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Ausgabe:

1992

Spalte:

306-309

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Hofmann, Bernhard F.

Titel/Untertitel:

Kognitionspsychologische Stufentheorien und religiöses Lernen 1992

Rezensent:

Fraas, Hans-Jürgen

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 4

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den; angesichts der wachsenden Sorge um die Verletzung der gungsmöglichkeiten, indem er Grund Vollzüge und Themen got-
Menschenrechte, die Zunahme von Folterungen und die Verfol- tesdienstlichen Handelns einsichtig macht und in den Horizont
gung ganzer Völker erscheint mir dies eine unzulässige Veren- der liturgischen Vielfältigkeit des deutschen Protestantismus
gung. und der Ökumene stellt. Bedauerlich ist, daß es den Vff. beson-
Die Textsammlung (433-676) stellt eine Neuerung gegenüber ders in den Proprien nicht gelungen ist, mehr liturgische Texte
den bisher geltenden Agenden von VELKD und EKU dar und und Gebete aufzunehmen oder exemplarisch zu formulieren, die
enthält Formulierungsvorschläge für Psalmen und Psalmkollek- die heutige gesellschaftliche Situation und ihre Probleme sprachen
, den Gruß zur Eröffnung, Vorbereitungsgebete, ein entfalte- lieh angemessen zum Ausdruck bringen. Die Öffnung des Gottes-
tes Kyrie, Gebete des Tages (Kollektengebete), den Anschluß der dienstes von seiner Struktur her kann aber nur gelingen, wenn die
Lesungen, Abkündigungen, die Offene Schuld, Fürbittengebete Gegenwart auch sprachlich und inhaltlich in ihm Gestalt ge-
(>n fünf Formen), die Karfreitagslitanei, besondere Gebete, winnt.

Dankopfergebete, Präfationen und Eucharistiegebete, Texte zum Von ihrem Ansatz her erinnert die EA an Gemeindeaufbau-
Abendmahl nach Grundform II, Einleitungen zum Vaterunser, theorien, die sich größere Verbundenheit und Beteiligung durch
Spendeworte, Dankgebete nach dem Abendmahl, Sendungs- bessere Bildung, mehr Einsicht und größere Chancen zur Mitar-
worte und den Schlußsegen. Wichtig sind die liturgiedidakti- beit und Mitverantwortung für die Gemeinde versprechen; mit
sehen Hinweise zu Beginn dieser Abschnitte, da sie die den Got- ihrem Charakter als Lehr- und Arbeitsbuch betont sie die Gestal-
'esdienst Gestaltenden über Funktion, Struktur und Bedeutung tungsaufgabe. Vorstellungen vom Gottesdienst als „Heiliger Lides
jeweiligen Textes unterrichten und damit eigenständiges turgie", die wir mitfeiern dürfen, als Ritual, Asyl oder ästheti-
Handeln nicht nur im Sinne von Auswahl (auch aus anderen scher Ort passen nicht zu diesem Konzept, auch wenn sich auf
Textsammlungen!), sondern auch von Umgestaltung vorliegen- der Grundlage der EA Gottesdienste mit entsprechender inhaltli-
der Gebete und Fomulierung eigener ermöglichen. eher Akzentuierung entwickeln lassen. Damit steht der Vorent-
DieinderEA vorgelegte Zahl von Texten ist so groß, daß hier nicht aus- wurf vor dem Dilemma, daß, wer die gottesdienstliche Begeg-
frhrlich darauf eingegangen werden kann. Das Bemühen um eine solche nung mit Gott mehr Menschen einsichtig machen will, zugleich
»Gebetssammlung" (19) ist auf jeden Fall zu begrüßen, da erst durch das deren Distanz zum liturgischen Geschehen fördert.
Angebot verschiedener traditioneller und moderner Texte ein dynamischer Wahrscheinlich gibt es in einer Zeit, in der Gottesdienst nicht mehr

Gebrauch der Agende möglich wird. Die Grenzen dieser Texte: mangelnde selbstverständlicher Teil des Lebens, nicht einmal des Gcmeindelebens ist,

Aktualität vieler Formulierungen, defizitäre oder klischierte („für die Mil- ^cine Alternative zu diesem Weg, sondern nur die Hoffnung, daß für die,

üonen Armer in Indien und anderswo", 514) Wahrnehmung aktueller, gc- dje mit Einsicht feiern, die liturgischen Vollzüge nicht zum „Machbaren"

sellschaftlichcr Probleme (Ökologie, ausländische Mitmenschen. Arbeits- werden, sondern sie sie als Begegnung zwischen Gott und Mensch. Gott

We't, Verhältnis von Staat und Gesellschaft....) haben die Vff. vor allem im und Gemeinde erleben.

Blick auf die Fürbitte selbst gesehen: „Viele Grundfragen unserer heutigen Unterschätzt wird im Vorentwurf m. E. das Gewicht der Vcränderun-
Ze't kommen in den folgenden Gebeten nicht vor." (510) Sie laden dazu gen überschätzt das Heimatgefühl. das sich mit der Grundstruktur ver-
e'n. weitere Gebete einzusenden, damit es in der endgültigen Fassung der bindet. Die Rede von der Struktur hat ihre Funktion in der Deutung des
EA noch besser gelingt, „die Welt, in der wir leben, .ins Gebet zu nehmen' gottesdienstlichen Geschehens, in der Vergewisserung über die ökume-
"nd vor Gott zu bringen." (577) Offen bleibt, ob es stattdessen nicht sinn- nischen, ja anthropologischen Grundvollzüge, die jeden Gottesdienst mittler
wäre, sich noch stärker um eine Struktur der Texte zu bemühen, die bestimmen. Der Vollzug aber lebt aus der respezifizierten Struktur, aus den
dann jeweils konkret vor Ort zu füllen wäre, den Textteil im übrigen aber konkreten Formen und Elementen; sie machen Menschen ihren Gottes-
*u konzentrieren und einzuschränken auf einige exemplarische Formulie- dienst vertraut. Wer das Abendmahl bisher nach Form A der Agende der

rungen.

VELKD gefeiert hat, erlebt die Umstellung auf die erste Form der EA als

Im Vorwort nennen die Vff. den Gebrauch einer „nicht aus- Neuerung. Der Verweis auf die Grundstruktur mag diesen Menschen als

grenzenden Sprache" (10) ein entscheidendes Ziel ihrer Arbeit. Begründung für die Veränderung einleuchten, das Gefühl der Geborgen-

Uamit sollen nicht nur die Anfragen von Frauen aufgenommen heit, das sich mit der ursprünglichen Form verband, kann eine abstrakte

Werdcn, sondern die Sprache des Vorentwurfs soll „alle diejeni- Struktur aber nicht einholen.

8e"" einschließen, „die wir (!) allzu oft und leicht übersehen", Für die Handhabbarkeit dieses Buches scheint es mir sinnvoll,

et*a „junge Menschen" oder „Randgruppen und Minderhei- daßA Organum einschließlich liturgischer Melodien, Proprium

te"" (ebd). Ob gottesdienstliche Texte die Erfahrungen „ande- und Textsammlung getrennt und möglicherweise als Ringbuch

rer"nir-h» , ,. „ „ . c . . ^ .. gestaltet werden. Außerdem wäre ein Stichwort- oder Themenre-

nicht nur „einschließen , sondern zur Sprache und vor Gott . , , .. _ ,

und h;„ ■ j i. ■ , ,. « ,, , , gister für das Proprium und die Textsammlung hilfreich.
*«j die Gemeinde bringen, hangt aber vor allem davon ab, ob

,ese Menschen sich ins Gespäch (ein-) bringen können, ob wir ,, . . ,L^,, „JLL

Sje„- , .. _ Hofgeismar Jochen Cornelius-Bundschuh
B Mcn äußern lassen und sie nicht unter unsere Oberbegriffe wie

andgruppen subsumieren.

r Frauen haben sich in den letzten zehn Jahren auch im kirchlichen Be- Praktische Theologie '.

cn deutlich geäußert und dementsprechend weit ist die EA bei der Suche lf * U +'L-/D I" I "A '*

^aeh einer Sprache gekommen, die Frauen und Männer einschließt. Den- KateCneTIK/tteligiOnSpaOagOgiK

n°ch zeigen z. B. die Formulierungen „die Stücke des Liturgen" (16).

schrmmUn'kant(en) <40)' • Künstler und Pr°Pncten" <544>' die übcr- Hofmann, Bernhard F.: Kognitionspsychologische Stufentheo-

setzt "Chnstcn und Juden" <428) odcr der Eindruck. daß ne8ativ be" rien und religiöses Lernen. Zur(korrelations-)didaktischen Be-

mask , gnffc wic "Fcind"' -Gegner"- „Kerkermeister" (5450 nur in deutung der Entwicklungstheorien von J. Piaget, L. Kohlberg

Uliner Form verwendet werden, wie schwer es nach Jahrhunderten und p Qser/P. Gmünder. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1991.

^ nlicher Vorherrschaft in der Liturgie ist, „inklusiv" zu formulieren, XX, 458 S. 8 . Kart. DM 38,-.
"e blasse Allgemeinbegriffe oder sprachliche Ungetüme zu verwenden.

A's letzter großer Teil vor dem Quellennachweis und den Beila- Die Linzer Dissertation B. F. Hofmanns ist in ihrer Intention

^ n (Gottesdienstordnung für die Gemeinde im Gesangbuch und praxisorientiert: der Vf. will untersuchen, „wie Ergebnisse der

r3geraster für die Stellungnahmen zur EA) finden sich liturgi- kognitiv-strukturellen Entwicklungspsychologie, die in Form

c Melodien, die im Gebrauch befindliche Gestalten, ökume- von Stufentheorien vorliegen, in (religions)didaktischer und

^"e Impulse und neue Kompositionen umfassen. schulkonzeptueller Hinsicht begründet rezipiert werden kön-

pj, er Vorentwurf eröffnet interessierten Gemeinden, Kreisen, nen"(430). Er ist interessiert an der „Curriculum-Determinante

arrerinnen und Pfarrern vielfältige Gestaltungs- und Beteiii- Schüler" im Hinblick auf dessen kognitiv-strukturelle Entwick-