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Ausgabe:

1992

Spalte:

294-296

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Klein, Otmar Erich

Titel/Untertitel:

Bewußtsein und Umgreifendes 1992

Rezensent:

Keil, Günther

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 4

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gründig gesehen Ansatz und Argumentation kaum. Das Vorwort Doch kann da die auf weite Strecken hin Texte referierende
(9-16) geht knapp auf Deutungen anderer ein und sucht das Wiedergabe von Gedanken, die der Anordnung der scholasti-
eigene Unternehmen etwas karg durch den Hinweis auf K. Barth sehen Vorgabe des Themenkatalogs folgt, wohl nur wenig helfen,
und dessen Bemerkung zu rechtfertigen, Hegel sei gewisserma- Beschränkt sich das Erkennen Gottes auf natürliche Vernunft-
ßen als der Thomas des Protestantismus zu betrachten (vgl. 13). und/oder Gnadenerkenntnis? Geht es heute um die Bezeichnun-
Die Methode sei nicht genetisch, sondern systematisch (10) und gen für Gott, früher Namen genannt? Kann so einfach von den
ziele darauf ab, die Position jeweils in ihrer abschließenden Ein- Eigenschaften Gottes wie „Einfachheit", „Vollkommenheit und
sieht zu erfassen. Dazu genüge die Ausdeutung gewisser Texte, Güte", „Unendlichkeit und Allgegenwart", „Unveränderlich-
die sozusagen als „reife Früchte" Ausdruck der Synthese seien, keit und Ewigkeit", „Einheit", „Einsicht", „Wille", „Vorsehung
Das ist vor allem von Thomas von Aquin (Summa theologica) ge- und Prädestination", „Macht" ... geredet werden, wie es Tho-
sagt, von woher auch Hegel in den Blick genommen werden soll, mas und auch Hegel noch konnte? Gerade um einer systemati-
Nach diesen Erklärungen will die Einleitung unter dem Titel «La sehen Klärung willen, die heute nötig wäre, wird zu fragen sein,
nouvelle herm^neutique des attributs divins et le recours ä wieviel die vorliegende Darstellung dazu beiträgt.
Hegel» (17-28) über die Rolle des philosophischen Gottestrakta- Hinzu kommt der Umstand, daß die Auseinandersetzung mit
tes und das theologische Thema des einen Gottes samt den in die- Hegel im deutschen Sprachraum eine eigene Tradition besitzt,
sen Zusammenhängen heute spürbaren Schwierigkeiten berich- Natürlich ist zu wünschen und zu begrüßen, daß auch der franzö-
ten. Indes zeigt schon der Umfang, dann aber auch die sischsprachige Raum in seiner Weise auf den deutschen Idealis-
Konzentration auf den vorkonziliaren Themenkomplex De Deo mus eingeht. Doch wie kann in dieser Veröffentlichung der an-
uno der katholischen Theologie, unter welchen Perspektiven das dere Band einer solchen Beschäftigung mit Hegel, G. Fessards
Unternehmen angegangen ist. «Hegel et le Christianisme» und sein Autor, völlig ausfallen, ob-

Es entfaltet sich in drei größeren Teilen, von denen der erste in gleich diese Stimme in der gleichen Reihe erschien? Das dürfte
zwei Kapiteln «Connaissance et inconnaissance de Dieu» denn wohl signalisieren, was für den Leser hier das größte Pro-
(31-83), der zweite «La substance divine et le cycle de ses attri- blem ist: daß es seit Hegel kaum etwas gegeben zu haben scheint,
buts» (87-208) in fünf weiteren Kapiteln und der dritte «Les am wenigsten die Hegeische Linke und ihre Schwierigkeit mit
Operations de l'esprit absolu» (211-342) in vier Kapiteln vor- Gott und Religion. Unter den drei sehr zufälligen Nennungen des
stellt. Es folgt ein Schluß über die Glückseligkeit Gottes (343- Namens Feuerbach findet sich freilich die sehr bezeichnende
360), ein Nachspiel über die Schönheit Gottes (361-379) und Aussage eines anderen Verfassers: «Hegel - a differenza p.es. di
eine Zusammenfassung (381-388). Beigegeben wurde eine Bi- Feuerbach - non ha mostrato alcun interesse alla lettura diretta
bliographie (389-414) und ein Namensverzeichnis (415-422). dei testi tomistici» (70 Anm. 90). Auch sonst ist der eine oder anficht
zu erkennen ist, daß mehrere dieser Texte schon früher als dere in die Anmerkungen verwiesene Anstoß eher ein Grund zu
^eitschriftenaufsätze veröffentlicht wurden: so findet man das fragen, warum er nicht aufgegriffen wurde. Bloß um des Konträrste
Kapitel in Eph.theol.Lov. 63 (1987) 327-353; das zweite in stes willen zu sagen: «Dans lesillage de Nietzsche, beaueoupcon-
Revue th6ol. Lov. 19 (1988) 160-190; das dritte in Nouv. Revue testent aujourd'hui fennui du ,monotonoth6isme' ...» (181),
'heol. 110 (1988) 514-536; das vierte in Science et Esprit 39 dürfte zu wenig sein und den Eindruck wecken, als seien geistige
(1987) 281 -300 ... Es kann hier nicht darum gehen, die Fassun- Fragen der Gegenwart zu Gelegenheiten degradiert, sich in Idensen
zu vergleichen. Nur der einheitlich monographische Ein- titätssystemen zu gefallen und zu verlieren. Das würde manche
druck der Buchveröffentlichung bleibt mit Zurückhaltung zu be- Wiederholung und manche Umständlichkeit erklären, die das
^achten. Lesen dieses Buches nicht gerade erleichtern. Ob man so den be-

Das Vorgehen in den einzelnen Kapiteln folgt jeweils dem handelten Autoren - nicht nur dem Wortlaut mancher ihrer
Dreischritt einer Vorstellung der Äußerungen des Thomas, dann Texte - gerecht werden kann, ist zu bezweifeln. Ist der wirkliche
einer Präsentation der einschlägigen Gedanken Hegels und Partner des Aquinaten tatsächlich weder Descartes noch Kant,
schließlich eines Vergleichs, der Ubereinstimmungen und Kon- sondern Hegel? Oder sollte es nur darum gehen, den schwinden-
traste auflistet. Dabei hält sich der Vf. an die Texte, d. h. noch ge- den Einfluß des Thomas aufzuhalten und die wachsende Bedeu-
nauer an die ausdrücklichen Aussagen, ohne eigens deren Stellen- tung Hegels für die Theologie aufzufangen? Schon die Voraussetzen
in der Geistesgeschichte oder auch zueinander zu prüfen zungen dieser Annahmen sind mehr als fragwürdig. So sehr Hegel
Und zu verdeutlichen, was nicht unbedingt eine genetische Un- gerade im Blick auf seine Folgen beachtet werden muß, so sehr
tersuchung leistet. Daß die Synthese des Thomas dem 13., die ist die Sache Gottes auf das heute mögliche Verständnis zu
Tegels dem 19. Jh. angehört, scheint keine Rolle zu spielen; daß erschließen.
Sle beide von der gleichen Wirklichkeit reden und daß sie deshalb

^glichen werden können, ist fraglos ausgemacht. Offensichtlich Innsbruck Karl H. Neufeld ■ SJ
at G. Siewerth mit seinem „Thomismus als Identitätssystem"
™jer nachhaltigen Einfluß ausgeübt. Aber sind nicht näher er-

arte Voraussetzungen wie die verschiedener Hemeneutiken, „, . _ . , _ _ ... , _ . - ..

vnn h. , .••„,.,•..• , Klein, Otmar Erich: Bewußtsein und Umgreifendes. Frankfurt/
n denen die eine als traditionell katholisch, die andere als M._Bern-New York-Paris: Lang 1990. XII, 228 S. 8 = Eurorai
/, ' d'e eme 3lS ob->ektlv< die andere als subjektlv ■ • cna" päische Hochschulschriften. Reihe XX: Philosophie, 326.

"Zensiert werden (vgl. 204f, 3830, Annahmen, die gerade nach- Kart. DM 70,-.

Bewiesen werden müßten? Jedenfalls scheint uns hier ein Beachten
in Kontrasten angelegt, das zu der ständig behaupteten „Der Ursprung der Seinsfrage liegt in einer der mystischen
rgänzbarkeit und möglichen und wünschenswerten Entspre- unio vergleichbaren .metaphysischen Erfahrung' als dem ,abso-
Ur|g zwischen Thomas und Hegel in einer solchen Spannung luten Bewußtsein' wirklicher Existenz" (185). Dieser Gedanke,

|!erb'eibt, daß dadurch der Sinn des ganzen Unternehmens frag- der freilich erst gegen Ende des zu besprechenden Buches auf-

Cn scheint. Daran ändert sich auch nichts, wenn Hegel attestiert taucht und sich dort nur auf den abschließenden 4. Teil bezieht,

w'rd, er sei in manchem dem Aquinaten nahe (vgl. 81, 157 ...), ja dürfte dennoch das Fazit der Jaspersdeutung (zumindest seiner

ertreffe ihn und könne „un puissant correctif" (381) werden. Ontologie), die hier vorgelegt wird, sein. Ob man dieser Deutung

}} solchen Möglichkeiten wird häufiger gespielt; aber der Leser zustimmt wie wir oder nicht, sie gibt der Untersuchung ihren

würde gern wissen, wie sich ihre Wirklichkeit denken läßt. Reiz und macht außerdem für alle die, die sich in irgendeiner