Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1992

Spalte:

359-360

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

Q Thomas reader 1992

Rezensent:

Schenke, Hans-Martin

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

359

Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 5

360

gigen Titeln zu liefern, die dann doch nicht beachtet werden - um
so merkwürdiger, wie gesagt, wenn sie die These des Vf.s stützen
können.

Man wird die grundlegende These des Vf.s anerkennen: die
„Menschensohn"-Worte der Evangelien sind in ihrem Grundbestand
Jesusworte, die ihn und sein Wirken und seine Vollmacht
bezeichnen. Der Griff auf jüdische Apokalyptik bringt
nichts, auch dann nicht, wenn die Bilderreden des äth. Henoch
älter als die Evangelien sein sollten.

Steffisburg b. Bern Hans Bietcnhard

Kloppenborg, John S., Meyer, Marvin W., Patterson, Stephen J.,
and Michael G. Steinhauser: Q-Thomas Reader. Sonoma, CA:
Polebridge 1990. X, 166 S. 8".

Der Anlaß für die Konzipierung dieses Studienbuches war die
Verfügbarkeit sowohl über eine Übersetzung von Q (J. S. Kloppenborg
) [hier jetzt S. 31-74] als auch über eine solche vom Thomas
-Evangelium (=ThEv) (M. W. Meyer) [hier jetzt S. 128-158],
die beide für eine Ausgabe der neutestamentlichen Apokryphen
bestimmt waren. Diese Übersetzungen als der Kern des Projekts
- von denen überraschenderweise nur der des ThEv der zugrundeliegende
(koptische) Text beigegeben ist - brauchten dann nur
noch eingeleitet zu werden. Und das besorgt für Q M. G. Steinhauser
(3-27) und für das ThEv S. J. Patterson (77-123). Dem
Charakter eines Studienbuches wird außer durch die Art der Einleitungen
, die praktisch bei „Null" anfangen, dadurch Rechnung
getragen, daß zwischen Einleitung und Übersetzung jeweils noch
weiterführende Literaturangaben nebst kurzer Skizzierung des
Wesens der betreffenden Bücher oder Aufsätze geboten werden
(" Suggested Reading", 28-30, 124-127), sowie dadurch, daß am
Ende ein kleines Wörterbuch (eine „Mini-RGG") angefügt ist,
wo die in den Einleitungen vorkommenden Titel, Namen, Begriffe
etc. erklärt werden ("Glossary", 160-165). Die Übersetzung
des ThEv umfaßt übrigens auch eine Übersetzung der griechischen
Fragmente (156-158) und wird beschlossen mit einer
Liste der Parallelen zwischen Q und ThEv (159). Ganz am Ende
findet sich schließlich noch ein Index der modernen Autoren
(166).

Das Wesentliche des bisher über Idee, Konzept, Verantwortlichkeiten
hinsichtlich dieses Buches Gesagten findet sich in
einer "Preface" von Robert W. Funk als dem Präsidenten von
Polebridge Press dargelegt (S. VI). Die theoretische Aufgabe, die
beiden (Bestand-)Teile des "Readers" wirklich als eine Einheit
erscheinen zu lassen, übernimmt dann in einem "Foreword" J.
M. Robinson (S. VII-X). Als Zweck des ganzen Unternehmens
kommt dabei heraus, daß man das durch die wesentlich narrati-
ven Evangelien des Neuen Testaments bestimmte Bild von der
Evangelien-Überlieferung ergänzen will durch die Präsentation
eben dieser beiden erhaltenen bzw. rekonstruierbaren Beispiele
für den ganz anderen Typ des Spruch-Evangeliums (Sayings Gos-
pel).

Damit, aber auch durch die Sache selbst, ist klar, daß dies Lesebuch
aus einer Forschungsrichtung stammt und eine Perspektive
vermittelt, deren spiritus rector in meinen Augen eigentlich Helmut
Köster ist - in Nordamerika schon so etwas wie eine communis
opinio innerhalb der kritischen Forschung, deren Einzug in
Europa und vor allem in den deutschsprachigen Raum aber wohl
noch weithin durch W. Schräge (ich meine sein so überraschend
einflußreich gewordenes Buch über das ThEv) blockiert ist. Also,
umso interessanter muß die Lektüre für uns Hiesige sein, zumal
die ganze Sache sorgfältig und lehrreich gemacht ist und mithin
auch unter diesem Gesichtspunkt empfohlen werden kann.

Man erhält z. B. in der Einleitung zu Q wichtige Informationen

über die allerncustc Q-Forschung in der englischsprachigen Welt;
und die Einleitung zum ThEv erdreiste ich mich kongenial zu
nennen. Im koptischen Text des ThEv habe ich nur drei Druckfehler
entdeckt (23:2 lies senaöhe; 95:2 lies -jitou; 103 lies neu).
Innerhalb von Q kommt der Druckfehlerteufel nur gegen Ende
hin zum Zuge und hat sich da besonders auf das Gleichnis vom
großen Abendmahl konzentriert.

Daß ein solches Lesebuch nicht bloß das Erreichte zu konservieren
braucht, sondern auch weiterführende Erkenntnisse enthalten
und vermitteln kann, zeigt sich im ThEv an zwei Stellen.
Wir haben hier die erste Fassung des ThEv, die am Anfang von
§60 das so lange schon erwünschte <afnau> endlich bietet, wenngleich
ohne Folgen für das Textverständnis: Meyer läßt dennoch
den Samariter, und nicht Jesus, (weiter) nach Judäa gehen ("<He
saw> a Samaritan carrying a lamb and going to Judea"). Ungetrübte
Erleuchtung bedeutet hingegen der Vorschlag von Patterson
(1010. am Anfang von §65, dem Gleichnis von den „bösen"
Weingärtnern, statt des „eingebürgerten" funktionslosen und
nur neue Rätsel schaffenden nkhre[sto]s zu lesen: nkhre[ste]s,
wodurch ja die besonderen Züge dieser Gleichnisversion mit
einem Schlage stimmig werden: es ist gar nicht die Rede von
einem irgendwie „guten" Menschen, sondern von einem „Wucherer
", der den Bauern nichts zum Leben lassen will.

Die letzte Bemerkung - auch sie gemeint als Zeugnis dafür, mit
welchem Interesse ich das Buch gelesen habe - mag insofern mit
Nachsicht bedacht werden, als sie von einem Neutestamentlcr
stammt, der kurioserweisc sich unvergleichlich viel mehr mit
dem ThEv beschäftigt hat als mit der Q-Problematik für den also
die hiesige Präsentation von Q die Begegnung mit einem vergleichsweise
fremden Text ist. Welch ein Unterschied! Nun mag
ja vom ThEv gelten, daß man aus dem, was da steht, einen ganz
ordentlichen Text machen könnte. Aber um wieviel mehr gilt das
von Q, wenigstens von Kloppenborgs Q, wo doch weithin nur das
Material geboten wird (und Q 16:16 z.B. auch gleich zweimal),
das vielleicht als Grundlage für eine Vorstellung von dem ursprünglichen
Spruch-Evangelium dienen mag? Natürlich hängt
das mit der unterschiedlichen Existenzweise der beiden Texte zusammen
: das ThEv ist eben wenigstens Realität, und Q eben
doch bloß eine Idee. Nun erschien mir bei dieser plötzlichen
Konfrontation mit einem „Zipfel" der Q-Forschung die Vorstellung
vom Anfang dieses Evangeliums am allcrschwierigsten. Um
so interessanter war da eine - doch erheblich scheinende - Differenz
zwischen dem „realen" Anfang in Kloppenborgs Darbietung
von Q, wo es (üblicherweise) mit Bußpredigt des Täufers,
messianischer Verkündigung des Täufers und Versuchung Jesus
losgeht, und der Behauptung Robinsons in seinem „Foreword".
daß Q ursprünglich mit der ersten Scligprcisung angefangen hätte
(S. VIII). Das ist aber wahrscheinlich so gemeint - und insofern
gar kein wirklicher Widerspruch -, daß die ersten drei Perikopcn
eben zu den späteren Zuwächsen gehören (von Q 3:7-9. 16-19
auf S. 25 ausdrücklich gesagt). Aber, ob sekundär oder nicht, darf
man sich die Sache vielleicht so vorstellen, daß diese drei Periko-
pen überhaupt nicht an den Anfang von Q gehören, sondern
ihren Platz - so oder so - mitten darin hatten, die Täuferstellen in
einem großen „Bündel" alle zusammenstanden und die Versuchung
Jesu während seiner Wirksamkeit vorgestellt war?

Berlin Hans-Martin Schenke

Theis, Joachim: Paulus als Weisheitslehrer. Der Gekreuzigte unc
die Weisheit Gottes in IKor 1-4. Regensburg: Pustet 1991- ^
575 S. 8 ■ - Biblische Untersuchungen, 22. Kart. DM 58,-.

Der Titel dieser Trierer Dissertation läßt eine spannende Abhandlung
zu einem wichtigen und interessanten Thema erwar-