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Ausgabe:

1992

Spalte:

374-376

Kategorie:

Kirchengeschichte: Territorialkirchengeschichte

Titel/Untertitel:

Zur Sache - das Kreuz! 1992

Rezensent:

Haendler, Gert

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 5

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Emden Menno Smid

Buch des lutherischen Gemeindepfarrers an der Lamberti- Deutsch-christliche Gemeinde in Aurich. die sich an die Thürin-
Kirche in Aurich leider nicht erfüllt. Schon im Untertitel wird ger DC anlehnte, ohne für ihre Mitglieder den Austritt aus der
eine Eingrenzung auf die lutherischen Gemeinden angezeigt. Landeskirche zu verlangen.

Aber tatsächlich wird in der Hauptsache das Geschehen in der In 18 Anlagen werden der Darstellung sehr aufschlußreiches
Umberti-Kirchengemeinde in Aurich und vor allem das Wirken Material über die Deutschen Christen in Ostfriesland hinzuge-
des auch über Ostfriesland hinaus bekannt gewordenen führen- fügt, aber auch bemerkenswerte Stellungnahmen gegen sie. Ein
den DC-Pastors Heinrich Meyer (geb. 1901), der seit 1927 zu- Quellen- und Literaturverzeichnis sowie ein Namenregister verflachst
als Hilfsprediger und dann als Inhaber der 3. Pfarrstelle vollständigen diese Arbeit. Ihr wäre zu wünschen, daß sie den
dieser Gemeinde tätig war, dargestellt. Damit beschränkt sich Anstoß gibt für eine möglichst umfassende Darstellung der Ge-
der Inhalt dieses Buches auf den ohne Frage dramatischen Teil schichte sowohl der lutherischen wie der reformierten Gemein-
des Kirchenkampfes in Ostfriesland. Wahrscheinlich hat diese den in Ostfriesland zwischen 1918 und 1945. Dafür ist sie ein
thematische Eingrenzung mit dazu beigetragen, daß diese ver- weiterer beachtenswerter Baustein,
dienstvolle Arbeit so spannend zu lesen ist, so daß bereits 1989
eine zweite Auflage erscheinen mußte.

In die Vorgeschichte von 1918 bis 1933 führt der Vf. nur kurz

ein (11 Seiten). Zur Darstellungderallgemeinen kirchlichen Lage ^ „ ,,, .

in Ostfriesland bedient er sich fast ausschließlich einiger ge- Kuropka, Joachim [Hg.]: Zur Sache - Das Kreuz! Un ersuchun-

rtr, ., „ « . . — . „„„,„ii,„„ gen zur Geschichte des Konflikts um Kreuz und Lutherbild in

druckter Protokolle lutherischer Thesenpap.ere der Generalkon- oldenb zur Wirkungsgeschichte eines Mas-

ferenz der lutherischen Geistlichen Ostfr.eslands aus jener Zeit. senprotests und zum Problem nationalsozialistischer Herr-

Schon die Heranziehung dieser wenigen Quellen laßt ahnen, daß schaft jn einer agrarisch-katholischen Region. 2.. durchges.

die lutherischen Gemeinden und Pastoren in der Mehrzahl einer Aufl Vechta: Vechtaer Druckerei u. Verlag 1987. 511 S. m.

Machtübernahme durch die Nationalsozialisten eher positiv zahlr. Abb. gr.8 . Pp. DM 49,80.
Segenüberstehen würden und von ihnen nicht von vornherein

Widerstand zu erwarten war. Der verspätete Druck dieser Besprechung liegt nicht in der Ver-

Kurze Wiedergaben aus den Schriften des Hirschschülers antwortung des Rez.

Heinrich Meyer „Evangelisches Christentum im Grenzlande", Das Oldenburgische Münsterland, der 1803 an das frühere

1930, überscine Erfahrungen als Vikarin Komotau in derTsche- Land Oldenburg und den heutigen Verwaltungsbezirk Olden-

ehoslowakei, und „Wie stellst du dich, deutscher Christ, zum Na- burgs des Landes Niedersachsen gekommene Teil des Bistums

Üonalsozialismus?", 1932, zeigen, daß darin die theologische Münster mit den Landkreisen Cloppenburg und Vechta, hatte

und politische Grundlage für dessen Wirken nach 1933 schon in nach der Volkszählung von 1925 eine Bevölkerung, die zu weit

a"er Deutlichkeit dargelegt ist. über 90% der katholischen Kirche angehörte. Kirchlich ist dieses

Die im einzelnen wiedergegebenen Auseinandersetzungen im Gebiet auch heute noch dem Bistum Münster unterstellt und hat

Kirchenkampf der lutherischen Gemeinden in Ostfriesland mit einen eigenen Offizial.

Schwerpunkt in Aurich sowie auch die Entwicklung der Deut- Hier fand die einzige Volkserhebung während des Dritten Reichen
Christen und ihr Griff nach der Herrschaft in der Kirche ches in Deutschland statt. Ausgelöst wurde diese durch einen
a"ch in diesem Gebiet hatten ihre Rahmenbedingungen in den Erlaß des Ministers der Kirchen und Schulen im damaligen Frei-
Geschehnissen der evangelischen Kirche im Deutschen Reich Staat Oldenburg, Julius Pauly. vom 4. November 1936. Darin
"ach 1933 und besondersauch in den besonderen Gegebenheiten wurde angeordnet, „daß künftig in Gebäuden des Staates, der
'n der Ev.-Iuth. Landeskirche Hannovers. Der gescheiterte Ver- Gemeinden und Gcmeindcvcrbändc kirchliche und andere reli-
s"ch der Bildung einer evangelischen Reichskirche, die Bestel- giöse Zeichen - z. B. Kruzifix oder Lutherbild - nicht mehr ange-
lung eines Reichsbischofs, die Auflösung der gewählten kirchli- bracht werden dürfen. Die bereits vorhandenen sind zu entfer-
chen Vertretungen, die Neuwahlen der Kirchenvorstände und nen. Über das Veranlaßte ist bis zum 15. Dezember d.J. zu
des Landeskirchentages, aber auch die Vorbereitungen zum Lu- berichten". Der Kreuz-Erlaß war ein konsequenter Schritt natio-
therjahr 1933 und die Sportpalastkundgebung hatten ihre Aus- nalsozialistischer Schulpolitik, die als Ziel die Gemeinschafts-
wil"kungen in den lutherischen Gemeinden Ostfrieslands. schule hatte, in der aus den Schülern begeisterte Nationalsoziali-

Nach erheblichen Anfangserfolgen der Deutschen Christen in sten gemacht werden sollten.

°stfriesland war es vor allem der Beschluß des Kirchensenats Bei Bekanntwerden dieser Anordnung und dem Beginn ihrer

Segen die Stimme von Landesbischof Marahrens vom 15. Mai Durchführung gab es in den überwiegend protestantischen Ge-

1934 über die Eingliederung der Hannoverschen Landeskirche in bieten keinen oder nur vereinzelten Protest dagegen. Im katholi-

die Deutsche Evangelische Kirche, der die Wende zugunsten der sehen Oldenburger Münsterland kam es zu so massiven Massen-

danach in Hannover und auch in Ostfriesland gegründeten Be- Protesten, daß der Gauleiter und Reichsstatthalter Carl Rover in

kenntnisgemcinschaft brachte. Weder der von Anfang an offen- einer dramatisch verlaufenen Großversammlung in der Münster-

bare Antisemitismus noch die sonstige Politik der neuen Macht- landhalle in Cloppenburg vor über 7000 Teilnehmern den Erlaß

haber war, von der Haltung einiger weniger abgesehen, für die als eine Fehlentscheidung zurückzog.

Mehrheit der Lutheraner in Ostfriesland offensichtlich Grund Joachim Kuropka, Professor im Fachbereich Sozial- und Kul-

zum Protest oder gar zum Widerstand. Erst die totale Politisie- turwissenschaften der Universität Osnabrück. Abteilung Vechta.

rung der Kirche und die damit verbundene Bedrohung des luthe- ist der Hg. des hier anzuzeigenden Buches, in dem 25 Autoren

■""sehen Bekenntnisses mobilisierte die große Mehrheit der sich um die Geschichte, Einordnung und Bewertung des Kreuz-

Pastoren und Gemeindeglieder nun auch nicht gegen den natio- kampfes in Oldenburg im Jahre 1936 bemühen. Ziel und Ergeb-

na|sozialistischen Staat, sondern gegen die Deutschen Christen, nis dieser Arbeiten war u.a. eine historische Ausstellung zum

dle sich der Kirche zu bemächtigen suchten. Im Frühjahr 1935 50. Jahrestag der Ereignisse, die im November 1986 im Mu-

gehörten noch 16 von ca. 90 lutherischen Pastoren in Ost- seumsdorf in Cloppenburg eröffnet und u.a. auch im Frühjahr

'•"'esland zu den Deutschen Christen. Ihre Zahl schrumpfte bald 1988 in Bonn gezeigt wurde.

auf unter 10. Heinrich Meyer verlor sein Amt als Landespropst, Der Hg. ist der Vf. des ersten grundlegenden Beitrags mit dem

chrte nicht wieder auf die 3. Pfarrstelle der Lamberti-Kirche Titel „Das Volk steht auf." Darin rekonstruiert er den Ercignis-

ln A"rich zurück, sondern gründete am 13. August 1936 eine ablauf vom 4. bis zum 25. November 1936 aus den Quellen. Weit