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Ausgabe:

1992

Spalte:

392-395

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Rāḥib, Mitrī

Titel/Untertitel:

Das reformatorische Erbe unter den Palästinensern 1992

Rezensent:

Ucko, Hans

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 5

392

Voraussetzungen für den Dialog der Ortskirchen im Kontext eines pluralen
Christentums. In: Bertsch, L.: Was der Geist den Gemeinden sagt. Freiburg
: Herder. 23-29.

Kapelrud, Arvid S.: Bakgrunn for Det gamle testamentc (NTT 92. 1991.
171-174).

Sudbrack, Josef: Ein Brückenschlag zum Anliegen Drewermanns (Gul
65, 1992,46-56).

Voss, Gerhard: Dich als Mutter zeigen. Maria in der Feier des Kirchenjahres
. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1991. 260 S. m. Abb., 8 Farbtaf. 8 .
Lw. DM 38,-.

Waidenfels, Hans: Die Eigenständigkeit der Ortskirche aus europäischer
Sicht. In: Bertsch, L.: Was der Geist den Gemeinden sagt. Freiburg: Herder
. 87-102.

Wilfred, Felix: Anthropologische und kulturelle Grundlagen für Kirchlichkeit
. Reflexionen aus asiatischer Sicht. In: Bertsch, L.: Was der Geist
den Gemeinden sagt. Freiburg: Herder. 30-41.

Ökumenik: Missionswissenschaft

Kornder, Wolfgang: Die Entwicklung der Kirchenmusik in den
ehemals deutschen Missionsgebieten Tanzanias. Erlangen: Ev.-
Luth. Mission 1990. 319 S. 8Ü = Erlanger Monographien aus
Mission und Ökumene, 8. Kart. DM 35,-.

Diese Erlanger Dissertation zeigt an einem wichtigen Beispiel
der Missionsgeschichte, was vorher hier und da beobachtet werden
konnte: Die eigenständige kirchenmusikalische Entwicklung
in den aus der Mission entstandenen Kirchen ist eine Frucht der
Unabhängigkeit. Dies läßt sich vermutlich verallgemeinern.
Wichtiger noch ist das andere: Eigene Kirchenmusik konnte in
Afrika nicht einfach an die traditionelle Musik anknüpfen, sondern
mußte und muß aus der Bekehrung der Tradition erwachsen
. Dazu war für die Menschen das Durchgangsstadium Verwestlichung
offensichtlich nötig. Ob diese Beobachtung auch
verallgemeinert werden kann, ist schon schwieriger zu sagen. Andere
Arbeiten werden weitere Belege liefern müssen.

Der Vf. hat in Tanzania und Deutschland sorgfältige Quellenstudien
getrieben. Er legt eine differenzierte Darstellung vor, die
naturgemäß immer wieder bei einzelnen Gestalten verweilt. Die
Berliner Missionare Priebusch, Nauhaus und Tscheuschner werden
zwar nicht so ausführlich behandelt wie Paul Rothe, Rietzsch
und andere gleichermaßen wichtige Schlüsselfiguren. Aber das
tut der Sache keinen Abbruch. Ähnliches gilt für die katholische
Mission in Tanzania.

Die drei Zeitabschnitte, in die die Arbeit eingeteilt wird, sind
auch sachliche Stadien. Vor dem ersten Weltkrieg inklusive Inter-
nierungszeit bis zur Wiedereinsetzung der deutschen Missionare
1925 erfolgt im Wesentlichen die Einführung deutscher bzw. englischer
Kirchenmusik, eine Zeit kultureller Konfrontation. Zwischen
den Kriegen entstehen Fragen und Verunsicherungen. Das
Streben nach westlicher Kultur als der besseren Welt verursacht
bei den einheimischen Christen eine Abkehr von afrikanischer
Kultur. Gleichzeitig erwacht bei den Missionaren eine stärkere
Sensibilität für die Frage, ob das nicht eher zur Säkularisierung
statt zur Annahme eigenständigen Erbes und damit zur „eigenen
" Musik führen muß. Erst mit dem Prozeß der Verselbständigung
der Kirchen nach dem zweiten Weltkrieg entstehen immer
häufiger und dann sogar eine sehr ausgedehnte und intensive Posaunenarbeit
oder eine entsprechend bedeutende Kirchenchorar-
beit sowie ein wachsender Schatz neuer Lieder.

An einigen Stellen macht der Vf. Beobachtungen, die neue Akzente
gegenüber den bisherigen Kenntnissen setzen. Die Behandlung
des Kleider- und Liederstreits um Missionar Rietzsch von
der Brüdergemeine 1931 ff veranlaßt ihn zu einer Auseinandersetzung
mit Klaus Fiedlers Darstellung der Sache (116ff). Bruno
Gutmanns Stellung zur Kirchenmusik wirft ein interessantes
Licht nicht nur auf ihn selbst, sondern auch auf die Behandlung

der Kirchenmusik in manchen neolutherischen Kreisen überhaupt
: Gesang wird nur als Lehre verstanden (1870- Die unterschiedlichen
Verhaltensweisen der Missionsleitungen in Europa
sind interessant für das Thema Mission und Kultur. Besonders
hervorzuheben ist schließlich auch die umfangreiche Sammlung
der einschlägigen Gesangbuchliteratur mit ihren Vorstadien. Sie
wird 196ff dokumentiert. Verwunderlich ist freilich, daß der Vf.
keine Möglichkeit gehabt haben soll, die „Große Missionsharfe"
und die „Reichslieder" in Originalausgabe einzusehen. (209).

Für die weitere Diskussion der Fragen afrikanischer Kirchenmusik
ist mit dieser Arbeit ein guter Anfang gemacht. Am Ende
mahnt der Vf. theologische Kriterien dafür an. Das ist sehr berechtigt
. Aber ein religionsphänomcnologischer Vergleich wäre
m.E. auch ganz wichtig. Und wie sieht es in anderen Kirchen in
Afrika aus? Die Kimbanguisten z.B., die ja bekanntlich bis an
die Grenze nach Tanzania heran zu finden sind, verstehen ihre
Lieder als spontane und aktuell entstandene Credo-Lieder der jeweiligen
Autoren. Musikliteratur ist nur Importware. Große
Künstler der Kirchenmusik haben sie bisher nicht. Ist das möglicherweise
noch ein Schritt weiter zur Inkulturation? Zumindest
gehören diese Beobachtungen in eine afrikanische Frömmigkeitsgeschichte
hinein, die der Vf. bisher nicht bedacht hat oder
bedenken konnte. Von hier aus wird es m.E. unter Umständen
unerwartete theologische Herausforderungen geben, die manche
unreflektierten Kriterien auch dieser Arbeit betreffen. Denn was
hier kirchenmusikalisch geschieht, ist literarisch nicht mehr erfaßbar
. Aber damit ist der Rez. über das gesteckte und beachtete
Ziel der vorliegenden Arbeit hinaus geraten. Sehe ich das richtig,
so empfiehlt es damit das Buch.

Berlin Johannes Alfhausen

Raheb, Mitri: Das reformatorische Erbe unter den Palästinensern
. Zur Entstehung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in
Jordanien. Gütersloh: Mohn 1990. 317 S. 8 = Die Lutherische
Kirche. Geschichte und Gestalten, 11. Kart. DM 36,-.

In seinem Vorwort erklärt Mitri Raheb, daß sein Buch eigentlich
seine Dissertation an der Universität von Marburg darstellt-
Der Text, sagt er, sei nur wenig verändert worden. Jeder, der die
Dissertation nicht gelesen hat und der generell großen Respekt
vor deutschen akademischen Doktorarbeiten hat, muß Rahebs
Buch entweder als eine Ausnahme betrachten oder sein Urteil
über deutsche Doktorarbeiten überdenken. Ich habe wenige Dissertationen
gelesen, wenn auch leicht überarbeitet, die so gut lesbar
waren und so klar in der Aussage.

Der Hauptgrund für die Publikation dieses Buches war das Bemühen
um die Kenntnis der Vergangenheit zur Bewältigung def
Zukunft. „Nur wenn die Evangelisch-Lutherische Kirche in Jordanien
weiß, wie sie entstanden ist und welche Entwicklungen sie
durchlaufen hat, wird sie erkennen, in welcher Situation sie sich
heute befindet" (15ff).

Das Buch handelt von der sehr kleinen Evangelisch-Lutherischen
Kirche in Jordanien, einer Kirche mit ungefähr 1500
Mitgliedern (1959). Es ist eine Kirche, die erst vor kurzem unabhängig
geworden ist, eine Kirche, die Mühe hat, die von den ehemaligen
Herren übernommenen schwerfälligen Institutionen
weiterzuführen, eine Kirche, die zunächst vor den Konsequenzen
der jüdischen Immigration davonlief und danach die Kriege
zwischen Israel und seinen Nachbarn erlebte, eine Kirche
schließlich, deren Mitglieder wie andere Christen in der Gegen"
sich selbst und anderen beweisen müssen, daß sie nicht weniger
Araber bzw. Palästinenser sind, sondern eher das Gegenteil-

Die Existenz dieser Kirche ist das Resultat des Wetteifers westlicher
Missionen im letzten Jahrhundert um ihre jeweilige Pra
senz im Heiligen Land, einem Land, das als Land der Inkarnation