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Ausgabe:

1992

Spalte:

299-300

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Schnübbe, Otto

Titel/Untertitel:

Christus und die mündig gewordene Welt 1992

Rezensent:

Feil, Ernst

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299

Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 4

300

von fast ebenso vielen Autoren, die in eine historische und gegenwärtige
Diskussion um diesen Problemkomplex eingreifen.

Hans-Olof Kvist hat sachkundig über die natürliche Theologie
im Denken Immanuel Kants gesprochen. Abgesehen von diesem
Vortrag ist das Konferenzthema jedoch weniger unter theologiegeschichtlicher
und philosophiegeschichtlicher Perspektive, sondern
hauptsächlich unter aktuellen Fragestellungen behandelt
und erörtert worden. Diese reichen von der Analyse der religiösen
Erfahrung und ihrer Deutung über die Prozeßtheologie und
den Feminismus bis zur Normenproblematik der theologischen
und allgemeinen Ethik. Es sind durchweg interessante, problembewußte
und sachkundige Beiträge.

Die radikale Absage an jede Form von natürlicher Theologie
zugunsten einer auf Jesus Christus beschränkten Offenbarungstheologie
war seit Nathan Söderbloms Forschungen bei den skandinavischen
Theologen und Religionsphilosophen auf wenig Gegenliebe
gestoßen. Diese Tendenz verstärkt sich nun. Für die
gegenwärtige Problemlage orientiert man sich nicht selten an den
Werken des bedeutenden Dänen Knud Eiler Logstrup und sieht
es als selbstverständlich an, daß neben der Theologie auch die
phänomenologische und sprachanalytische Religionsphilosophie
Stimmrecht besitzen bei der Klärung der Fragen, welche den Problemkomplex
der allgemeinen Offenbarung und natürlichen
Theologie betreffen.

Daß es auf der Konferenz nicht nur weitgehende Einmütigkeit
in der Problemanalyse, sondern auch sachliche Gegensätze gegeben
hat, zeigt die Kontroverse zwischen dem dänischen Systematiker
Svend Andersen und dem Lunder Religionsphilosophen
Dick Haglund hinsichtlich der Bedeutung und Verhältnisbestimmung
von phänomenologischer und sprachanalytischer Religionsphilosophie
.

Ein wichtiges Diskussionsfeld, dem sich die drei Beiträge von
Norgaard-Hojen, Frostin und Henrikson zugewandt haben, betrifft
den gegenwärtigen Religionsdialog. Hier stellt sich die
Frage, wie man das Verhältnis des Christentums zu den nichtchristlichen
Religionen in angemessener Form bestimmen kann,
ohne die Heilsbedeutung der Christusoffenbarung zu relativieren
. Darf eine Gleichrangigkeit aller Religionen behauptet werden
oder sind die Christen „kognitiv Privilegierte", weil ihnen
die Christusoffenbarung, den Anhängern nicht-christlicher Religionen
aber nur eine allgemeine Offenbarung zuteil geworden
ist?

Der publizierte Band bietet wertvolle Anregungen für die weitere
systematische Arbeit und für die Konzeption einer genauer
durchdachten Theologie der Religionen.

Bochum Gottfried Hornig

Schnübbe, Otto: Christus und die mündig gewordene Welt.
Dietrich Bonhoeffers letzte Denkphase und ihre Bedeutung für
die Verkündigung heute. Hannover: Luth. Verlagshaus 1990.
103 S. 8°. Kart. DM 28,80.

Ehe Schnübbe sein besonderes Anliegen ausfuhrt, Bonhoeffers
Bedeutung für die Verkündigung vor allem anhand der letzten
Aussagen zu erörtern, greift er nach einer Skizze zur Biographie
Bonhoeffers dreiThemen auf: Die Herrschaft Christi in der mündig
gewordenen Welt, die Wertung der Religionen von der Chri-
stologie her und die nicht religiöse Interpretation biblischer Begriffe
. Er vertritt dabei eine grundsätzliche Kontinuität der
Entwicklung Bonhoeffers (200, aus der freilich in den letzten
Aussagen besonders prägnante Anregungen für Kirche und Welt
heute resultieren (21). Nachdem Schnübbe die Entgegensetzung
von „Religion" und „christliche(m) Glauben" für Bonhoeffer
festgestellt (35f) und entfaltet hat (41-49), fragt er, ob man wirklich
„Religion" so abwerten darf und für geistesgeschichtlich

überholt halten kann (49). Von hierher erörtert er als Erläuterung
zur „nicht religiösen Interpretation" vor allem Bonhoeffers
Suche der „neuen Sprache" (52-68); „Arkandisziplin" und „Geheimnis
" bei Bonhoeffer dienen ihm dabei als Ansatz, Bonhoeffers
Gedichte und Gebete in „Widerstand und Ergebung" zu
deuten. Bonhoeffer ist s.E. in diesen Texten rein praktisch ein
ganzes Stück weitergekommen..., „ als er selber es ahnt und seine
Kritiker, die von der Unfertigkeit seines Entwurfes reden, es meinen
" (61, vgl. 68). Schnübbe versteht die Sprache in ihnen als
eine „das Herz ergreifende Sprache" (61), redet Bonhoeffer hier
doch „ganz unbefangen von Gott" (66); auch würdigt dieser die
„griechische Religion" und hält damit die „ursprüngliche Barth-
sche Linie" nicht durch (65). Bonhoeffers Texte aber vermögen
den „modernen religionslosen Menschen" anzusprechen, kann
doch dieser „die Frage nach Gott in Wahrheit nicht loswerden"
(68). Wenn Schnübbe dann Bonhoeffers Bedeutung für die Verkündigung
heute herausstellt, so fragt er doch kritisch nach dessen
Verständnis der „mündig gewordenen Welt", denn diese „ist
nicht nur ein Machwerk der autonomen Vernunft des Menschen,
sondern zugleich auch das Machwerk des Prometheus" (74).
Nach Schnübbe bleibt Bonhoeffer grundlegend verhaftet in einer
Vorstellung vom Menschen „nur als Sünder", so daß die „Gottebenbildlichkeit
des Menschen" nicht gewürdigt wird (83ff)- M'1
seiner Kritik an den „Religionen" als „reines Menschenwerk"
hat Bonhoeffer „das Neue Testament (und die Reformatoren)
gegen sich" (85). Im Rekurs auf Rudolf Bultmann und Paul Tillich
(86ff) und mit Hinweisen auf die theologische Diskussion
um das „religiöse Apriori" (87ff) sucht Schnübbe aufzuzeigen,
„daß der Mensch die religiöse Fragestellung gar nicht loswerden
kann" (95). Stammt alle Verkündigung aus der „Transzendenzerfahrung
" (97), befindet sich Bonhoeffer in gewisser Nähe zu Bultmanns
Entmythologisierungsprogramm (98ff). Als Fazit stimmt
Schnübbe mit Bonhoeffer in einem positiven Urteil „zu dem
durch Aufklärung und Emanzipation bestimmten Zeitalter"
überein, er lehnt aber Bonhoeffers Sicht des Menschen als Sünder
ab, nach dem „der Mensch in sich selbst verkrampft ausschließlich
bei sich selbst ist" (101). Hierdurch verliert dann die Verkündigung
ihren Anknüpfungspunkt. So rehabilitiert Schnübbe die
„Religionen" (101).

Die Skizzierung der Überlegungen Schnübbes zeigt, daß er
nachhaltig von „Gottes Ebenbildlichkeit" und „Sündersein des
Menschen" als „Totalaussagen" ausgeht (81). Dieses Axiom des
„simul iustus et peccator" ist hier nicht zu diskutieren. Daß es jedoch
Bonhoeffer nicht gerecht wird, bleibt gegen Schnübbe einzuwenden
, so daß die von hierher abgeleitete Kritik ins Leere
läuft. Es mag hier der Hinweis auf Bonhoeffers Rehabilitierung
des „Natürlichen" sowie die Ablehnung des zwischen Gott und
Welt zerrissenen Menschen in Bonhoeffers „Ethik" genügen-
Somit kann man der Kernaussage Schnübbes nicht zustimmen,
mit seiner Annahme des Menschen nur als Sünder schneide „ sich
Bonhoeffer zugleich jede theologische Möglichkeit ab, die neue
Sprache zu finden, die den Menschen von heute erreichen kann .
und auch nicht der von Bonhoeffers Theologie isolierten Aussage
, daß er „in seinen Gedichten trotz seiner theologischen
Theorie rein praktisch über seine Schranken hinaus geführt
wird", was Schnübbe für ein „besonderes Geschenk" hält (83)-
Daß bei Bonhoeffer theologische Reflexion hinter konkreter Verkündigung
und Gebet nicht nur zurückbleibt, was seiner Theologie
sehr wohl entspricht, sondern ihr zuwiderläuft, wird man
schwerlich annehmen können.

München Ernst Feil

Zimmer, Christoph: „Deus". Logische Syntax und Semantik-
Bonn: Linguistica Biblica 1991. 105 S. 8 - Forum Theologie
Linguisticae, 20. DM 19,-.