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Ausgabe:

1992

Spalte:

292-294

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Brito, Emilio

Titel/Untertitel:

Dieu et l'être d'après Thomas d'Aquin et Hegel 1992

Rezensent:

Neufeld, Karl H.

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 4

292

mehr entläßt der poetische Prozeß aus sich das Subjekt und die
ihm gehörige Welt.

In einer „Unwissenschaftlichen Nachschrift" (259-271) ortet
der Vf. Raabes literarische Problematisierung der Theodizee
theologisch. Dabei setzt er die annihilierende Negation aller
Theodizeelösungen gleich mit Barths Kritik an religiösen Modellen
, die Offenbarung und Weltbewußtsein vermitteln wollten.
Die Negation solcher Modelle zieht eine absolute Grenze zwischen
Gott und Mensch, durch deren „eschatologischen Horizont
" die Theodizeefrage radikal offengehalten wird. Der Vf.
nimmt mit der Befragung narrativer Strukturen auf ihre theologischen
Implikationen hin ein wichtiges Anliegen auf, das der Literaturwissenschaft
einen Interpretationsbereich eröffnet, ohne sie
und ihren Gegenstand in die absolute Wahrheitspflicht zu zwingen
. Überzeugend stellt der Vf. dar, wie gerade die Theodizeepro-
blematik als Katalysator zwischen theologischen Konzeptionen
und poetischem Verfahren wirkt und tut der Pflicht von Seiten
der Germanistik Genüge. Theologen sollten ihrerseits das Buch
zum Anlaß nehmen, die Literatur in ihren Pflichtkanon aufzunehmen
; die Kategorie der Theodizee bietet hierzu eine Handreichung
. Von ihrer Seite bleibt kritisch rückzufragen, ob der
„eschatologische Horizont" nur die Funktion der Negation welterklärender
Theodizeemodelle ausführt? Im Theodizeeproblem
läuft der ,eschatologische Horizont' durch das Subjekt, das sowohl
der Welt gehört als auch ihr gegenübertritt mit der Frage
nach ihrem transzendenten Grund und Gesetz. Die Theodizeefrage
ist somit ein Indikator der Autonomie des Subjektes gegenüber
der Welt und mit dem Scheitern einer objektiven Theodi-
zeelösung tritt nach Detering an ihre Stelle kompensativ die
subjektive Selbstvergottung. Der Vf. betont zu einseitig die Nega-
tivität des eschatologischen Horizontes als absoluter Grenze, die
das subjektive Wissen vom geforderten Allwissen der Theodizee
absondert und in deren Schutz das Subjekt sich selbst verabsolutieren
kann. Aufgabe theologischer Reflexion wäre es nun, die
eschatologische Wissensgrenze als Bedingung einer offenen Dialektik
zu verstehen, aus der heraus der Erzählprozeß schöpferisch
entsteht und Subjekt und Welt erst konstituierend aus sich entläßt
. Damit würde sowohl die Aporie der alten metaphysischen
Theodizee überwunden wie auch ihr säkulares Analogat einer
heillosen Selbstvergottung, wodurch das Subjekt vom absoluten
Wahrheitsanspruch der Theodizeefrage erlöst würde. Die vom
Vf. beobachtete Ablösung des auktorialen Erzählers durch ein
multiples Erzählgewebe gewönne seine theologische Bestimmung
in einer Neuwertung des Theodizeeproblems unter dem
Aspekt des poetischen Schaffensaktes und erhielte eine interdisziplinäre
Resonanz.

Heidelberg Gerd Theobald

Wessel, Klaus, u. Marcell Restle: Reallexikon zur byzantinischen
Kunst. Hg. von M. Restle. Bd. IV. Lfg. 29-32: Konstantinopel
(Schluß), Konzilien, Korinth, Kreta, Register und Abkürzungsverzeichnis
zu Bd. IV. Stuttgart: Hiersemann 1990. Sp.
641-1236 m. 97 Abb., Titelbogen zu Bd. IV. 4°.

Mit Ausnahme des Artikels „Konzilien" (737-746) von Christopher
Walter werden topographische Lemmata behandelt.
Marcell Restle schloß den für dieses Reallexikon zentralen Artikel
„Konstantinopel" (641-737) ab. Das auf den ersten Blick für
diesen Gegenstand etwas kurze Literaturverzeichnis täuscht insofern
, als im Laufe des Artikels eine Fülle von Fachliteratur verarbeitet
wurde. Im Einzelnen sind an der Aufarbeitung des Materials
beteiligt: Marcell Restle (366-613) mit dem mit Spannung
erwarteten abgewogenen Artikel „Hagia Sophia" (vgl. topo-
graph. Register Sp. 1188), G. Hellenkemper Salies (613-625) und

wieder Marcell Restle (625-737). Es ist ihnen gelungen, unnötige
spekulative Emotionen mit Hilfe von Sachargumenten auszuschließen
, vgl. vor allem die Diskussion Stanzl/Deichmann u. a.
um den Raumtypus der Hagia Sophia Sp. 428ff. Die Beachtung
des liturgischen Kontextes unter Heranziehung der bekannten
Untersuchung von Th. F. Mathews hat sich dabei als hilfreich erwiesen
. Man mag, wie der Rezensent, diese Reduzierung auf
Sachargumente bedauern. Aber ein Reallexikon hat zu referieren
und nicht zu spekulieren. Im übrigen bietet die wohl erschöpfend
(falls nicht übersehen: Rowland Mainstone, Hagia Sophia. Ar-
chitecture, Structure and Liturgy in Justinian's Great Church,
London 1988 konnte wohl nicht mehr aufgenommen werden)
ausgebreitete Quellenliteratur ausreichend Gelegenheit, den
theologischen (nicht nur liturgischen!), philosophischen und
ästhetischen Voraussetzungen dieses Kirchenbaus nachzugehen.
Wie denn „eine solche symbolische Interpretation eines Architekturmodells
sowohl mit theologischen wie politischen Begriffen
für einen Menschen des 6. Jahrhunderts weniger phantastisch
gewesen ist, als es heute erscheinen mag" (Richard Krauthei-
mer). Wer zunächst einen Einstieg in die Materialfülle haben
möchte, der sei auf Restles Artikel „Konstantinopel/Istanbul/
Byzantion/Byzanz" im Lexikon des Mittelalters (5. Bd., Lfg. 7)
verwiesen. D. I. Pallas schrieb den Artikel „Korinth" (746-81 0-
I. Volanakis und Manfred Bissinger schrieben den Artikel
„Kreta", wie „Konstantinopel" von monographischem Umfang
(811-905; 905-1174). Wie bei allen topographischen Artikeln
setzt auch dieser mit der frühchristlichen Epoche ein und führt
bis in die spätbyzantinische Epoche. Die Darstellung ist ebenso
belehrend wie interessant, weil sich die Geschichte der byzantinischen
Kunst auf dieser Insel in einer nur für sie charakteristischen
Weise widerspiegelt. In den großen Gesamtdarstellungen
werden solche Randzonen des byzantinischen Reiches aus erklärlichen
Gründen nur marginal behandelt. Um so dankbarer
werden die Benutzer des RBK zu dieser Beschreibung greifen.
Wie immer schließen ein ikonographisches und ein topographisches
Register, sowie die Abkürzungen den IV. Band ab. Marcell
Restle schrieb einen dem Band vorangestellten Nachruf auf
Klaus Wessel, in dem er die Verdienste dieses Gelehrten um dieses
Reallexikon und seine wissenschaftliche Lebensleistung würdigt
(vgl. auch ThLZ 116, 1991, 630).

Halle (Saale) Konrad Onasch

Philosophie, Religionsphilosophie

Brito, Emilio: Dieu et l'etre d'apres Thomas d'Aquin et Hege'-

Paris: Presses Universitairesde France 1991.422 S. 8 =Theo-
logiques. Kart. fFr 245,-.

Die Gottesfrage wird auch in einer Welt nicht weniger dringlich
, die einen Rückgang des kämpferischen Atheismus erlebt. Je'
denfalls dürfte die alte Selbstverständlichkeit von Religion und
Gottesverehrung unwiderbringlich dahin sein. Das wirkt sich
nicht nur in direkten Angriffen und Infragestellungen aus, es betrifft
die geistige Lage der Gegenwart und deren erkennbare Entwicklungstrends
. In dieser Situation ist jeder Beitrag zunächst
einmal willkommen, der zu einem solchen Thema ein Kapitel der
Klärung oder einen Versuch beisteuert, wie heute davon geredet
werden könnte.

Die vorliegende Untersuchung vergleicht Thomas von Aqu"1
und Hegel im Blick auf Gott und Sein, d. h. auf Vorstellungen, die
im Zusammenhang ihrer Konzeption von Welt und Wirklichkeit
entwickelt und vertreten wurden. Daß der Gott der jüdischchristlichen
Offenbarung dabei nicht einfach ausgeschlossen
bleibt, steht von vornherein zu erwarten, beeinflußt aber vorder-