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Ausgabe:

1992

Spalte:

348-350

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

The prayers of David (Psalms 51-72) 1992

Rezensent:

Seidel, Hans

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 5

348

gung für meine Auffassung in der sehr breiten Ausmalung von
Einzelszenen, die für das Verständnis des Ganzen nicht von ausschlaggebender
Bedeutung oder so selbstverständlich sind, daß
die Auslegung oder die Diskussion über sie zu einer Paraphrase
wird. Als Beispiele solcher überlastenden Ausmalungen nenne
ich S. 94ff: das Zusammentreffen Davids, Abners und Joabs in
Hebron; S. 122: die Schwäche Ischboschets und die Ratlosigkeit
des Volkes; oder zu Kap. 5 Davids Reaktion auf den Hohn der
Jebusiter. Sie können ihren Grund in psychologischen Reflektio-
nen haben. So werden z. B. (196ff) die psychologischen Vorgänge
der Mikal beim Anblick des vor der Lade tanzenden David sehr
detailliert ausgeführt; oder S. 303ff. (zu 2Sam 23,13ff: Wasser
aus der Quelle von Bethlehem) Davids Gelüsten, die Wirkung
des Wasserausgießens auf die Leute gezeigt.

Bisweilen liegt ein psychologischer Ansatz schon im Urteil des
Erzählers (narrator), der etwa im Gegensatz zum von ihm gezeigten
Ussa einen Blick für das Spezifische des Gottes Israel hat, es
darum auch David zuerkennen kann (2Sam 6,7). Oder zu 2Sam
2,5ff (34): David gebraucht eine Sprotte, um eine Makrele zu fangen
(Gesandtschaft an die Leute von Jabes Gilead). Ich nenne
noch als weiteres Beispiel S. 144 die Überlegungen Abners am
Teich von Gibeon (was hätte sein können ...); obwohl dieser Gedanke
viel Richtiges enthält.

Dazu rechne ich sentimentale Ausmalungen, die die Auslegung
füllen, aber nicht vertiefen (z. B. 2Sam 3,21: die „ letzten " Worte
Abners [S. 91]; 3,16: der weinende Paltiel [S. 85]; 21,16ff: der
nackte Fels und der Leichengestank auf dem Berg).

Gottes Wirken ist nicht abstrakt, sondern begegnet konkret in
der Geschichte auf dem Hintergrund von Menschentun, seinen
Veranlassungen, seinen Folgen und Reaktionen. Das Alte Testament
berichtet sparsam, was davon zu wissen not ist. Auch wenn
ich die analytischen Überlegungen des Vf.s nachvollziehe, frage
ich mich, ob sie ausreichen und ob nicht damit dieser Hintergrund
so flächenhaft wird und so wenig Tiefe hat, daß er aufgefüllt
werden muß? Die Absicht des Vf.s ist es, einer Kritik zu begegnen
, die Aussagen einengt und einen Sinnzusammenhang
zerstört. Seine These von einer literarischen Einheitlichkeit
scheint aber auch geeignet, den Sinn zu verschieben. Es ist gesucht
, einen moralischen Bankrott Davids darin zu sehen, daß
2Sam 23 (anders als Kap. 8) die Söhne Davids nicht mehr als
Priester genannt werden (162). Auch ist die Analogie zwischen
dem Krüppel Ischboschet und seinen verstümmelten Nachkommen
ebenso gekünstelt wie die erbauliche Anmerkung, daß deren
Hinrichtung ein spätes Gericht an Saul war (zu 2Sam 21). Der
Vf. hat ja einmal ein Verständnis von Texten aus einem historischen
Kontext mit einem Hinweis auf die widersprechenden
Ergebnisse moderner Meinungsbefragung abgelehnt (Kritik
daran ThLZ 111, 1984, 189). Aber der auch damit anvisierte moderne
Mensch ist kein abstraktes theologisch-moralisches Wesen,
kein Wesen an sich, sondern hat eine geschichtliche Existenz, die
übrigens auch über seine psychologische, moralische Stellungnahme
zu Ereignissen entscheidet. Gewiß kann man theologischerbauliche
Begriffe wie Gott, Sünde, Gnade überall herauslesen,
sie dürfen aber nicht zu einer esoterischen Arkandisziplin werden
. In den biblischen Zeugnissen soll eine von Menschen erlebte
Geschichte dem Glauben als Gottesgeschichte bekundet werden.
Auch als Gottesgeschichte ist und bleibt sie eine profane Geschichte
, deren einzelne Fakten wohl schon von den Zeitgenossen
verschieden beurteilt werden konnten (z.B. Sauls Königswahl
; das Urteil über sein Verhalten gegen die Gibeoniten), was
geradezu eine Ratlosigkeit zu werden vermag (vgl. KAT VIII, S.
291, das Rätsel des Niedergangs Sauls). Aber gerade in dieser Polarität
geschieht auch Gottesgeschichte. Die Frage nach einem möglichen
geschichtlichen Kontext wird nicht um ihrer selbst willen
gestellt; sie soll auch dem Menschen heute eine Hilfe in der Verworrenheit
seiner Tage sein, und ihn vor Fehlurteilen bewahren.

Ich will versuchen, das an Davids Tempelbauplan und seiner
Ablehnung (2Sam 7) zu erklären. Nach F. verstärkt der Erzähler
damit das Prestige Nathans, daß dieser das Orakel vor David erhält
. Deswegen wird auch sein Irrtum nicht von Jahwe moniert.
Das geht wohl am Text vorbei. Nathan stimmt zunächst ohne
göttliche Weisung (auf Grund bisheriger Erfolge? so F.) zu. Er erscheint
mit dieser Zustimmung als Weiser bei Hof. Dann ist sein
Rat, den Verhältnissen entsprechend, gut und bleibt es auch,
wenn seine Durchführung überflüssig wird. Warum? Weil Gott
selbst für das Haus, die Dynastie Davids sorgen, also das Interesse
Davids vertreten wird. Auf der anderen Seite steht ein Interesse
der Stämme (schibte). Mit Recht lehnt F. die Konjektur in
„Richter" ab, aber sein „Stabträger" (schobte) ist nicht besser.
So erscheint es möglich, daß hinter einem ursprünglichen
„Stämme" die Rücksicht auf Verhältnisssc von ebenso theologischer
wie geschichtlicher Relevanz steht.

Das Verbot ist endgültig, sonst wäre es sinnlos. Mit der Autorisierung
Salomos sind spätere Verhältnisse angesprochen. Daß er
den Tempel nicht für Jahwe sondern den „Namen" bauen werde,
ist als Begründung unerfindlich.

Trotz aller Einwände bleibt meine frühere Anerkennung des
Fleißes und der Sorgfalt der Arbeit bestehen. Wenngleich mit größerer
Zurückhaltung habe ich ähnliche Überlegungen angestellt.
Das Buch ist eine anregende Hilfe, die man nutzen muß, um
einen kritischen Abstand zu seinen eigenen Erwägungen zu gewinnen
.

Basel Hans Joachim Stoebe

Goulder, Michael: The Prayersof David (Psalms 51-72). Studies
in the Psalter II. Sheffield: Sheffield Academic Press 1990. 266
S. 8° - Journal for the Study of the Old Testament, Suppl. Se-
ries 102. Lw. £35,-.

Für den Vf. sind die Psalmenüberschriften deutliche Hinweise
auf die reale Situation der Psalmen, so wie die Sammlungen und
die Anordnung der Psalmen in ihnen ein wichtiger Schlüssel für
die Interpretation ist. Als erster Kommentar in einer vom Vf. geplanten
Reihe erschien 1982 "The psalms of the sons of Korah"-
Der Vf. stellte darin die These auf, daß diese Psalmen für die
Feier des Herbstfestes in Dan zusammengestellt worden seien.
Daran schließt sich der vorliegende Band mit Untersuchungen zu
den Davidpsalmen (Ps 51-72) an. Ein weiterer Band zu den
Asaphpsalmen soll folgen.

Die vorliegenden Studien nennt der Vf. "the most absorbing
and the most scandalousof my studies". Die Davidpsalmen seien
zur Zeit Davids von einem mit David eng verbundenen Priester
geschrieben worden, und sie umgreifen die Geschehnisse der
Jahre zwischen Salomo und dem Tod Ussias (741 /40 v. Chr.). Die
Psalmsammlung sei eng mit Davids Thronfolgegeschichte verbunden
, und ein Selah gebe an, daß ein Stück dieser Geschichte
zu rezitieren sei.

Daher ist das 1. Kapitel (The prayer and the Succession Narra-
tive) diesem Textkomplex gewidmet. Die Forschungsgeschichte
seit De Wette (1811) und die Kommentarliteratur werden angeführt
. Besonderes Interesse gilt K. Rupprecht, dessen These von
der Übernahme des jebusitischen Heiligtums in Jerusalem durch
David die Zustimmung des Vf.s findet. Trotz aller kritischen Forschung
an den David betreffenden Texten bleibe für den Laien,
"the great army ob Bible readers, Sunday School teachers, inde-
pendent church ministers and third-world Christians" David
weiterhin der große König. Der Vf. hält Ps 51-72 für eine durch
die gemeinsame Sprache, gelegentlich auch die Struktur und weitere
Merkmale verbundene Sammlung von Gebeten Davids-
Auffällig sei das Überwiegen der Gottesbezeichnung Elohim ge'
genüber dem Gottesnamen, die häufig bereits in den ersten Sät-