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Ausgabe:

1992

Spalte:

430-432

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Herrenbrück, Fritz

Titel/Untertitel:

Jesus und die Zöllner 1992

Rezensent:

Vogler, Werner

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Theologische Litcraturzcitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 6

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als interpretierende Neubildung von Hos 11,4, woraus sich so- Meinung kaum über das im damaligen Judentum Vertretene hin-
wohl ein positives Verständnis der Lasten als auch derer, die sie ausgehen, lassen doch erkennen, daß Mt zwischen Jesus und sci-
auflegcn, ergibt. Die „schweren Lasten" sind nach B. im Sinne nen jüdischen Opponenten auch eine Differenz in der Lehre ander
rabbinischen Unterscheidung von erschwerender und er- nahm - andernfalls würde die auch von B. hier konstatierte
leichternder Auslegung der Tora zu verstehen, wobei die Gelchr- besondere Autorität Jesu bloß formal bleiben und zu nichts
len in Yavne sich in der Regel an die erleichternde Tradition Hil- nutzen. Für die Annahme eines solchen lehrhaften Gegensatzes
'eis hielten und nicht die Verschärfungen der Schule Schammais durch Mt spricht m. E. auch Mt I 5.5f. Von daher wird man Mt
aufnahmen. V. 4 enthält also kein negatives Urteil über die Gc- 23.2.3a - zumal auf dem Hintergrund der folgenden Wehcrufc.
böte der Schriftgelchrtcn und Pharisäer, sondern nur über deren die sich ja mit ihren Vorwürfen keineswegs auf die Praxis der An-
Tuti- gesprochenen beschränken! (vgl. 23.16ff) - kaum als thcologi-
Das Verhältnis zu Mt 11.28-30 und der dortigen Rede vom bequemen sehe Zcntralaussage des Evangelisten verstehen können. Daß Mt
Joch und der leichten Last Jesu kann nicht so bestimmt werden, daß die polemisiert und dabei den Gegnern Jesu in seinem Evangelium
j"d. Autoritäten das Gesetz erschweren (Mt 23.4) und Jesus es (nach Mt Unrecht tut. kann nicht bestritten werden, wohl aber, daß diese
11-28-30) erleichtert, dabei Mt vor allem m der Bergpredigt eindeutigeine p0|cmik kcinc Differenz in der Lehre Jesu voraussetzt, wenn
erschwerende Auslegung der Tora durch Jesus vorhegt. Vielmehr werden man von dcsscn bcsondcrcr Bedeutung absieht. Wenn aber diese
1,1 v -30 die schweren Gebote Jesu in Analogie zur Rede der Rabbincn vom .... . r. „ ... ... .. , _ ,,

Wh h„ -r , __. ,-. , . _.* . . .. von Mt betonte Differenz in der Lehre in den judischen Quellen

Jocn der Tora, das Freude. Friede und Erquickung verschallt, vor allem

*enn es aus Liebe aufgenommen wird, leicht genannt. Mt unterscheidet n,cht nachgewiesen werden könnte - so ja die These von B. - weisen
hier von den Rabbinen nur durch den christologischen Akzent dieses chc Konsequenz hätte diese Tatsache für das Verständnis des
Textes. Die Mühseligen und Beladen«! in Mt 11.28 sind dementsprechend Evangeliums und vor allem für sein Verhältnis zum Judentum?
auch „nicht die mit dem Gesetz Bcladcncn. sondern gerade die durch den Man wird auch fragen dürfen, welchen Sinn der Vorwurf, den Mt
Mangel an Gerechtigkeit Belasteten", also z.B. die Zöllner - d.h. doch gegenüber den jüdischen Oberen erhebt, sie lehnten (die Autori-
wohl. was B. freilich nicht ausdrücklieh feststellt, an die Chakhamim rieh- tät) Jcsu(s) ab. machen soll, wenn inhaltlich kaum ein Untcr-
•et sich Mt 11.28-30 nicht, da sie ausdrücklich von dem Bestreben geleitet sch jed zwischcn Jesus und ihnen besteht. - Wenigstens auf die
>nd. ,hrc Toraauslegung zu befolgen bzw. sogar für sich selbst die erschwe- Grundprob|crnatik aller dieser Art von Studien sei hier noch ein-
'<-nue Interpretation zu wählen. (S. 158. vgl. a. 160) Von einem Gegensatz . . • . . . „ ... . ... „ „ . . .. .

tischen M, 23.4 und M. 11.28-30 kann so nach dem Vf. überhaupt keine gegangen. *■ lcldcr bci • überhaupt keine Rolle spielt, die aber

Rede sein und der Vorwurf von 23.4b ist pauschal und zeichne, ein falsches nacn mc,ncr Meinung von grundlegender Bedeutung ist. nämlich

B'ld der ( hakhamim. zumal sie Liebe zu Gott und den Nächsten als zen- die. ob sich aut diese Art und Weise das Verhältnis von Judentum

Halen Punkt ihrer Frömmigkeit ansahen. und Christentum bereinigen läßt. Es muß m. E. gefragt werden.

Der vierte Abschnitt behandelt Mt 23.5-12. Aufdcm Hinter- ob dcr im Mt sicn fmdcndc Vorwurf- dcr nach B ausschließlich

grund der rabbinischen Forderung, die Tora lishmad. h. um ihrer P°lcnmch tst und mit ganz geringen Ausnahmen keinen Anhalt

selbst willen zu tun. kann der Vorwurf des Mt in 23.5-10 „nur als an dcr w»*l'chkcit hat. d.c Schnftgelehrtcn und Pharisäer ließen

historisch nicht zutreffende Pauschalierung bezeichnet werden. cs an dcr Ausführung des von ihnen Gelehrten mangeln, über-

d'e inhaltlich selbstkritische Erkenntnisse und Aussagen der haupt durch jüd.schc Belege zu widerlegen ist. die nachdrücklich

Chakhamim polemisch umkehrt". auf d,c Notwcndigkc.t der Übereinstimmung von Lehre und Tun

Wenn auch zu berücksichtigen ist. daß die Vorwürfe in M. 23 (ähnlich ""^iscn. Handelt es sich hierbei - so muß doch wohl wcnig-
*ie die in Mt 6) paränetische Funktion haben, so darfihr polemischer und stcns wcrdcn - nicnt um ZWC1 unterschiedliche Perspektiven
die Chakhamim gerichteter Charakter nicht geleugnet werden. Die ven. die einfach inkompatibel sind, will sagen, kann nicht der jü-
Gü|ligkcit der Halakha der Schril'tgelchrten und Pharisäer wird durch die- dische Gelehrte (zu Recht!) darauf bestehen, daß er die Gebote
sen Abschnitt nun aber nicht nachträglich wieder eingeschränkt, sondern lehrt und tut. und kann nicht aus anderer Perspektive der Evan-
diese reicht nach Mt letztlich deswegen nicht zum Erreichendes Heilsaus. gel ist (zu Recht!) sagen, daß er hier einen Mangel an Kongruenz
*eil deren Lehrer die Bedeutung Jesu als des Verkünders der nahen Gottes- zwischen Lehre und Tun sieht? Aber die Juden sind von den Chri-
cn-schafl nicht anerkennen und den von Jesus verkündeten Willen des s,cn zu schr gcquä|t wordcn a(s daß djcsc Fragc s0 gcste|„ wcr.

d[ers nicht erlüllcn. „ In der Bedeutung, die Mt Jesus als dem Verkünder . ... _ . „ _ , . , .

des u u o , , , f , ... den sollte, weswegen das Problem anders gewendet lauten

" reiches zumißt, liegt das entscheidende trennende Moment im Ver- ... . , , «_ . „ „ , .

häitniQa «; ■ ca v iL a a Ki ... r. i i, , i konnte: Kann nicht ein Vertreter des .. oflizie cn Judentums

u"nis zu den Weisen .aut der Kathcdra des Mose „Diskreditiert wird

nichi die rabbinischc Weisung, sondern die Praxis der Chakhamim. die zur Zclt Jcsu sich zu Recht ßcgcn dlc Vorwürfe von seilen der

"ach Mt - gemessen am Maßstab seines Verständnisses der Person und Qumranlcutc wehren und cm Vertreter der Gemeinde von Qum-

Lchre Jesu - unzureichend und nicht vom rechten Motiv bestimmt ist." - ran zu Recht gleichzeitig auf den Vorwürfen beharren? Kommt es

s folgen eine Zusammenfassung der Ergebnisse und ein Schlußwort, in hier nicht entscheidend auf die Perspektive an? - Die Gesctzcsin-

eni noch einmal das Verhältnis des ml Jesus zur Halakha auf dem Hinter- terpretation des mt Jesus wird weiterer Studien bedürfen. B. hat

nd der Weherufe erörtert wird. durch seine m.E. einseitige Akzentuierung einen kräftigen und

Die Arbeit verdankt sich dem heute zu Recht weit verbreiteten wohl auch notwendigen Gegenakzent gegen einen von christli-

rend. die Vorwürfe des NT bzw. einzelner Schriften gegen die eher Exegese gezeichneten (auch mt) Jesus gesetzt, der sich

uden oder gegen einzelne jüdische Gruppen von deren eigenen schlichtweg und aus eigener Autorität über sein Judentum hin-

^chriften her einer Überprüfung zu unterziehen. Schon allein wegsetzt. Die Wahrheit wird sowohl hinsichtlich des historischen

deswegen ist sie als ein verdienstvolles Unternehmen anzusehen. als auch hinsichtlich des mt Jesus zwischen diesen Extremen zu

Und solche vertiefte Einarbeitung in die jüdische Literatur der er- finden sein.
lter> Jahrhunderte unserer Zeitrechnung, wie sie hier vorliegt, ist

^r die neutestamentliche Exegese unabdingbar. Das schließt ngo roci
er nicht aus. daß im Einzelnen und im Ganzen Fragen bleiben.

e der Diskussion bedürfen. Aus Platzgründcn kann hier nur ,, , .. . _ . , ... __„ ... ,

einen« » r- , , ■ % cia . . . Herrenbruck, Fritz: Jesus und die Zollner. Historische und neute-

daßirnCAuSWahlf0lgC^ stamcntlich-cxcgctische Untersuchungen. Tübingen: Mohr

säc 23-2Ja dlC Auton,at dcr Schriftgelchrtcn und Phan- mQ XI, 380 s gr 8<1= wissenschaftliche Untersuchungen

r Positiv einschätzt, die Fragc aber, die B. eindeutig bejaht, ob zum Neuen Testament. 2. Reihe. 41. Kart. DM I 14.-.
s 'Hl ganzen Evangelium so ist. ist meiner Meinung nach nicht

eindeutig positiv zu beantworten. Schon allein die von Mt Auf Grund der unkritischen Verwendung längst überholter

s°rgfaltig redigierten Antithesen, die sachlich auch nach meiner wirtschafts- und sprachgcschichtlichcr Vorstellungen sowie dem