltbezic-
hungdes Menschen. „Es geht letztlich darum, im gegenwärtigen
Vcrstchcnshorizont die einzig wahre und gültige Definition des
Menschen als solche festzuhalten und immer wieder durchzu-
buchstabicren" (18).

Die vier Unterthemen des Kongresses wurden in den Vorträgen
der Plenarsitzungen jeweils in theologisch-systematischer
und historischer Perspektive verhandelt, wobei die historische
Perspektive im Korreferat zur systematischen zur Geltung kam.
Ellert Hcrms (Das Evangelium für das Volk) und Bernd Mocller
(Die Rezeption Luthers in der frühen Reformation) wenden sich
dem Thema Predigt zu. E. Hcrms berührt die für Luthers Prc-
digtthcologic zentralen Themen anhand der Postillen von 1520
bis 1 522. macht u. a. auch auf theologische Fehlstellen bei Luther
aufmerksam, so in der Pncumatologic (vgl. 36) und deutet Luthers
Insistieren auf Erfüllung des göttlichen Gebots in den guten
Werken als Verlangen nach der „Pflege einer Institutionenwclt".
konkretisiert in Schule und Kirche. „Die Predigt - als das Lautwerden
des Evangeliums für das Volk - ist diejenige soziale Institution
, die das christliche Handeln in allen anderen sozialen Institutionen
, also der Wirtschaft und der Politik, möglich macht
und orientiert" (54). Darum wird sie zu einem „Instrument der
Aufklärung ... durch das Licht der Gnade" (56). B. Mocller stellt
die Anfänge der Reformation als Lutherrezeption dar. wobei er
daraufhinweist, daß Luther 1519/20 primär als Seelsorger und
Reformator des geistlichen Lebens Bekanntschaft und Interesse
fand. Ende I 522. als die reformatorischc Bewegung sich an vielen
Orten im Aufbruch befand, hatte sie bereits neue Formen der
Vermittlung gefunden und konzentrierte sich bis 1525 so stark
auf die Rezeption Luthers, daß Mocller diese Phase als Phase der
„lutherischen Engführung" charakterisieren möchte, worunter
er „eine Phase der Interpretation unter dem Vorzeichen und bestimmenden
Einfluß Luthers" versteht (66. Anm. 13). Luthers
frühe literarische Produktion nahm mittelalterliche Inhalte und
Bezugnahmen auf und faßte die Kritik an ihnen mehr in Positionen
als in Negationen, indem er sie „auf das ursprünglich Christliche
, auf Christus, auf das in ihm allein ruhende Heil" konzentrierte
(69). Es sei Luthers Rcchtfertigungslchrc gewesen, die die
Massen in Bewegung gebracht habe. Ihre Träger habe diese Bewegung
in den Städten gefunden.

Zum Thema Polemik äußern sich Walter Mostcrt (Die theologische
Bedeutung von Luthers antirömischcr Polemik) und Bob
Scribncr (Luthcr's Anti-Roman Polemics and Populär Bclicf).
Mostcrt arbeitet als theologischen Kern von Luthers antipäpstli-
chcr Polemik die Grundproblematik der Antithese von Macht