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1992

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Kirchengeschichte: Territorialkirchengeschichte

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 5

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schwieriger sind die Fragen nach der Einordnung, Bedeutung
und Bewertung des Konfliktes zu beantworten. Schon einen Tag
nach der Massenveranstaltung in Cloppenburg begann die Kontroverse
darüber.

Möglich war die Protestbewegung im Oldenburger Münsterland
, weil es dort ein ungemein dichtes Netz sozialer Beziehungen
gab, der Klerus eine anerkannte Führungsschicht war und in
den kirchlichen Zentralen in Vechta und Münster Mittelpunkte
bestanden, in denen die Fäden zusammenliefen. Hier erwies es
sich, daß die Katholiken die geschlossenste Oppositionsgruppe
darstellten, der sich das Regime gegenübersah.

Der Realschullehrer Rudolf Willenborg liefert einen Beitrag
„Zur nationalsozialistischen Schulpolitik in Oldenburg 1932-
1945" (56-81). Den Zug der nationalsozialistischen Schulpolitik
zur „ deutschen " Gemeinschaftsschule hat er (der Massenprotest
und Sieg im Kreuzkampf) nicht aufgehalten, ja wohl nicht einmal
für kurze Zeit angehalten.

Der Diplompädagoge Franz-Joseph Luzak schreibt über „ Die
Lutherbildaffäre in Oldenburg. Die Evangelisch-lutherische Kirche
im Kampf um Kreuz und Lutherbild" (82-100). Die Protestanten
Nordoldenburgs und die Katholiken Südoldenburgs
waren sich immer fremd geblieben. So gab es in Nordoldenburg
auch keinen Volksaufstand aufgrund des Erlasses, der auch die
Lutherbilder betraf. Für die Lutheraner hatte das Lutherbild
nicht im entferntesten die Bedeutung wie für die Katholiken das
Kreuz. Außerdem waren sie in unvergleichlich viel größerer Zahl
mit dem Regime und seiner Ideologie einverstanden als die früheren
Zentrumswähler im Münsterland.

Diesen Gesamtdarstellungen folgen Aufsätze mit je eigenen
Verfassern, die den „Kreuzkampf" in elf katholischen Gemeinden
des Oldenburger Münsterlandes aufarbeiten. Auch sechs
führenden Persönlichkeiten in jener Auseinandersetzung, katholischen
Geistlichen und Laien, sind gesonderte Darstellungen gewidmet
. Weitere Abhandlungen betreffen die Außenpolitik und
Selbstdarstellung des Dritten Reiches im Jahre der Rheinlandbesetzung
und der Olympischen Spiele 1936 (Alwin Hanschmidt
), das Verhältnis der katholischen Kirche zum Nationalsozialismus
1933-1937, den Bischof von Münster, Clemens
August Graf von Galen, Grundzüge einer katholischen Kreuzestheologie
, den weltanschaulichen Hintergrund des Kreuzkampfes
und religionssoziologische Überlegungen dazu. Schließlich
befassen sich fünf Aufsätze mit der Wirkungsgeschichte und
noch einmal mit der Rekonstruktion des Verlaufs der Versammlung
in der Münsterlandhalle.

Hilfreich sind eine Zeittafel vom 1. Mai 1936 bis zum 26. Juni
1937 sowie eine kommentierte Bibliographie zum Kreuzkampf
und ein umfangreiches Literaturverzeichnis. Ein fast 80 Seiten
starker Bildteil enthält neben Karten und Graphiken die wichtigsten
Dokumente in Faksimile und zahlreiche Bilder, hauptsächlich
von den beteiligten Personen.

Das Buch wirkt einerseits wie ein „Heldenepos" aus der
Kampfzeit in einem eng umgrenzten Gebiet; überregionale Bedeutung
hat es aber deshalb, weil es einem bisher zu wenig beachteten
Phänomen in der Geschichte des Widerstandes während
des Dritten Reiches gewidmet ist, nämlich einem, wenn auch nur
für einen kurzen Augenblick erfolgreichen Massenprotest gegen
die Diktatur.

Bei der Fülle der Einzeldarstellungen kommt es unvermeidlich
zu Überschneidungen und Wiederholungen. Andererseits wird
der Leser durch die verschiedenen Bearbeiter des Themas geradezu
zum eigenen Urteil herausgefordert. Dieses besondere und
ziemlich alleinstehende Kapitel in der Widerstandsgeschichte
während der national-sozialistischen Herrschaft im Deutschen
Reich verdient größte Aufmerksamkeit.

Emden Menno Smid

Bulla, Siegmund: Das Schicksal der schlesischen Männerklöster
während des Dritten Reiches und in den Jahren 1945/46. Sigmaringen
: Thorbecke 1991. 200 S. 8 = Arbeiten zur schlesischen
Kirchengeschichte, 5. Kart. DM 36,-.

Das Buch beschreibt 11 schlesische Männerklöster in alphabetischer
Reihenfolge. Kapitel 1 nennt die Benediktiner (11-28).
Kloster Grüssau, 1242 gegründet, erlebte 1930-1939 eine Blütezeit
; der Abt hatte Beziehungen zu „Kreisen um Herrn von
Papen"(19). 1940 wurde die Abtei beschlagnahmt, 1946 wurden
letzte Ordensangehörige ausgewiesen, polnische Benediktinerinnen
setzten das monastische Leben fort (28). Nach diesem
Schema werden weitere Orden vorgestellt, meistens begannen
die Maßnahmen gegen die Klöster schon 1933. Es geht um Franziskaner
(29-54), Jesuiten, Kamillianer (79-92), Mariannhiller
(eine 1930 von Südafrika her gegründete Missionsstation), die
Missionsgesellschaft der Söhne des Unbefleckten Herzens Maria
(102-107), Oblaten der Unbefleckten Jungfrau Maria, die Gesellschaft
vom Katholischen Apostolat (116-123), die Kongregation
des allerheiligsten Erlösers, die Gesellschaft des göttlichen
Heilandes (136-148), die Gesellschaft des göttlichen Wortes
(149-161). Viel persönlicher Einsatz und viel Leid wird mitgeteilt
. Die Darstellung ist nüchtern und keineswegs emotional.

Im Abschlußkapitel wird bedauert, daß es „seitens der Orden
im Jahre 1933 keinen geschlossenen Widerstand gegen das nationalsozialistischen
Regime" gab (164). Die Maßnahmen gegen die
Klöster verschärften sich, 1940 wurden die Ordensschulcn aufge-
löst(171); 1941 gab es in Schlesien „keine Ordensgemeinschaft,
die nicht wenigstens eines oder alle ihre Häuser durch Beschlagnahme
verloren hätte" (173). Beim Umbruch 1945 erwies sich
„das Ordenskleid ... nur in Ausnahmefällen als Schutz" (181)-
„ Kollektive Verurteilungen aller Rotarmisten wären aber ungerecht
und sind, wie unsere Untersuchung zeigt, geschichtlich
nicht haltbar" (182). Der polnische Ausweisungsbefehl traf auch
die deutschen Ordensleute, die freilich „durch ihre polnischen
Brüder einen gewissen Schutz genossen" (183). Das Buch endet
mit der „Zuversicht auf die letzte und eigentliche Versöhnung
durch den, der die Geschichte ins Dasein rief und erhält" (184).

G. H.

Brecht, Martin: Kirche und Bürgerin Herford im Mittelaltcr(JWKG 84-

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Kehr, M. Polster. M. Rößlcr. T. Schröder, R. Schuster. T. Sorg. G. SpindJC
u. J. Trautwein. Stuttgart: Quell 1991. 382 S.. 8 Taf. 8 - Lesebuch zur Geschichte
der Evang. Landeskirche in Württemberg. 2. Lw. DM 36.-.

Weiß, Dieter J.: Die Deutschordcnskommcndc Ehingen (ZBKG 59-
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