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Ausgabe: | 1992 |
Spalte: | 383-385 |
Kategorie: | Praktische Theologie |
Titel/Untertitel: | Seelsorge und Diakonie in Berlin 1992 |
Rezensent: | Krusche, Günter |
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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 5
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5/1988 und im Bayerischen Rundfunk mit H.-J. Petsch vom
Sommer 1990).
(Noch einmal) deutlich wird gerade auf den letzten 25 Seiten,
wie stark D. von protestantischen Impulsen und von Luthers
Grundfrage geprägt ist und diese in die Denk- und Lebensbewegung
der katholischen Kirche sowie in die Gegenwart insgesamt
hinein transponieren will. Schon angesichts von fast 40 Verweisen
zum Stichwort „Protestantismus" allein im 2. Band von D.s
„Tiefenpsychologie und Exegese" (1985) wird sich aber die
marktdienliche Behauptung auf dem Rückumschlag kaum halten
lassen, hier sei „zugleich ein erster Versuch unternommen, das
Angstthema mit Fragen der evangelischen Theologie zu verbinden
".
Marburg Gerhard Marcel Martin
Elm, Kaspar, u. Hans-Dietrich Loock [Hg.]: Seelsorge und Dia-
konie in Berlin. Beiträge zum Verhältnis von Kirche und Großstadt
im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert. Berlin-New
York: de Gruyter 1990. XVI, 642 S. m. 60 Abb. auf Taf. u. 2
Falttab. gr.8° = Veröffentlichungen der Historischen Kommission
zu Berlin, 74. Lw. DM 148,-.
Der anregende Sammelband - dankenswerte Spätfolge einer
wissenschaftlichen Veranstaltung im Jubiläumsjahr 1987 -
macht deutlich, daß die aktuellen Fragen nur eine Variante der
bleibenden Herausforderungen an die Kirche und die Christen
durch den Wandel der sozialen Verhältnisse darstellen. So hat die
bei der Abfassung der Beiträge noch nicht vorhersehbare Veränderung
der Verhältnisse in Deutschland und besonders in Berlin
die Aktualität dieses Bandes noch erhöht; denn gerade jetzt
erweist sich die Richtigkeit der Feststellung im Vorwort, daß die
Kirchen vor Aufgaben gestellt sind, „zu deren Bewältigung sie
weder geistig noch institutionell ausreichend gerüstet waren".
Um das Gesamturteil vorwegzunehmen: In dem Buch ist eine
reiche Fülle ausgebreitet, die sowohl demjenigen, der die geschichtliche
Rolle der Kirche im Zuge der Industrialisierung und
Urbanisierung besser verstehen möchte, als auch demjenigen,
der sich um Kirchenreform im Blick auf den künftigen Weg der
Kirche bemüht, hilfreiche Details bietet. Dabei verdient die erkennbare
ökumenische Offenheit besondere Beachtung; denn
trotz unterschiedlicher ekklesiologischer Prämissen sind die beiden
Großkirchen angesichts der aktuellen Herausforderungen zu
gemeinsamem Handeln verpflichtet. Die kaleidoskopartige Fülle
führt unvermeidlich zu Überschneidungen und Brechungen und
läßt Fragen offen, die nach tieferer Durchdringung verlangen
und neue Horizonte eröffnen. Insofern ehrt es die Herausgeber,
daß sie im Wissen um den fragmentarischen Charakter der Einzeldarstellungen
von „Beiträgen zum Verhältnis von Kirche und
Großstadt im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert" sprechen.
Nichtsdestowenigerer füllt das Buch eine Lücke in der wissenschaftlichen
Literatur aus. Die folgende Inhaltsübersicht muß als
Versuch gelten, in stark verkürzender Form die Beiträge zu charakterisieren
, um dadurch Interesse zu wecken, damit dieses
Buch viele Leser findet.
Im /. Teil werden Grundsatzfragen erörtert: G. Sauter beschreibt
die Wandlungen der „Sorge um den Menschen in der
evangelischen Theologie des 19. und 20. Jahrhunderts" (4-21).
Spezieller ist der Beitrag von E. Gatz angelegt: „Katholische
Großstadtseelsorge im 19. und 20.Jahrhundert" (22-38). Er
zeigt am Kölner Beispiel sehr konkret den pastoralen Notstand
aufgrund von Säkularisierung, Urbanisierung und Mobilität.
Daran schließt sich ein Beitrag von L. Hölscher (sicher nicht
1848 geb.!) über „Möglichkeiten und Grenzen der statistischen
Erfassung kirchlicher Bindungen" (39-59) an, der die Engführung
der Anfänge der Kirchenstatistik durch ihre administrative
Befangenheit und ihre Voreingenommenheit gegenüber der Säkularisierung
im allgemeinen belegt. Die Vorschläge für eine differenziertere
Fragestellung sind hilfreich und sollten Beachtung
finden.
Auch der //. Teil bezieht sich noch nicht auf Berlin im engeren
Sinn. Er bietet Fallstudien aus Großbritannien (H. McLeod.
63-80), Amsterdam (H. Diedriks, 81-94), Wien (J. Weissenslei-
ner, 95-128) und Dortmund (F. W. Saal, 129-157). In allen diesen
Beiträgen spiegelt sich die große Differenziertheit wider, die
das Eingehen der Kirchen auf die neue Situation der Verstädterung
und Industrialisierung auszeichnet. Damit wird die Notwendigkeit
differenzierter Beschreibung auch für den konkreten
Fall Berlin noch einmal unterstrichen.
Dem eigentlichen Thema „Seelsorge und Diakonie in Berlin"
ist der ///. Teil verpflichtet, der den Hauptteil des Buches ausmacht
. Am Anfang steht der sehr informative Beitrag von H.-J-
Teuteberg, der kenntnisreich dem Zusammenhang zwischen
„moderner Verstädterung und kirchlichem Leben in Berlin"
(161-200) nachgeht und einen Katalog klärender Fragen für die
Weiterarbeit aufstellt (1990- Darauf folgt der Aufsatz von H-
Matzerath über „Wachstum und Mobilität der Berliner Bevölkerung
im 19. und 20. Jahrhundert" (201-222), in dem die Ambivalenz
des Urbanisierungsprozesses aufgewiesen wird, die vor
einer einseitigen Negativ-Bewertung der Großstadt-Metropole
bewahren sollte. Vielmehr müssen sich die Kirchen auf einen
neuen Lebensstil einstellen.
Auf die Beschreibung von „Berlin als katholische(r) Diaspora"
von H.-G. Aschoff (223-232) folgt der sehr ausführliche und
durch statistisches Material angereicherte Beitrag von W. Ribbe
„Zur Entwicklung und Funktion der Pfarrgemeinden in der
evangelischen Kirche Berlins bis zum Ende der Monarchie"
(233-263), der den Weg zu der noch heute weitgehend vorhandenen
Struktur der Berliner Parochien schildert, die, vor allem in
der Zeit der Industrialisierung, durch ständige Erweiterung und
darauffolgende Teilung der Mutter-Parochien entstanden. Damit
ist auch die Stagnation der Gemeindebildung erklärt, die durch
sinkende Mitgliederzahlen verursacht ist. Das Pendant dazu liefert
F. Escher „Pfarrgemeinden und Gemeindeorganisation der
katholischen Kirche in Berlin bis zur Gründung des Bistums Berlin
" (265-292), das den grundsätzlich verschiedenen Verlauf der
Gemeindebildung darlegt: Eine Einwandererkirche, die erst seit
1773 eine einzige katholische Pfarrgemeinde in Berlin besaß und
nicht auf vorhandenen Strukturen aufbauen konnte, inzwischen
aber nicht mehr als Diasporakirche im eigentlichen Sinne bezeichnet
werden kann (1927: 196882 katholische Einwohner in
Groß-Berlin).
Es schließen sich Beiträge zu wichtigen kirchlichen Aktivitäten
an:
Zur Predigt seit Schleiermacher im allgemeinen schreibt der
als Fachmann ausgewiesene Praktische Theologe F. Wintzei
(293-306); J. Boeck belegt an ausgewählten, spannend zu lesenden
Predigtbeispielen aus der Ev. Parochialkirche die Einbindung
der Predigt in die aktuelle Situation. „Zum Verhältnis von
Religionsunterricht und Konfirmandenunterricht unter seelsorgerlich
-diakonischem Aspekt" schreibt P. C. Bloth (329-339).
indem er den Wandel von der christlichen Volkserziehung zum
bekenntnisorientierten, an den Bedürfnissen der Kirche und der
Jugendlichen ausgerichteten Religionsunterricht anhand kirchlicher
Verlautbarungen dokumentiert und damit schon zur aktuellen
Diskussion überleitet. Analog dazu stellt W. Simon die Entwicklung
im katholischen Bereich dar (341-384). Auch d'c
Bedeutung der konfessionellen Publizistik für das kirchliche
Leben in Berlin findet Erwähnung, zunächst allgemein (B. Söst"
mann, 385-412), dann aus evangelischer Sicht (F. Welchen, 4'
426), schließlich aus katholischer Perspektive (J. M. Schulz, 427-
449). Die Feststellung O. Zöeklers ist auch heute wahr: „D<e