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Ausgabe:

1992

Spalte:

315-316

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Die Diskussion über Taufe, Eucharistie und Amt 1992

Rezensent:

Wenz, Gunther

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 4

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bei Führungskräften" (München 1986) die Diskrepanz zwischen
der Stabilität der organisierten Kirchen und der religiösen Indifferenz
der Individuen heraus, die gerade bei den jüngeren Jahrgängen
fortlaufend zuzunehmen scheint (146-171).

In den Kap. 7-10 des letzten Teil (172-275) spürt K. den christentümlichen
Potentialen nach, von denen er angesichts der
Ambivalenz der Moderne und der Verkrustung des verkirchlich-
ten Christentums kultur- und gesellschaftstranszendierende Impulse
erwartet. Insbesondere K.s Interpretation von Leben und
Werk des Künstlers Joseph Beuys (172-195), aber auch viele seiner
Überlegungen zur Gegenwart und Zukunftsfähigkeit des
Christentums enthalten beachtenswerte Anregungen und Anstöße
. Gleichwohl gelangen die Hinweise zur Zukunftsfähigkeit
des Christentums - wie könnte es anders sein? - über vage Andeutungen
und Postulate nicht hinaus. „Die Glaubwürdigkeit
eines zukünftigen Christentums wird davon abhängen, ob es gelingt
, neue Sozialformen explizit christlichen Lebens zu entwik-
keln." (272, bei K. kursiv) Aber wenn K. für die erhoffte „Befreiung
menschlicher Existenz aus der bloßen Privatheit und
Unmittelbarkeit des Lebenslaufs" (271, bei K. kursiv) „dialogische
Sozialbeziehungen" (273) postuliert, greift er auf den ideologieträchtigen
dialogischen Personalismus ebenso zurück wie
auf „sogenannte Primärbeziehungen..., wie sie in traditionalen
Gesellschaften selbstverständlich waren" (273). Die Zukunft des
Christentums erscheint so in Mustern der Vergangenheit, denen
überdies nur eine kompensatorische Funktion zugesprochen
werden könnte. Die durch einen „prophetischen Nonkonformismus
" gespeiste theologische Programmatik steht so in Spannung
zu den luziden Analysen des Verhältnisses von Religion und Modernität
einerseits und der Diskrepanz zwischen verkirchlichtem
Christentum und religiöser Indifferenz der Individuen andererseits
. Diese Spannung ist ein Indiz dafür, daß K. über die sozialen
Träger der kultur- und gesellschaftstranszendierenden Hoffnungen
keine bestimmte Auskunft erteilen kann. Die Einsicht aber,
daß diese Träger offensichtlich nicht in den kirchlichen Organisationen
und Professionen zu suchen seien, stellt die ebenso
anstößige wie bedenkenswerte Herausforderung seiner Analysen
dar.

Wien Falk Wagner

Ökumenik: Allgemeines

Die Diskussion über Taufe, Eucharistie und Amt 1982-1990.
Stellungnahmen, Auswirkungen, Weiterarbeit. Hg. vom Ökumenischen
Rat der Kirchen Kommission für Glauben und Kirchenverfassung
. Frankfurt/M.: Lembeck; Paderborn: Bonifatius
1990. 158 S. 8°. Kart. DM 24,-.

Keinem ökumenischen Dokument wurde bisher eine vergleichbare
Aufmerksamkeit zuteil wie dem sog. Limapapier über
Taufe, Eucharistie und Amt, das seinem englischen Originaltitel
zufolge kurz BEM (Baptism, Eucharist and Ministry) genannt
wird. Allein die Zahl der offiziellen Stellungnahmen der Kirchen
reichte an die 200 heran (genau: 186). Der größte Teil dieser Stellungnahmen
ist in dem sechsbändigen Sammelwerk ,Churches
Respond to BEM' (Genf 1986-1989) dokumentiert. Bemerkenswert
ist, daß erstmals auch die römisch-katholische Kirche offiziell
auf einen ökumenischen Konvergenztext geantwortet hat;
erstellt wurde diese Antwort vom Sekretariat für die Förderung
der Einheit der Christen in Zusammenarbeit mit der Kongregation
für die Glaubenslehre (vgl. Verlautbarungen des Apostolischen
Stuhls 79. Deutsche Bischofskonferenz, Bonn 1987). Der
hier zu besprechende Bericht gibt einen zusammenfassenden

Überblick über die kirchlichen Reaktionen, wobei die vorgetragene
Kritik aufgenommen und für den Fortgang des BEM-
Prozesses fruchtbar gemacht wird. Vorangegangen waren drei
größere Konsultationen (Venedig 1986, Annecy 1987 und Turku
1988) und Treffen von Redaktionsgruppen, die der Auswertung
der erfolgten Beiträge dienten. Im August 1989 wurde der Bericht
von der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung in Budapest
als Zwischenergebnis entgegengenommen.

Nach knappen einleitenden Bemerkungen (13-15) und einer
lehrreichen Würdigung der Bedeutung des BEM-Prozesses innerhalb
der ökumenischen Bewegung (16-25) werden in Kap. III
(26-105) die wichtigsten Reaktionen zu dem Limadokument insgesamt
, seinen drei Einzelteilen sowie zu den im Vorwort aufgeworfenen
Fragen zusammengefaßt. In einem IV. Kapitel (109—
130) werden sodann die angesprochenen Desiderate im Interesse
ausführlicher Erörterung, weiterer Verdeutlichung und differenzierender
Klärung aufgenommen, während das V. Kapitel (131-
149) unter den Überschriften ,Schrift und Tradition', .Sakrament
und Sakramentalität' und ,Ekklesiologische Perspektiven' jene
Grundfragen benennt, auf welche sich die Weiterarbeit vorzugsweise
zu konzentrieren hat. Die in den beiden letzten Kapiteln
vorgetragenen thematischen Überlegungen und Reflexionen
werden dabei ausdrücklich als vorläufige Entwürfe gekennzeichnet
. Ein Anhang (153-158) enthält eine im August 1989 publizierte
Budapester Erklärung der Kommission für Glauben und
Kirchen verfassung zum BEM-Prozeß (Der Ruf zur Einheit geht
weiter) und ein Verzeichnis der an der Erarbeitung des Berichts
beteiligten Personen. Wichtig und bemerkenswert erscheint mir
vor allem folgendes Resümee: „Die meisten Kirchen haben das
Lima-Dokument nicht einfach nur als einen theologischen Text
betrachtet, der im Rahmen und aus der Perspektive ihrer eigenen
Tradition und Position überprüft werden sollte. Es scheint vielmehr
ein deutliches Bewußtsein vorhanden zu sein, daß BEM das
Ergebnis und ein Instrument eines umfassenden und weitergehenden
geschichtlichen Prozesses in der Kirchengeschichtc des
zwanzigsten Jahrhunderts ist. Und es wird in den meisten Stellungnahmen
eine ausdrückliche Bereitschaft ausgesagt, daß, gleich
welche Grenzen ein solches Dokument auch haben mag, sein Inhalt
und seine Zielsetzung die Möglichkeit haben müssen, die eigene
Lehre und Praxis in Frage zu stellen und sie der Fülle der
Einsichten und Erfahrungen anderer Kirchen zu öffnen." (42)

Augsburg Gunther Wenz

Gaßmann, Günther [Hg.]: Glauben und Kirchenverfassung
1985-1989. Sitzung der Kommission in Budapest 1989. Berichte
, Reden, Dokumente. Frankfurt/M.: Lembeck 1990. l7*>
S. 8 = Beiheft zur Ökumenischen Rundschau, 61. Kart. DM
24,80.

Die Arbeit der Kommission für Glauben und Kirchenverfas-
sung des ORK ist für die theologische Wissenschaft von besonderem
Interesse, weil hier das theologische Herz der Ökumene
schlägt. Pannenberg unterstreicht in seinem Budapester Beitrag-
„Es ist die besondere Aufgabe von Glauben und Kirchen Verfassung
im Rahmen des Ökumenischen Rates der Kirchen, ... daß
die Einheit im Glauben und die Wiederherstellung der kirchlichen
Einheit der Christen aus dem Bewußtsein der Einheit des
Glaubens den ersten Platz auf der Agenda der ökumenischen Bewegung
behalten" (117). Dieses theologische Herz wird in den
Kirchen allerdings unterschiedlich bewertet, denn in mehreren
Budapester Beiträgen wird von den nicht-theologischen FaktO"
ren gesprochen, die den theologischen Konsens unterlaufen un"
dessen Ergebnisse unwirksam machen. Bischof Patrick

Rodger

sieht das in einem Unbehagen gegenüber der Theologie in den