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Ausgabe:

1992 Nr. 5

Spalte:

380-382

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Beraten und Begleiten 1992

Rezensent:

Schmidt-Rost, Reinhard

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379

Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 5

380

Hilpert, Konrad: Die Menschenrechte. Geschichte - Theologie -
Aktualität. Düsseldorf: Patmos 1991. 312 S. 8 .

Ein Buch über die Menschenrechte, das im Jahre 1991 erscheint
, veranlaßt zu der Erwartung, hier würden vielleicht erstmals
die aktuellen Veränderungen der politischen Weltlage verarbeitet
; wenigstens die Einflüsse der jahrzehntelang kontroversen
Menschenrechtsdebatte in UNO-Gremien, auf KSZE-Konferenzen
, kirchlichen Synoden und in päpstlichen Sozialenzykliken
auf die „Wende" in Osteuropa dargestellt. Solche Ambitionen
hat der Autor nicht. Er ist praktischer Theologe und Sozialethi-
ker an der Universität des Saarlandes, methodisch deutlich vom
Neothomismus geprägt, was jedoch inhaltlich wohltuend durch
ein reflektiertes Engagement für die katholische Soziallehre aufgewogen
wird.

In zehn Kapiteln entfaltet der Autor eine Art katholische Gesellschaftstheorie
auf der Basis der Menschenrechte. Das ist insofern
ein gewagtes Unternehmen, als die römische Kirche ihre
Sympathie für die Menschenrechte erst spät entdeckt. Das sechste
Kapitel beginnt darum auch mit Zitaten aus dem Breve
„Quod Aliquantum" Pius' VI. von 1791, in dem der Papst seine
Ablehnung aller „Errungenschaften" der französischen Revolution
wortreich zum Ausdruck bringt. Begütigend fügt der Autor
hinzu, daß damit in erster Linie der von Rom immer schon als
bedrohlich empfundene Gallikanismus angesprochen war. Die
zitierten Texte unterstreichen allerdings die bis heute wirksame
Spannung zwischen individuellen Freiheiten einerseits und dem
Alleinvertretungsanspruch des Heiligen Stuhls auf die Wahrheit.
Das 2. Vatikanische Konzil hatte den ekklesialen Anspruch Roms
gegenüber den nicht-katholischen Christen erstmals differenzierter
beschrieben. Solche Passagen aus Lumen gentium und Gaudium
et spes fehlen aber leider gerade dort, wo es um Glaubensund
Religionsfreiheit geht. Der Protestantismus, sein Beitrag für
die Menschenrechte und deren „theologische Entschlüsselung"
(Huber/Tödt) findet überhaupt nur anmerkungsweise Erwähnung
.

Um so beachtenswerter ist das Kapitel über die „innerkirchliche
Bedeutung der Menschenrechte". Spät genug spricht das
2. Vaticanum vom „Verzicht, Irrtum durch Zwangsmaßnahmen
auszuschließen" (254). Dennoch ist der Autor merklich vorsichtig
, wenn er von „selbstkritischer Herausforderung" der Kirche
durch die Menschenrechte spricht. Mehr „Teilhabe" der
nicht ordinierten Gläubigen wünscht er sich und stärkeren
„Rechtsschutz" in Lehrbeanstandungsverfahren. Die aktuelle
Brisanz dieses Problems hätte an Fallbeispielen dargestellt werden
können. Doch der Autor wahrt die akademische Distanz zu
seinem Thema.

Das gilt sogar noch dort, wo er am Anfang wie am Ende des Buches
vom „alltäglichen Skandal" der Menschenrechtsverletzungen
und der „Dringlichkeit im Kampf" gegen diese schreibt. Es
ist alles richtig und notwendig zu benennen, was dazu aufgeführt
wird. Aber es geht nicht unter die Haut! Die spürbare Leidenschaft
für die Sache wird durch deduktive Systematik immer wieder
gebremst.

Das ist selbstverständlich auch der Unterschied zwischen
einem Jahresbericht von Amnesty International z. B. und einem
Lehrbuch über Menschenrechte für Theologiestudierende der
römisch-katholischen Kirche. Als solches versteht der Autor
seine aus Vorlesungen hervorgegangene Publikation. Und diesem
Anspruch wird das Buch in seiner historischen und systematischen
Darstellung durchaus gerecht.

Neudietendorf Götz Planer-Friedrich

Praktische Theologie:
Seelsorge/Psychologie

Baumgartner, Konrad, u. Wunibald Müller [Hg.]: Beraten und
Begleiten - Handbuch für das seelsorgliche Gespräch. Freiburg
-Basel-Wien: Herder 1990. 336 S. gr.8 . Lw. DM 49,80.

Schellenberger, Bernardin: Wider den geistlichen Notstand.
Meine Erfahrungen mit der Seelsorge. Freiburg-Basel-Wien:
Herder 1991. 139 S. 8 .geb. DM 22,80.

In kurzer Folge publiziert der Herder-Verlag zwei grundverschiedene
Beiträge zur katholischen Seelsorgelehre: Das „Handbuch
für das seelsorgerliche Gespräch" läßt als Handbuch die
Konsolidierung der Beratenden Seelsorge auch in der katholischen
deutschsprachigen Pastoraltheologie erkennen, wie sie vor
allem durch die Tätigkeit der Caritas-Beratungsstellen gefördert
wurde. Der Erfahrungsbericht aus der Seelsorge in einer schwäbischen
Landgemeinde von B. Schellenberger, eines zum Gemeindedienst
freigestellten Trappisten, stellt hingegen über weite
Strecken eine Kritik nicht nur der amtskirchlichen Handlungsformen
, sondern auch der Versuche dar, die Seelsorge durch soziale
Aktionen und humanwissenschaftliche Spezialisierung zu
beleben. Nebeneinander gelesen, eröffnen die beiden Bücher
einen spannenden Einblick in die Probleme der Seelsorge in der
modernen Gesellschaft und erweisen sich beide - bei allen Unterschieden
- letztlich geprägt vom Willen grundlegender Erneuerung
der katholischen Kirche von der Seelsorge her.

1. Das Handbuch präsentiert in 32 Artikeln von 6 Autorinnen
und 22 Autoren ein breites Spektrum klinisch-psychologischen
und psychotherapeutischen Wissens im jeweiligen Verwendungszusammenhang
in Einrichtungen der katholischen Kirche. Sein
Aufbau orientiert sich an den Problemfeldern kirchlicher Beratungspraxis
: Den grundlegenden Überlegungen zur „Seelsorge
als Begleitung und Beratung" (I.), folgt die Diskussion methodischer
Gesichtspunkte (II.), darunter auch eine Skizze zum Verhältnis
von „Beichtgespräch und beratendem/geistlichem Gespräch
"; den Hauptteil aber bildet die differenzierte Vorstellung
verschiedener Praxisfelder der Seelsorge als Beratung und Begleitung
(III. Besondere Zielgruppen, IV. Existentielle Grundprobleme
, V. Besondere Lebenssituationen). Im einzelnen finden
sich neben traditionellen Themen einige durchaus ungewöhnliche
, z. B. seelsorgerliche Beratung und Begleitung für wiederverheiratete
Geschiedene, nicht-eheliche Lebensgemeinschaften.
Alleinerziehende, Interessenten für kirchliche Berufe, in „Hoch-
Zeiten des Lebens".

Die einzelnen Beiträge zeigen durchweg den typischen Aufbau
beratungspsychologischer Praxisreflexion: Dem Bericht aus der
eigenen Beratungspraxis mit Problcmdiagnose und/oder Fallbei-
spiel oder mit einer soziologischen Kurzanalyse zur Einführung
in die Problemstellung folgen Untersuchungen der Interaktionen
, Erfolgsbeschreibung, Ausblick auf weitere Probleme und
Literaturangaben. Aus dem Rahmen des Problemkreises der psychosozialen
Betreuung fällt allenfalls der Abschnitt der Seelsorge
„Im Katechumenat" (295ff), der als einziger nicht individueH
konfliktorientiert ist, sondern einen Vollzug des Gemeindelebens
behandelt.

Die innere Einheit des Buches ergibt sich vor allem aus dem
gemeinsamen Ringen um eine zeitgemäße Seelsorge in der Seelsorgetradition
und aus der Ähnlichkeit der Lösungswege:

- Glaubwürdige Beratung und Begleitung setzt ein bei den Per'
sönlichen Erfahrungen der Menschen, denen sie sich zuwendet-
Diese Erfahrungen werden weithin zur Norm des seelsorgerl'-
chen Handelns. Dabei entstehen für katholische Seelsorger und
Seelsorgerinnen (!) massive Spannungen zwischen der kirchlichen
Ordnung und den Bedürfnissen der Seelsorgesuchenden.
z. B. in Ehe- und Familienproblemen. (122-155)